Das Wunder Markgräfliches Opernhaus

Waha

Die Restaurierung des Markgräfliches Opernhauses ist Geschichte. Nur noch winzige Restarbeiten sind zu erledigen, bevor das Weltkulturerbe am 12. April seine feierliche Einweihung erlebt. Und das Opernhaus ist ein kleines Wunder. Denn mehr als 90 Prozent des ursprünglichen Fassung des Welterbes haben die Jahrhunderte überdauert. Dabei ist die Geschichte mit dem Gebäude nicht zimperlich umgegangen.

 
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Die Ehrfurcht, das behutsame Entdecken der Einzigartigkeit kam spät. Die Erkenntnis, dass das Markgräfliche Opernhaus das einzige in dieser Form und Pracht erhaltene barocke Opernhaus der Welt ist, das zu Recht seit Sommer 2012 den Titel eines Unesco-Weltkulturerbes trägt. Matthias Staschull, der Oberkonservator des Restaurierungszentrums der bayerischen Schlösserverwaltung, beschreibt die „Nutz-, Reparatur- und Restaurierungsgeschichte“ des 1748 eingeweihten Hauses als „unglaublich schillernd“.

Das Bühnenbild ist barocke Zauberei

Die Wirkung ist faszinierend. Beim ersten Blick, noch mehr beim zweiten und beim dritten: Erst dieser unfassbare Detailreichtum des Logenhauses des Opernhauses. Und dann der Blick auf die Bühne. Diese Dreidimensionalität des Bühnenbildes. Die Tiefe des Raumes, in den man blickt. Als würde man in den festlichen Saal eines Schlosses blicken. 39 Meter tief schaut man hinein, die Kulisse des Bühnenbildes suggeriert weit mehr Tiefe. Barocke Zauberei.

So wie das Opernhaus am 12. April nach rund sechs Jahren Restaurierung wieder eingeweiht wird, hat es zu Zeiten Wilhelmines ausgesehen. Zur Einweihung 1748, anlässlich der Hochzeit von Wilhelmines Tochter Elisabeth Friederike Sophie. Mit sehr großer Sicherheit, denn: „Von der originalen Farbgebung ist über 90 Prozent erhalten“, sagt Thomas Rainer, der Museumsreferent der Schlösserverwaltung, der auch für das Opernhaus in Bayreuth zuständig ist. Winzige Details sind noch zu machen, um fertigzustellen, was abzuschließen ist.

Letzte Generalsanierung in den 1930er Jahren

Dass das alles andere als selbstverständlich ist, dass das sogar fast wunderbare Züge hat, dass das Opernhaus wieder so nah dran ist am Original wie 1748, liegt an der Behutsamkeit, mit der die Restauratoren jetzt zu Werke gegangen sind. Anders als die in den Jahrhunderten davor. Nach einem Bau in „unglaublich kurzer Bauzeit“, wie Staschull sagt, hat man dem Haus zum ersten Mal intensiv im 19. Jahrhundert zugesetzt.

Die Änderung der Bühnenöffnung, Einbau eines Bühnenregens, Einbau von Treppenhäusern – „aus Gründen des Brandschutzes, weil in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Häuser abgebrannt sind. 1935/36 gab es die letzte Generalsanierung“, sagt Staschull. „Es existieren Fotos aus dem späten 19. Jahrhundert, auf denen zu sehen ist, wie abgegriffen das war.“

„Die gesamte Oberfläche, eine einzige ölige Soße."

Was eine Art Todesstoß der faszinierenden Kunst der Architekten um Giuseppe Galli Bibiena hätte sein können, passierte in den 1960er Jahren, als „eine Art Holzschutzhysterie losgebrochen ist“, wie Staschull sagt. Der komplett in Holz gefertigte Innenraum wurde mit „Lindan, PCB-haltigem Zeug, eingestrichen. Nicht nur der Dachstuhl, auch das Logenhaus“, sagt Staschull. „Die gesamte Oberfläche, eine einzige ölige Soße. Sogar auf den Leuchtern war das drauf. Aus den Fassungen der 30er Jahre hat man eine giftige, dunkle Oberfläche gemacht, die bis 2012 zu sehen war.“

Eine Testfläche aber zeigt: Es kann gelingen, „das Zeug runterzubekommen, das haben wir im Vorfeld prüfen lassen“, sagt Staschull. Allerdings nur mit „großem restauratorischen Gespür und großem Geschick“ sei es möglich, „die Schichten zu lösen und das Original zu erhalten“. Denn genau das war die Aufgabe, abgestimmt mit Icomos, dem internationalen Rat für Denkmalpflege der Unesco: „Die Substanz bestmöglich zu konservieren.“ Und damit für die nächsten Jahrhunderte zu erhalten.

