Der Winter und das Fichtelgebirge

Von Andreas Gewinner

Der Winter, das Fichtelgebirge und der Schnee: Viele haben ihn herbeigesehnt, für andere ist das Weiß von oben immer wieder eine Überraschung. Eine Geschichte von nassen Füßen, lachenden Hühnern und langen Arbeitszeiten. Und die überraschende Auskunft, wie wenig Schnee tatsächlich gefallen ist.

 
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Das höchste Wirtshaus Frankens: Der Arbeitsplatz von Martin Reichenberger liegt auf 1023 Metern Höhe. Hier hin kommt man nur durch den Wald, auf einer geräumten aber nicht asphaltierten Straße mit ein paar sehr steilen Stellen. "War schon schwierig", sagt der Wirt der Asenturmgaststätte am Mittwoch, "wir haben einen Teil der Leute daheimgelassen." Denn der Schnee ist nicht das einzige Problem. Seine insgesamt 18 Mitarbeiter haben teils seit Weihnachten durchgearbeitet und haben viele Überstunden, trotz bisher wenig Schnee war der Betrieb gut auf dem Gipfel des Ochsenkopfes. Normalerweise arbeiten zehn bis zwölf Leute gleichzeitig in der Asenturmgaststätte, an diesem Mittwoch sind es sechs. Nicht alle von Reichenbergers Mitarbeitern haben Allradautos, an Tagen wie diesen werden möglichst nur die eingesetzt, die einen vierradgetriebenen Wagen haben, die dann fallweise eine Fahrgemeinschaft mit schlechter motorisierten Kolleginnen bilden.

Die Altenpfleger: Viktoria Karg, Leiterin der Diakoniestation Warmensteinach, ist gerade von einer Pflegeberatung zurückgekommen, "und jetzt habe ich nasse Füße". An diesem Mittwoch sind früh um halb sechs fünf Pflegekräfte ausgerückt, abends sind es nochmal zwei. Aber im Fuhrpark haben nur drei Autos Allradantrieb, und die Gemeinde mit ihren rund 30 Kilometern Straßennetz hat einige sehr steile Straßen. Deswegen ist am Mittwoch eine Mitarbeiterin mit ihrem privaten allradgetriebenen Wagen gefahren. Viktoria Karg macht sich keine Sorgen: "Wir haben gute Autofahrer. Und komischerweise passieren bei diesem Wetter weniger Unfälle als im Sommer, weil jetzt alle vorsichtig fahren." Was es sonst noch braucht, sagt sie, mit Blick auf ihre nassen Füße: "Gute Stiefel. Denn nicht überall will man hinfahren und dann womöglich stecken bleiben, und dann läuft man lieber ein paar Meter."

Der Bauhof: Für viele ist es immer noch überraschend, dass es im Winter Schnee gibt. Für den Bauhof Weidenberg nicht. Klaus Bauer, der Geschäftsleiter im Rathaus am Obermarkt, hat am Mittwoch früh schon den ersten Bericht seines Bauhofleiters auf dem Schreibtisch. Am Dienstag um 18 Uhr wurde mit Blick auf die Wettervorhersagen festgelegt, dass um 3 Uhr früh sechs Mann zum Schneeräumen ausrücken, neuneinhalb Stunden lang, bis 12.30 Uhr. Dann steht bis 16 Uhr eine Kraft bereit für die wichtigsten Straßen. Und ab 16 Uhr geht es mit großer Besetzung weiter. Ein externer Dienstleister ist ebenfalls im Einsatz, und auf Abruf gibt es noch Landwirte, die auf geringfügiger Basis zum Einsatz kommen. "Zur Zeit haben wir alles im Griff", sagt Bauer. Neu dieses Jahr in Weidenberg: Erstmals gibt es einen Räum- und Streuplan mit drei klaren Prioritätsstufen. Ganz oben stehen die Hauptrouten, abgesehen von Kreis- und Staatstraßen, für die andere zuständig sind. Und unten auf der Liste rangieren die kleinen Wohn-, Erschließungs- und Stichstraßen, bei denen es dann schon mal länger dauern kann. 100 Kilometer Wege- und Straßennetz im Ganzen. Probleme hat der Räumdienst nur mit geparkten Autos am Straßenrand, Bauer appelliert an die Bürger, wo vorhanden, die eigenen Stellplätze zu nutzen. Bauer spricht von einem "stinknormalen Wintertag, da lachen ja die Hühner! Ich kenne die Winter in Kirchenlamitz, wo früher ganze Dörfer eingeschneit waren und mit der Schneefräse befreit werden mussten."

