Die ewige Schulbaustelle

Von Andreas Gewinner
Hurra, die Schule ist im Seehaus! Die 3. Klasse wanderte am Donnerstag mit Schulleiter Ulrich Zahn (hinten links) zu dem Ausflugslokal und Unterkunftshaus am Fuße des Schneebergs. Die Kinder übernachteten auch hier und bekamen am Freitag im Seehaus auch ihre Zeugnisse. Foto: Andreas Gewinner Foto: red

Am Freitag früh erhielten die Schüler der dritten Klasse der Grundschule Gefrees ihre Abschlusszeugnisse an ungewöhnlichem Ort: Im Seehaus am Fuße des Schneebergs. Die Nacht zuvor hatten sie auch hier verbracht. Ihr Lehrer Ulrich Zahn ist eigentlich Lehrer und auch Leiter der Mittelschule. Dass er als Grundschullehrer einspringen musste, ist nicht die einzige Baustelle an der Schule in Gefrees. Eine Exkursion zu Kombiklassen, zur Dauerbaustelle Schulzusammenlegung. Und zu zwei Verschwörungstheorien.

 
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Die Mittelschule: Sie wird es in Gefrees nach derzeitigem Stand nur noch zwei Jahre geben. Die bisherige siebte Klasse wird noch die achte und neunte Klasse hier absolvieren können. Wenn sie 2019 abgegangen ist, wird in Gefrees das Kapitel Mittel-/Hauptschule wohl für immer geschlossen.

Die Schulzusammenlegung: Seit nun vier Jahren laboriert die Stadt an dem Projekt, die Grundschule (bisher an der Schulstraße gelegen) mit der Mittelschule an der Theodor-Heuss-Straße zusammenzulegen. Damit der Architekt Um- und Anbauten planen kann, braucht es einen „abstrakten Raumplan“ von der Schulabteilung der Regierung. Dreimal ist das seit 2013 passiert. Und immer wenn es losgehen konnte mit dem eigentlichen Bauen, war klar: Die Mittelschule würde eine oder sogar zwei Klasse verlieren, die Planung war Makulatur.

Und hier kommt Verschwörungstheorie Nummer Eins ins Spiel, die laut und mit Namen niemand sagen will. Sie lautet: Die Regierung hat mit Absicht die Planungen verschleppt, bis das absehbare Ende der Mittelschule vor der Tür stand. Auch Bürgermeister Harald Schlegel will sich diese Meinung nicht zu eigen machen. Er sagt diplomatisch: „Die Verzögerungen sind nicht allesamt von der Stadt zu verantworten.“ Aber der gesamte Ablauf sei schon „sehr unbefriedigend“ gewesen.

Die Regierung spricht auf Nachfrage ebenfalls von einem „langen Prozess“, so Pressesprecher Oliver Hempfling. Der gleichwohl klarstellt: „Die Regierung von Oberfranken hat das Vorhaben der Zusammenlegung von Grund- und Mittelschule in Gefrees seit April 2013 intensiv begleitet. Es fanden neben etlichen Telefonaten mit Bürgermeister und dem beauftragten Architekturbüro allein sechs Planungsbesprechungen statt. Diese wurden notwendig, weil das Raumkonzept seitens des Sachaufwandsträgers, also der Stadt, immer wieder neu überplant wurde. Grund hierfür waren etwa neu prognostizierte Schülerzahlen. Im Vordergrund stand dabei stets, eine wirtschaftliche und den schulischen Anforderungen gerecht werdende Lösung zu finden.“

Dass aus einer einst geplanten Zusammenlegung von zwei Schulen inklusive An- und Neubauten nun ein faktischer Umzug einer Schule wird, ohne dass An- oder Neubauten nötig werden, ist einerseits eine positive Folge der Verzögerung. Aber Schulleiter Ulrich Zahn sagt: „Extra Räume in einer Schule kann man immer brauchen.“ Für den Fall der Fälle stand sogar mal der Umzug der städtischen Bücherei an die Theodor-Heuss-Straße im Raum. Das ist nun passé.

