Der deutsche Elektroauto-Papst

Von
 Foto: red

Er wird schon mit Elon Musk verglichen, dem Gründer der E-Auto-Marke Tesla. Prof. Achim Kampker schickt sich als Geschäftsführer der Post-Tochter Streetscooter gerade an, den Markt für Lieferfahrzeuge mittels elektrisch betriebener Modelle zu revolutionieren. Über die Schwierigkeiten und Erfolge auf dem Weg dahin spricht er im Kurier-Interview.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Herr Professor Kampker, Sie werden wegen des elektrisch angetriebenen Streetscooters, den Sie zusammen mit Ihrem Kollegen Günther Schuh entwickelt haben und den mittlerweile viele Zusteller der Post nutzen, auch als der Elon Musk von Deutschland bezeichnet. Freut Sie das?

Prof. Achim Kampker: So etwas freut uns auf jeden Fall, weil man sieht, dass Aufmerksamkeit da ist.

 

Sie fahren mit dem Streetscooter quasi Kringel um die deutschen Hersteller. Verpennen die gerade die Mobilitätswende, und was machen Sie besser?

Kampker: Wir haben konsequent die Chance genutzt, in einem gerade entstehenden Markt auf Schnelligkeit zu setzen, während andere darauf gewartet haben, dass der Markt sich erst mal entwickelt. Die zu geringen Stückzahlen waren für die Großen immer das Argument, nicht einzusteigen – und in die Lücke sind wir gestoßen. Allerdings war unser Ansatz ja auch von vornherein, mit relativ kleinen Stückzahlen zurechtkommen zu können.

 

Stichwort Schnelligkeit. Der Streetscooter war nach rund fünf Jahren und damit extrem schnell serienreif. Erreicht haben das Sie als Wissenschaftler, den so mancher im Elfenbeinturm wähnt. War es aber vielleicht sogar Ihr großer Vorteil, dass sie das Projekt ganz anders angegangen sind, als die etablierten Hersteller mit ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte?

Kampker: Das war genau unser Ansatz. Wir haben uns gefragt: Wie können wir mit einem Zehntel der Investitionen und in der Hälfte der Zeit etwas auf die Straße bekommen. Die entsprechenden Prozesse waren unser Forschungsgegenstand. Wir haben zum Beispiel immer engen Kontakt mit den Zustellern gehabt, um deren Bedürfnisse zu berücksichtigen.

 

Also ein bisschen nach dem Prinzip learning by doing?

Kampker: Ja, in bestimmten Bereichen probieren wir bewusst Dinge aus, um auch aus Fehlern lernen zu können. Natürlich nicht mehr, wenn die Fahrzeuge schon auf der Straße sind. Aber auch dann bleibt das Feedback der Zusteller enorm wichtig.

 

Wie waren denn am Anfang die Reaktionen der etablierten Hersteller? Wurden Sie belächelt oder vielleicht sogar für verrückt gehalten?

Kampker: Das war sehr unterschiedlich. Es gab von Beginn an sehr ernsthafte Diskussionen. Es gab aber auch diejenigen, die uns belächelt und gesagt haben, das wird ganz schnell wieder vergessen. Ganz interessant war, dass es vor jeder neuen Hürde wieder so war, dass gesagt wurde: Den nächsten Schritt schafft ihr jetzt aber nicht mehr.

 

Und wann haben Sie gemerkt: Jetzt werden wir wirklich ernst genommen?

Kampker: Das ist eigentlich erst so, seitdem bei der Post wirklich ein paar Tausend unserer Autos fahren.

 

Jetzt sind Sie also ein ernsthafter Mitspieler, der nicht zuletzt auf die problemlose Verfügbarkeit der Batterietechnik angewiesen ist. Hier ist Deutschland alles andere als führend. Bosch hat gerade erst verkündet, auf dem Gebiet überhaupt nicht mehr forschen zu wollen. Macht Ihnen die daraus resultierende zunehmende Abhängigkeit von asiatischen Anbietern Angst?

Kampker: Definitiv ja. Das Thema Batteriezellenproduktion ist aus unserer Sicht ein extrem wichtiges. Es wird zu wenig Zellen geben in den nächsten Jahren. Da muss sich Europa wirklich Gedanken machen, wie Zellfertigung, auf die wir dann auch Zugriff haben, hierher kommt.

 

An der Uni Bayreuth soll ein Forschungszentrum für Batterietechnik etabliert werden. Kommen solche Initiativen überhaupt noch rechtzeitig?