Der Zeitungsausträger: Wenn Hans-Jürgen Langer aus Bischofsgrün ab 4 Uhr früh den Kurier austrägt, dann sind die meisten Straßen noch nicht geräumt. Aktuell muss er 130 Ausgaben des Kuriers im Heilklimatischen Kurort zu den Lesern bringen, außerdem noch Briefe: "Ging eigentlich."  Aber statt rund zwei Stunden hat er dafür am Mittwoch dreieinhalb gebraucht, "da steht man teils bis zur Hüfte im Schnee." Aber Langer trägt seit 15 Jahre Zeitungen in Bischofsgrün aus, er hat ein Allradauto und kann sich an schlimmere Tage mit mehr Schnee erinnern. "Alles im grünen Bereich. Das Entscheidende ist, dass die Zeitungen pünktlich bei mir eintreffen. Und das hat geklappt."

Die Schneeräumer: Der Winter im Fichtelgebirge scheint ein Medienereignis zu sein. Matthias Sauer von der Firma Uni Voit gibt an diesem Mittwoch schon sein zweites Interview, "heute früh hat schon Antenne Bayern angerufen." Sieben Fahrzeuge von Uni Voit sind an diesem Mittwoch in drei Landkreisen unterwegs, um Schnee zu räumen, "aber wir haben noch Notreserven". Sauer selber sitzt nicht "auf dem Bock" sondern ist in der Werkstatt. Er repariert Kundenfahrzeuge.

Die Polizei: Meldet rund 30 Verkehrsunfälle mit vier Leichtverletzten in Oberfranken zwischen Dienstagabend und Mittwoch früh. Besonders betroffen waren der Hofer Landkreis und der Landkreis Wunsiedel. Auf der B289 zwischen Weißdorf und Münchberg war stellenweise kein Vorwärtskommen mehr. Auf der B 4 bei Weichengereuth stellte sich ein Sattelzug quer und blockierte die Stadtautobahn Richtung Coburg. 

Die Bahn: Nach mehreren vorangegangen Störungen kam es bis zum späten Mittwochvormittag auf den Strecken von Pegnitz nach Bayreuth beziehungsweise Marktredwitz und von Neuenmarkt-Wirsberg nach Lichtenfels beziehungsweise Hof zu Verzögerungen von bis zu 45 Minuten möglich, meldete DB Regio gestern Vormittag. Kurz nach 12 Uhr kam die Mitteilung: Alles läuft wieder normal. Ein Regionalzug ist am Mittwochmorgen gegen 5.50 Uhr bei Schwarzenbach an der Saale in einen umgestürzten Baum gefahren. Verletzt wurde niemand.

Die Schneehöhe: Das Problem  des vermeintlichen Wintereinbruchs am Mittwoch war nicht die Menge gefallenen Schnees, sondern die Verwehungen. Und die verführen dazu, die Schneemenge und -höhe zu überschätzen. Die Wahrheit: Am Mittwoch früh, 8 Uhr, wurden an der Wetterstation im Fichtelberger Ortsteil Hüttstadl ganze zwölf Zentimeter Schnee gemessen. Und um 16 Uhr waren es genau 19 Zentimeter.

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