Die Bitcoins kommen "aus dem Nichts"

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Was ist ein Bitcoin, was ist eine Blockchain? Wo kommen die Bitcoins her, wieso sind sie so viel wert? Wir fragten nach bei Gilbert Fridgen, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Uni Bayreuth.

 
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Haben Sie schon Bitcoins gekauft?

Prof. Gilbert Fridgen:  Ja, glücklicherweise bereits vor dem aktuellen Kursanstieg. Arbeiten muss ich dennoch noch.

 

Mutige Privatleute dürfen spekulieren?

Fridgen: Natürlich, so lange sie nur Geld einsetzen, das auch komplett verloren gehen kann. Der Kauf von Bitcoins ist auch nicht einfach für Laien, hier braucht man schon auch ein bisschen technisches Verständnis.

 

Woher bekommt der Bitcoin seinen Wert?

Fridgen: Ein 10-Euro-Schein hat nur deshalb einen Wert, weil jemand bereit ist, Ihnen dafür vier Kaffees zu verkaufen. Genauso ist das mit der Bitcoin: Es gibt Menschen, die bereit sind, dafür die aktuellen Preise zu bezahlen. Das hat meines Erachtens mehrere Gründe: Einerseits erwarten viele einen weiteren Kursanstieg. Andererseits ist die Bitcoin für viele der Einstieg in die Welt der Blockchain – mit allen Innovationen, die es dort gibt.

 

Was ist ein Bitcoin, was ist eine Blockchain? Erklären Sie es uns mit ganz einfachen Worten.

Fridgen: Die Blockchain ist die Grundlagentechnologie hinter der Bitcoin. Stellen Sie sich vor, jeder von uns hätte ein Notizbuch in der Tasche. Alles, was Sie oder ich in das Notizbuch schreiben, steht automatisch auch bei jedem anderen im Notizbuch, und ausradieren kann niemand etwas. Jede Seite dieses Notizbuches ist ein „Block“, die Bindung des Notizbuches ist die „Chain“.

 

Und was schreibe ich da rein?

Fridgen: Sie können beispielsweise in das Notizbuch eintragen, dass Sie mir zwei Bitcoins übertragen. Wenn ich davon wieder eine Bitcoin weiterüberweisen möchte, kann jeder prüfen, dass ich diese eine Bitcoin auch wirklich habe und niemandem anderen übertragen habe. Ein Währungssystem über die Blockchain umzusetzen ist nur eine Anwendung. Mit neueren Blockchain-Technologien können Sie aber noch viel mehr machen. Manche erwarten zum Beispiel, dass Maschinen in Zukunft auch über die Blockchain untereinander Verträge schließen und Dienstleistungen abrechnen.

 

Wer macht die Bitcoins?

Fridgen: Um Manipulationen am gerade beschriebenen Notizbuch zu verhindern, ist es sehr aufwendig, neue Seiten hinzuzufügen. Dazu lösen Computer weltweit um die Wette ein neues Rätsel. Um die Betreiber dieser Computer zu entlohnen, dürfen diese sich auf einer neuen Seite eine bestimmte Anzahl Bitcoins „aus dem Nichts“ selbst zuweisen – sie dürfen quasi einen bestimmten Geldbetrag selbst drucken.

 

Die Stückzahl ist begrenzt?

Fridgen: Ja, aber das Maximum an Bitcoins werden wir erst 2130 erreicht haben. Bis dahin nutzen wir bestimmt auch eine bessere Lösung.

 

Rund 1000 Personen sollen 40 Prozent aller Bitcoins kontrollieren. Sie können die Kurse in eine beliebige Richtung schieben?

Fridgen: Diese Gefahr besteht in der Tat. Die Bitcoin ist kaum regulierbar und viele Eigentümer sind unbekannt. Da sind Manipulationen nicht ausgeschlossen.

 

An der Börse in Chicago werden Bitcoin-Futures gehandelt. Ist das gut oder schlecht?

Fridgen: Es ist erstmal gut, weil Kapital in Richtung einer Zukunftstechnologie fließt. Allerdings denke ich, dass neuere Blockchain-Lösungen, die einen deutlich höheren Leistungsumfang und deutlich weniger Kinderkrankheiten als die Bitcoin haben, langfristig das interessantere Investment sind.