Und den Einsparungen, die die Stadt Gefrees hat, weil keine zusätzlichen Räume entstehen müssen, stehen auch unnötige Kosten gegenüber: für drei Planungen, die für den Papierkorb waren. Wie viel die Stadt dafür seit 2013 ausgeben musste, mochte Schlegel nicht sagen. Man greift aber sicher nicht zu hoch, wenn man sie im mittleren bis hohen fünfstelligen Eurobereich ansetzt.

Niedergang einer Schulform: Hauptursache für den Niedergang der Gefreeser Mittelschule ist, neben den zurückgegangenen Kinderzahlen insgesamt, das Übertrittsverhalten. In Gefrees lag die Quote zuletzt bei 65 Prozent, so Bürgermeister Harald Schlegel. Heißt: Nach der vierten Klasse gehen zwei Drittel der Gefreeser Kinder auf Realschule oder Gymnasium. In Gefreeser Familien kamen letztes Jahr 30 Kinder zur Welt, im Jahr zuvor sogar nur 20. Legt man die beiden Zahlen übereinander, ist erkennbar, dass es auch in Zukunft kaum für eine Mittelschulklasse reichen würde. Das Problem existiert nicht nur in Gefrees. In Bindlach liege die Übertrittsquote bei 80 Prozent, weiß Schlegel. Der Bürgermeister respektiert den Wunsch der Eltern, die häufig hinter dem ambitionierten Übertrittsverhalten steht: „Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind, das ist klar.“ Aber die Frage sei, ob es dann wirklich das Beste sei, wenn ein Kind am Gymnasium krachend scheitert und sich dann ohne Netz und doppelten Boden in den hinteren Rängen der Mittelschule wiederfinde.

Die Kombiklassen: Im nächsten Schuljahr gibt es an der Grundschule drei Kombiklassen 1./2. Klasse mit 67 Kindern. Als etwa 22 Kinder je Kombiklasse. Theoretisch hätte man auch vier jahrgangsreine Klassen bilden können, denn die Klassenmindestgröße an der Grundschule ist 13 Kinder. Hier kommt Verschwörungstheorie Nummer Zwei ins Spiel: Will sich der Staat einen Lehrer in Gefrees sparen? Werner Lutz hat früher selbst in Gefrees unterrichtet, heute ist er Schulrat im Schulamt Bayreuth. Lutz spricht nicht von Lehrern sondern von Lehrerstunden. Die durchschnittliche Grundschulkassengröße in Bayern liege bei 21 Schülern, was der Größe der Gefreeser Kombiklassen entspricht. Zur Verfügbarkeit von Lehrern sagt er: „Wir können vernünftig versorgen, aber wir können uns keinen Luxus erlauben.“ Für das Kombiklassenmodell spreche die Kontinuität. Kombiklassen 1./2. gab es auch schon im vergangenen Schuljahr in Gefrees. Und das Kobiklassenmodell vermeide, dass es im einen Jahr sehr große und im nächsten Jahr sehr kleine jahrgangsreine Klassen gebe. Und je Kombiklasse gebe es drei Lehrerstunden je Woche zusätzlich für Differenzierungsunterricht. Für Schulleiter Ulrich Zahn wäre der ideale Schlüssel: drei Lehrer für zwei Kombiklassen.

So geht es weiter mit der Schulzusammenlegung/-umzug: Die Tatsache, dass kein Anbau mehr nötig ist sondern nur Umbauten, vereinfacht die nun vierte Planung für das Projekt. Eine andere Tatsache macht sie komplizierter: Das Vergaberecht hat sich geändert, die Stadt kann nicht einfach den schon eingearbeiteten Architekten beauftragen, der die bisherigen Pläne gemacht hat, sondern muss einen Teil der Architektenleistungen ausschreiben. Bürgermeister Harald Schlegel hat eigentlich nur noch einen Wunsch: „Ich möchte in meiner Amtszeit (endet 2020) noch den Baubeginn erleben.“ Und Jessica Wolfrum vom Elternbeirat sagt: „Wir als Eltern verstehen überhaupt nicht, dass das so rausgezögert wird. Dass vier Jahre vergehen, hätten wir zu Beginn niemals erwartet.“

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