Der Schatz der Markgrafenkirchen

Von Michael Weiser
Doppelempore, Kanzelalter und viel Licht: Die prächtige Markgrafenkirche zu Neudrossenfeld. Foto: Elisabeth Pölnitz-Eisfeld Foto: red

In der Umgebung von Bayreuth gilt es, einen Schatz zu heben. Ein Schatz, der um so größer wird, je öfter man ihn teilt: die Markgrafenkirchen. Sie sollen noch mehr Menschen als in der Vergangenheit anziehen. Und wenn’s nach Regionalbischöfin Greiner geht, manchen vielleicht auch zurück auf den Weg zu Gott führen. Jetzt hat sich ein Verein gegründet, der sich der Markgrafenkirchen annehmen soll.

 
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Mit den Markgrafenkirchen kann man etwas für den Tourismus tun, das leuchtet ein. Allerdings wohl besser nicht im Sinne eines barocken Disneylands mit Bayreuths Wilhelminen-Opernhaus und der Eremitage im Mittelpunkt. Man will sie vielmehr ein „gut Zeugnis“ ablegen lassen, über Gott und der Menschen Verhältnis zu ihm. So kann man denn auch das Ziel des „Projekts Markgrafenkirchen“ beschreiben, für das Karla Fohrbeck Pionierarbeit geleistet hat und das jetzt ein Verein unterstützen soll.

Das Gründungsfest des Vereins wurde jetzt in Bindlach in der Bartholomäuskirche gefeiert. Also sprach Regionalbischöfin Dorothea Greiner vom Gleichklang vom Bauen und Beten: „Jede Kirche ist Glaube in Stuck, Malerei und Architektur.“ Und sie nannte die Heilsgewissheit durch Gottes unverdientes Geschenk der Gnade als das Merkmal schlechthin: „Der offene Himmel ist ein theologisches Grundmotiv in Markgrafenkirchen.“

Wölkchen und Engelchen

Tatsächlich - blickt man in diesen Kirchen nach oben, zur Decke, sieht man oft Wölkchen und Engelchen, dazwischen ein Strahlen; es ist fast wie in einem katholischen Himmel. Nur dass bei den Evanglischen in zwei lateinischen Wörtern geklärt ist, was den Weg zum Retter öffnet: Sola fide, der Glaube allein. „Es steht die Überwindung des Todes eher im Vordergrund, daher sieht man oft den Auferstandenen im Strahlenkranz“, erklärt Hans Peetz, der die Leitung der „Projektstelle Markgrafenkirche“ übernommen hat.

Es ist, als wolle man das Bibelwort von den Schwertern und Pflugscharen ummünzen: Kirchen zu Leuchttürmen! Das theologische Programm dieser Kirchen zu ergründen, es darzulegen und zu erläutern, ist eine der Aufgaben von Peetz. Er will zusehen, dass die Kirchen - „so weit möglich“ - geöffnet sind und bleiben, für Mitglieder der Gemeinde ebenso wie für Besucher. „Auch die Zusammenarbeit mit Fremdenverkehrsverbänden könnte man weiter ausdehnen.“

Kunst und Architektur: Die Markgrafenkirchen

Er wird auch die Inventarisierung der Kirchen betreiben. Unter seiner Leitung soll das Projekt die Öffentlichkeitsarbeit voranbringen, sich um die Ausbildung von Kirchenführern bemühen, das Touristische mit dem Spirituellen verbinden. „Kirchenführungen mit Vermittlung der Glaubenswurzeln gewinnen Tiefe und machen Freude, weil sie auf eine spirituelle Entdeckungsreise führen“; sagte Greiner bei ihrer Predigt zum Gründungsfest.

Ungefähr 50 Markgrafenkirchen gibt es. Das wichtigste Merkmal ist die Bauzeit, beziehungsweise: die Epoche, in der das Innere der Kirche sein heutiges Aussehen gewann. „Zwischen 1603 bis 1810“, sagt Peetz über den in Frage kommenden Zeitraum. Die Epoche der Markgrafenkirchen endete also mit dem Übergang von Ansbach-Bayreuth an das Königreich Bayern. Das Kuriose daran: Eigentlich gibt es schon seit 1792 keine regierenden Markgrafen mehr. Aber die neuen Eigentümer, die Preußen, hielten sich vereinzelt an die Sitte. In der Markgrafenkirche von Eckersdorf, gestaltet kurz vor 1800, findet sich ein „F“. Es steht für Preußens König Friedrich Wilhelm II.

Aus der "Finsternus des Pabstuhms"

Aus dem Oberdeutschen übernahm man außerdem die Sitte des Kanzelaltars: Viele Markgrafenkirche haben die Kanzel in den Altar integriert, über den Altartisch. Diese Kombination versinnbildlicht den Zusammenhang von Predigt und Sakrament. „De fränkischen Doppelemporen, umlaufend, manchmal vierseitig, manchmal dreiseitig, mit der Herrschaftsloge oft gegenüber der Kanzel“ nennt Peetz als weiteres Denkmal. Auffallend viele Kirchen sind geradezu lichtdurchströmt. „Eine mit Finsternus vorher erfüllte Kirche stehet nun in vollen Licht“, heißt es in einer Bauurkunde. Finsternus? Gemeint war damit das „Pabstuhm“.

Fest- und Saalkirchen, außen französisch, innen eher italienisch - so schauen viele Markgrafenkirchen aus. Und dann ist da immer die Malerei. „Immer wieder sieht man diese Darstellungen des Lichts“, sagt Peetz. „Die Sonne mit Strahlen, in deren Mittelpunkt das Dreieck mit dem Auge Gottes steht, oder Christus, manchmal auch die Taube des Heiligen Geistes.“

Barocke Comics, mit Sex und Gewalt

Viele Markgrafenkirchen sind auch an den Emporen reich bebildert, als „Bibel für Analphabeten oder eine Form der Predigt“, sagt Peetz. Anders als bei den Katholiken sieht man aber keine Heiligenlegenden, sondern fast ausschließlich biblische Szenen. Die aber können fast die Qualität von Barock-Comics erreichen. Etwa in der Nikolauskirche in Alladorf, wo sich Szenen mit Sex (Joseph und das Weib des Potiphar) and Crime (etwa Sauls Selbstentleibung) finden, den Gläubigen zur Lehr und Kurzweil.

Die Markgrafenkirchen haben es womöglich sogar in die Weltliteratur geschafft. Friedrich Nietzsche soll, so erzählt es eine Legende, in Bayreuth zur Eingangsszene seines Buches „Also sprach Zarathustra“ inspiriert worden sein. Den Seiltänzer zwischen den beiden Kirchentürmen hat er angeblich an der Stadtkirche gesehen. Gott ist tot, sprach sinngemäß Zarathustra etwas später in diesem Buch. Gott lebt, das sagen die 50 Markgrafenkirchen. Der Wahrheitsgehalt sollte sich mit dem Besuch einiger Kirchen doch prüfen lassen.

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