Ungefähr 50 Markgrafenkirchen gibt es. Das wichtigste Merkmal ist die Bauzeit, beziehungsweise: die Epoche, in der das Innere der Kirche sein heutiges Aussehen gewann. „Zwischen 1603 bis 1810“, sagt Peetz über den in Frage kommenden Zeitraum. Die Epoche der Markgrafenkirchen endete also mit dem Übergang von Ansbach-Bayreuth an das Königreich Bayern. Das Kuriose daran: Eigentlich gibt es schon seit 1792 keine regierenden Markgrafen mehr. Aber die neuen Eigentümer, die Preußen, hielten sich vereinzelt an die Sitte. In der Markgrafenkirche von Eckersdorf, gestaltet kurz vor 1800, findet sich ein „F“. Es steht für Preußens König Friedrich Wilhelm II.
Aus der "Finsternus des Pabstuhms"
Aus dem Oberdeutschen übernahm man außerdem die Sitte des Kanzelaltars: Viele Markgrafenkirche haben die Kanzel in den Altar integriert, über den Altartisch. Diese Kombination versinnbildlicht den Zusammenhang von Predigt und Sakrament. „De fränkischen Doppelemporen, umlaufend, manchmal vierseitig, manchmal dreiseitig, mit der Herrschaftsloge oft gegenüber der Kanzel“ nennt Peetz als weiteres Denkmal. Auffallend viele Kirchen sind geradezu lichtdurchströmt. „Eine mit Finsternus vorher erfüllte Kirche stehet nun in vollen Licht“, heißt es in einer Bauurkunde. Finsternus? Gemeint war damit das „Pabstuhm“.
Fest- und Saalkirchen, außen französisch, innen eher italienisch - so schauen viele Markgrafenkirchen aus. Und dann ist da immer die Malerei. „Immer wieder sieht man diese Darstellungen des Lichts“, sagt Peetz. „Die Sonne mit Strahlen, in deren Mittelpunkt das Dreieck mit dem Auge Gottes steht, oder Christus, manchmal auch die Taube des Heiligen Geistes.“
Barocke Comics, mit Sex und Gewalt
Viele Markgrafenkirchen sind auch an den Emporen reich bebildert, als „Bibel für Analphabeten oder eine Form der Predigt“, sagt Peetz. Anders als bei den Katholiken sieht man aber keine Heiligenlegenden, sondern fast ausschließlich biblische Szenen. Die aber können fast die Qualität von Barock-Comics erreichen. Etwa in der Nikolauskirche in Alladorf, wo sich Szenen mit Sex (Joseph und das Weib des Potiphar) and Crime (etwa Sauls Selbstentleibung) finden, den Gläubigen zur Lehr und Kurzweil.
Die Markgrafenkirchen haben es womöglich sogar in die Weltliteratur geschafft. Friedrich Nietzsche soll, so erzählt es eine Legende, in Bayreuth zur Eingangsszene seines Buches „Also sprach Zarathustra“ inspiriert worden sein. Den Seiltänzer zwischen den beiden Kirchentürmen hat er angeblich an der Stadtkirche gesehen. Gott ist tot, sprach sinngemäß Zarathustra etwas später in diesem Buch. Gott lebt, das sagen die 50 Markgrafenkirchen. Der Wahrheitsgehalt sollte sich mit dem Besuch einiger Kirchen doch prüfen lassen.