 

Die Kryptowährung ist im regulierten Börsenumfeld angekommen. Der Bitcoin wird geadelt?

Fridgen: Staaten sind hier weiterhin – und auch zu Recht – eher skeptisch. Regulierung ist ja per se nichts Schlechtes, sie soll Marktversagen vermeiden und so die Investoren schützen. Ich denke, in Zukunft werden wir Lösungen sehen, die staatlich reguliert sind und dennoch die Vorzüge von Kryptowährungen bieten.

 

Die Börsenplatzierung ist Treibsatz für weitere Kursanstiege?

Fridgen: So allgemein kann man das nicht sagen. Zunächst gewinnt die Bitcoin dadurch breite Aufmerksamkeit und die Kursgewinne machen Hoffnung auf eine gute Rendite. Das zieht sicherhin weiteres Kapital an, ist aber auch das klassische Rezept für eine Blase.

 

Welche Kurse erwarten Sie noch?

Fridgen: Man weiß nie, wie lange es noch nach oben geht. Der Kurs kann auch morgen 30 Prozent  einbrechen und übermorgen weitere 30 Prozent. Die Frage ist auch, wann sich die Aufmerksamkeit auf fortgeschrittenere Technologien wie Ethereum oder IOTA richtet.

 

Kann der Bitcoin auch wieder verschwinden?

Fridgen: Nur wenn doch ein grundlegendes Sicherheitsproblem festgestellt würde. Dann ginge von einem Tag auf den nächsten sämtliches Vertrauen verloren und die Kurse gingen gegen null. Das ist aus heutiger Sicht aber eher unwahrscheinlich.

 

Zahlen wir eines Tages alle mit Bitcoins?

Fridgen: Sicher nicht mit Bitcoins. Transaktionen sind hier zu langsam und zu teuer. Neuere Kryptowährungen könnten das lösen, werden aber nie so schnell und so günstig nutzbar sein, wie herkömmlicher elektronischer Zahlungsverkehr. Ich denke, wir werden das in einigen Bereichen nutzen und auch viele gemischte Lösungen sehen.

 

Geld, das keine Banken mehr braucht. Da schrillen die Alarmglocken bei Geschäftsbanken und Notenbanken?

Fridgen: Ja, die Finanzbranche ist alarmiert. Allerdings zeichnet sich ab, dass es keine Revolution geben wird, sondern eine Evolution. Wenn sich die Banken anpassen und die Technologie selbst nutzen, dann werden sie auch weiterhin bestehen. Wenn sie verpassen, sich anzupassen, dann werden sie das nicht lange überleben.

 

Die Bitcoin wird sich als Parallelwährung etablieren?

Fridgen: Ja, das hat sie bereits. Allerdings wird die Bitcoin in der Nische bleiben. Blockchain-basierte Lösungen werden in ein paar Jahren aber in vielen Produkten stecken, ohne dass wir das überhaupt merken.

 

 

Zur Person

Gilbert Fridgen (37) ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Nachhaltiges IT-Management an der Universität Bayreuth sowie stellvertretender Leiter der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT).

Fridgen begann seine akademische Laufbahn an der Uni Augsburg. Von 2011 bis 2013 vertrat er dort eine Professur für Wirtschaftsingenieurwesen. Seit 2015 beschäftigt sich Fridgen mit der ökonomischen Anwendung der Blockchain-Technologie und ist mitverantwortlich für den Aufbau des Fraunhofer-Blockchain-Labors.

Eine der Kerneigenschaften der Technologie, die weit über ihre bisher erfolgreichste Anwendung, den Bitcoin, hinausgeht, ist die manipulationssichere Speicherung von Informationen auf der Blockchain. Dies erlaubt beispielsweise transparente und nachvollziehbare organisationsübergreifende Geschäftsprozesse, was wiederum eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten eröffnet.

Fridgens Forschung leistet einen Beitrag dazu, die Blockchain systematisch und analytisch auf ihr heutiges und zukünftiges Potenzial für die Wirtschaft zu überprüfen, heißt es auf der Website der Uni Bayreuth.