Guter Rat: Versucht nicht zu kaschieren

Nicht ganz einfach. Wegen der Überfassungen der Jahrhunderte. Und wegen der giftigen Schicht, die die Restauratoren in Schutzanzügen und geschützt durch eine komplexe Absauganlage abtupfen mussten. „Sondern auch wegen der unterschiedlichen Qualitäten: Holz, Leinwand, Farbe, Ständerbauweise“, sagt Staschull. Zum Teil waren, das zeigt der Blick in die Archive, „frisch geschlagene Hölzer zum Bau verwendet worden“. Die beim Trocknen gerissen waren.

Während viele Bereiche „vielversprechend waren“, kam die Ernüchterung, je weiter die Restauratoren sich nach oben gearbeitet haben im Logenhaus: „Im dritten Rang waren nur noch die blanken Holzwände vorhanden.“ Hier war der „Rat der Kollegen von Icomos hilfreich: Sie haben uns bestärkt, dass weniger mehr ist. Sie haben gesagt: versucht nicht zu kaschieren. Man muss die Nutzungsgeschichte des Hauses auch ablesen können. Was eine gewisse Demut verlangt.“ Das Haus dürfe „Schrunden und Abnutzungen zeigen. Andere Elemente haben wir mit einer sehr zurückhaltenden Strichretusche versehen.“

Das Lindgrün entfaltet seine Farbkraft

Was jetzt wieder zu sehen ist, wenn die Besucher ab dem 17. April zum ersten Mal nach sechs Jahren Restaurierung, die knapp 30 Millionen Euro gekostet hat, wieder in das Haus können: Originaler Farbreichtum, „geschaffen von Dekorationsprofis“ vor mehr als 250 Jahren, wie Staschull sagt. Das Lindgrün entfaltet seine Farbkraft, dazu in Teilen das Leuchten der goldenen Reflexionspunkte, die zu Hunderttausenden auf der rund 2500 Quadratmeter großen Fläche des Logenhauses verteilt waren.

Sie müssen „eine unglaublich festliche, mystische Stimmung geschaffen haben in der authentischen Beleuchtung, wie uns die Musterachse gezeigt hat“. Allerdings: „Aus ethischen Gründen war eine Rückführung auf die Farbfassung schwer möglich.“

Originalität und modernste Technik

Während der Innenraum so nah dran ist an der Originalität wie nur irgend möglich, gibt es „viele bauliche Erfordernisse für die Funktion eines solchen Hauses, die gar nicht sichtbar sein sollen“, sagt Mathis Gruhn, Referent in der Bauabteilung der Schlösserverwaltung. Die aber einen erklecklichen Teil der Restaurierung ausgemacht haben. „Wir haben die komplette Haustechnik erneuert: Sanitärinstallation, Brandschutztechnik, Bühnentechnik. Wir haben hier die wildesten Installationen vorgefunden. Ein Wunder, dass das Haus nicht längst abgefackelt ist.“

Ganz wichtig: „Ein stabiles Raumklima.“ Das wird unter anderem über eine Quellbelüftung im hölzernen Boden unter der Bestuhlung gewährleistet. Denn sowohl die Temperatur als auch die Feuchtigkeit im Logenhaus müssen möglichst immer gleich sein, um die Farbfassungen auf den Hölzern nicht zu stressen. „Die Farbfassungen vertragen keine großen Schwankungen“, sagt Staschull. Deshalb wird es auch nicht mehr sein wie früher, dass man das Haus neben der musealen Funktion des Welterbes ganzjährig für kulturelle Veranstaltungen nutzt – sondern nur an 30 Tagen im Sommerhalbjahr, wie Rainer sagt.

LED statt Gaslicht

Zudem ist trotz der Abnahme der Holzschutzschicht durch die Restauratoren ein Rest der giftigen Substanz vorhanden, die tief ins Holz eingedrungen ist. „Deshalb muss der Luftaustausch im Haus gewährleistet sein“, sagt Gruhn. Doch nicht nur die Besucher sorgen für Temperaturschwankungen, auch die Technik würde das tun – wenn es nicht gelungen wäre, die 1866 eingebauten Leuchter, die ursprünglich Gaslicht fabrizierten, von herkömmlicher Technik auf LED umzurüsten.

Das Interesse, sagt Thomas Rainer, am Welterbe Opernhaus ist riesengroß. „Wir sind in der glücklichen Situation, mit Anfragen überhäuft zu werden“, sagt Rainer. Alle 45 Minuten dürfen Gruppen ab dem 17. April ins Haus. Ab 2021 oder 2022, je nach Baufortschritt, wird auch das benachbarte Redoutenhaus als Welterbezentrum zur Verfügung stehen. „Dafür wird gerade die Haushaltsunterlage Bau erstellt“, sagt Rainer.

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