Kampker: Solche Initiativen sind über Jahre vernachlässigt worden und deshalb jetzt umso wichtiger. Natürlich ist das nichts, das sich sofort von einem zum anderen Jahr positiv auswirkt oder gar gleich rechnet. Es handelt sich um eine Investition in die Zukunft, die dringend notwendig ist. Wenn man nicht handelt, wird die Lücke ja immer größer. Aber das ist eine große Gemeinschaftsaufgabe für Politik und Wirtschaft.

 

Zurück zum Streetscooter: Sie haben quasi die Seiten gewechselt, sind jetzt Geschäftsführer der Streetscooter GmbH, einer Tochter der Post. Funktioniert so ein Projekt am Ende doch nur mit einem finanzkräftigem Konzern im Rücken?

Kampker: Man muss klar sagen: Ohne ein großes Unternehmen wie die Post im Rücken, die ja auch eine eigene Flotte hat und den Streetscooter in nennenswerter Stückzahl selber nutzt, bin ich mir sicher, dass wir nicht erfolgreich gewesen wären oder es zumindest sehr schwer geworden wäre.

 

Wie muss man sich das vorstellen? Hat da irgendwann einer von der Post bei Ihnen in der Uni angerufen und gefragt: Wollen Sie das nicht für uns machen, wenn kein anderer will?

Kampker (lacht): Ja, so ähnlich war es tatsächlich. Es gab diesen Anruf. Auf Basis eines Zeitungsartikels, wie mir später berichtet wurde. Dann gab’s schnell ein erstes Treffen und es hat persönlich wie inhaltlich gleich ganz gut gepasst. Es ging schneller, als man sich das vielleicht denkt.

 

Wie viele der Fahrzeuge werden mittlerweile pro Jahr produziert?

Kampker: Wir haben jetzt eine Kapazität von 15.000 Fahrzeugen pro Jahr. Dazu kommt gerade ein zweites Werk, in dem dann bis zu 20.000 weitere Einheiten im Jahr gebaut werden können.

 

Aber das kann ja nicht alles die Post abnehmen?

Kampker: Nein, wir verkaufen auch an andere Kunden. Die Kapazitäten, die wir gerade aufbauen, werden auf Sicht eher nicht ausreichen.

 

Und wer sind diese anderen Kunden?

Kampker: Das sind zum Beispiel Firmen wie die Deutsche See oder auch die Stadt Bonn. Ganz interessant ist auch die Selbsthilfegruppe Schüren, nach deren Wünschen wir ein Niederflurfahrzeug aufgebaut haben – das Bäckerfahrzeug (Die Selbsthilfegruppe Schüren ist ein Verbund von Bäckern um den Hildener Großbäcker Roland Schüren/Anmerkung der Redaktion).

 

Die Modelle sind also für jede Kundengruppe anders?

Kampker: Ja, wir entwickeln auf Basis unseres Baukastens Branchen-Werkzeuge, indem wir zusammen mit den Kunden herauszufinden versuchen, was ein Alleinstellungsmerkmal und damit ein Mehrwert für die Branche sein kann. Genauso wie wir es bei den Post-Zustellern auch gemacht haben.

 

Was kostet ein Basismodell?

Kampker: Das fängt an bei 34.000 Euro abzüglich Förderung plus Mehrwertsteuer.

 

Springt dabei schon Gewinn heraus?

Kampker: Wir sind auf einem guten Weg, wir sind zufrieden.


 

Zur Person

 

Achim Kampker (42) hat an der renommierten RWTH Aachen Maschinenbau studiert und wurde dort 2009 zum Professor berufen. Zusammen mit seinem Kollegen Günther Schuh gründete der verheiratete Vater von vier Kindern 2010 die Streetscooter GmbH, eine privatwirtschaftlich organisierte Forschungsinitiative, die zusammen mit rund 80 mittelständischen Unternehmen und zahlreichen Forschungseinrichtungen das erste Elektro-Nutzfahrzeug für den Kurzstreckenverkehr entwickelt hat.

Mittlerweile ist aus der Initiative ein Unternehmen geworden, das Ende 2014 von der Post als 100-prozentige Tochter übernommen wurde. Kampker ist dort weiter Geschäftsführer und von seiner Professur beurlaubt. Mittlerweile sind mehrere Tausend Streetscooter bei der Post im Einsatz. Es wurden aber auch schon andere Kundenkreise erschlossen, für die teilweise eigene Modellvarianten entwickelt wurden. Für die Zukunft ist laut Kampker unter anderem an den Einsatz einer Brennstoffzelle zur Reichweitenverlängerung gedacht.

Autor