Der Brustkrebsschock und was danach kommt

Von Peter Rauscher
Da ist der Feind: Auf der Bildschirmdarstellung einer Magnetresonanz-(MR)-Mammographie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Wird der Krebs früh entdeckt, sind die Heilungschancen sehr gut, sagen Mediziner. Foto: Archiv/Jan-Peter Kasper/dpa Foto: red

Brustkrebs - und dann? Auf einer Podiumsdiskussion unter dieser Überschrift, zu der der Verein Senocura am Freitagabend in die Räume der Deutschen Rentenversicherung eingeladen hatte, gab es auf die Frage vor rund 60 Zuhörern eine klare Antwort.  Auch wenn einem Menschen diese Schockdiagnose gestellt wird,  kann alles gut werden – wenn der Krebs früh genug erkannt worden ist.

 
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Die Lage: Die Zahlen sind nüchtern, aber erschreckend: In Bayern erkranken jedes Jahr rund 10.000 Frauen neu an Brustkrebs, berichtete Gesundheitsministerin Melanie Huml. Jede achte Frau ist betroffen, sagte Frauenärztin Dr. Silvia Neumann-Schmid.  Rechtzeitig entdeckt, „ist eine Heilung fast in hundert Prozent der Fälle möglich,  waren sich Moderator Dr. Ulrich Megerle, Frauenarzt und stellvertretender Vorsitzender von Senocura, und Ehrenvorsitzender Prof. Augustinus Tulusan einig.

Versorgungssituation: In den 80er und 90er Jahren wurden Brustkrebspatientinnen im Klinikum Bayreuth nicht behandelt, „weil wir das nicht konnten“, erinnerte sich Megerle. Das habe sich geändert, als Tulusan aus Erlangen nach Bayreuth kam und ein Brustzentrum gründete, das später beinahe Weltruhm erlangt habe. Seitdem werde die befallene Brust erhaltend operiert. Heute könnten viele Länder auf die medizinische Versorgung bei uns nur neidisch sein, sagte Tulusan.

Selbsthilfe durch Senocura

Huml lieferte dazu Zahlen: In Bayern gebe es 180 Organkrebszentren, 43 Brustzentren und 20 onkologische Zentren sowie 446 onkologisch qualifizierte Ärzte im ambulanten Bereich. Tulusan:  „Vieles haben wir schon, man kann es aber noch vervollständigen“. Eines der Mosaiksteinchen liefert der Bayreuther Verein Senocura, in dem sich Brustkrebspatienten gegenseitig helfen und neu Erkrankten viele Ängste nehmen können.

Was fehlt: Trotz der guten Heilungschancen: Brustkrebs macht Angst, sagte Frauenärztin Neumann-Schmid. Chemotherapie, Hormontherapie, Bestrahlung seien extrem belastend. Fingernägel verändern sich, Patienten könnten unter Übelkeit, Müdigkeit, Bewegungsbeeinträchtigungen, Einbußen bei der Lust aus Sex oder Verlust der Haare leiden. Hinzu komme die Angst, dass der Krebs zurückkommen könnte. „Ich würde mir wünschen, ich hätte mehr Zeit für meine Patienten“, sagte Neumann-Schmid. Aber sie müsse in ihrer Praxis wirtschaftlich arbeiten, teure medizinische Geräte bezahlen.

Gesundheitspolitik: Megerle ging einen Schritt weiter: Die von der Politik vorgegebenen Budgets erschwerten  Ärzten die Arbeit. „Das macht es schwierig, Patienten die Empathie entgegenzubringen, die sie bräuchten“.

Wartezeit beim Facharzt

Gesundheitsministerin Huml ging darauf nicht ein, spielte aber einen anderen Ball an die Ärzte zurück: Sie schilderte den Fall einer 39-Jährigen, die in ihrer Brust einen Knoten ertastete und viele Wochen auf einen Termin beim Facharzt hätte warten sollen. „Das sollte nicht sein“, tadelte sie. Megerle sagte dazu: „Wenn eine Patientin erst mal zum Doktor geht, weil sie was ertastet hat, wird ihr auch sehr schnell geholfen. Ich besorge ihr in drei Tagen einen Termin beim Röntgenarzt.“

Vorsorgeuntersuchungen: Ministerin Huml, selber Ärztin, ermunterte Frauen, ihre Brust immer wieder selbst nach Knoten abzutasten und dann den Mut zu haben, zum Arzt zu gehen. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren werden alle zwei Jahre zum Mammographie-Screening eingeladen. „Jede zweite Frau nimmt teil, das hat aber leider nachgelassen“, sagte Dr. Thomas Ullein, Röntgenarzt und Chef des Mammographie-Screenings in Bayreuth. Er führt das zurück auf Berichte über Überdiagnosen, falsche positive Befunde oder gar Nebenwirkungen. Tatsächlich seien Auffälligkeiten auf  Aufnahmen von der Brust oft harmlos, aber das müsse man durch eine weitere Untersuchung oder notfalls eine Biopsie, also Gewebeprobe, abklären. „Nebenwirkungen einer Biopsie oder unnötige Operationen gibt es bei uns nicht.“ Wer nicht zur Früherkennung gehe, riskiere, dass ein Krebsbefund zu spät erkannt werde.

Nachsorge: Jährlich 200 Brustkrebspatienten, darunter rund sieben Männer, kommen jährlich nach der Akutbehandlung zur Rehabilitation in die Klinik Herzoghöhe, damit sie wieder ins Arbeitsleben und in ihre sozialen Gruppen eingegliedert werden, sagte Chefarzt Dr. Christoph Stoll.  Auf dem Programm stehen Bewegungstherapie, psychologische Betreuung und Information.

Schwerbehindertenausweis für Krebspatienten

Auch zum Beispiel darüber, dass Krebspatienten einen Schwerbehindertenausweis bekommen. Margarete Lorenz vom Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) erklärte die Vorteile: Der Ausweis verbessert den Kündigungsschutz im Job, schützt vor Überstunden, erhöht den Urlaubsanspruch, und es gibt einen kleinen Steuervorteil. Rechtsanwältin Monika Görtz-Leible beklagte allerdings, dass das ZBFS den Grad der anerkannten Behinderung von Krebspatienten nach einer Anfangsphase zurückschraube, auch wenn sich der seelische Zustand der Patienten überhaupt nicht verbessert habe.

Prävention: Man kann etwas tun, um die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung zu verringern, obwohl die genetische Veranlagung eine große Rolle spiele, waren sich die Ärzte einig: An erster Stelle steht Bewegung. „Dreimal die Woche Schwitzen reduziert das Risiko um 30 Prozent“, sagte Ullein. Übergewicht, zu viel Alkohol und Rauchen vermeiden, mediterrane Kost bevorzugen und viel Ballaststoffe zu sich nehmen, riet Neumann-Schmid. Das Risiko sinke dadurch. Aber, so Tulusan: Hundertprozentige Sicherheit vor Brustkrebs gibt es nicht.

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