Craftbier: Trend Holzfass-Lagerung

Von Kerstin Fritzsche
Maisel & Friends-Braumeister Marc Goebel holt zum Testen ein bisschen Bier aus dem Fass. Sein "Chocolate Bock" hatte neun Monate in einem Grand-Manier-Fass gelagert. Foto: Kerstin Fritzsche Foto: red

Craftbier ist inzwischen schon kein Phänomen mehr, sondern ganz normaler Bestandteil eines fast jeden Gasthaus-Angebotes. Der neue Trend innerhalb dieses Marktsegments heißt: Fassreifung. Ein Starkbier, gängigerweise ein Bock, wird beispielsweise in ein Whiskey-Fass gefüllt und nach ein paar Monaten der Reifung mit neuen Geschmacksnuancen angereichert als "Barrel-aged Bock" verkauft. Auch Maisel & Friends experimentiert mit Fassreifung. Woher der Trend kommt und was ihn so unkalkulierbar macht.

 
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Bier aus dem Fass - logo, woher sonst? Kutschen transportieren heute noch Fässer zum Oktoberfest, wir reden von Fass-Anstich und wollen lieber Bier vom Fass als aus der Flasche, wenn wir in der Kneipe sind. Allerdings reden wir oft eben nur drüber. Heutzutage heißt "Fass" in den allermeisten Fällen nämlich nicht Holzfass, sondern die Metall-Variante, von der mit Druck unter Zuführung von Kohlensäure dann das Lieblings-Getränk ins Glas perlt.

 

Aus der Geschichte: Zankapfel Holzfass

Romantiker und Genussmenschen unter Brauern und Konsumierenden haben auch heute noch das Holzfass lieber - das Bier daraus wird nicht selten als etwas Besonderes verkauft, etwa versehen mit dem Zusatz "aus dem Eichenfass". Es gibt wirtschaftliche Gründe, warum das Holzfass nicht überlebt hat. Dabei wurde hart um es gekämpft, vor allem in Großbritannien, wo sich nicht zuletzt die Initiative "Campaign for Real Ale" CAMRA (Kampagne für richtiges Ale) gründete, die propagierte: Britisches Ale ist nur richtiges Ale, wenn es aus dem Holzfass kommt und nicht mit der Extra-Zugabe von Kohlensäure verfälscht wird.

 

In Belgien hat das Holzfass Tradition

In Belgien hingegen, wo Bier traditionell per Fass-Reifung und Spontan-Vergärung durch Hefen aus der Luft hergestellt wird (Lambic bzw. Lambiek), wird sich das gute, alte Holzfass wohl immer halten. Dieser entscheidende Teil der belgischen Bierkultur wird sicherlich auch bald mit einem Titel "immaterielles Weltkulturerbe" noch veredelt.

Apropos Veredelung: Der Trend zum Fass erobert gerade die Craftbier-Szene. Aber in etwas anderer Weise: Biere mit hohem Alkoholgehalt werden durch die monatelange Lagerung in einem Whiskey-, Gin- oder Rotwein-Fass veredelt. Dem ohnehin schon aroma-vielfältigen Bier werden so noch weitere Geschmäcker hinzugefügt. Gängig ist inzwischen die Lagerung eines Bockbieres in einem Whiskey-Fass, das machen viele. Aber auch mit Fässern, in denen einst Rotwein reifte, wird auch in Deutschland jetzt wild experimentiert.

 

Die Deko hat eine Funktion

Braumeister Marc Goebel von Maisel & Friends ist sehr fasziniert vom Thema Fass-Reifung. Deswegen wurde dies bei der Einrichtung der Brauerei-Gaststätte "Liebesbier" in den letzten beiden Jahren gleich mitgedacht. Was die meisten bisher für Deko hielten, ist das neue, große Experimentier-Feld der Brauwerkstatt: Im hinteren Teil vor dem Durchgang zum Keller stehen hinter Glas in einem vom Gast-Bereich abgeteilten Raum 25 Fässer. Fast alle von ihnen sind belegt.

 

Ein besonderes Bier für die Adventszeit

Ein Bayreuther Bock, veredelt in einem Jack-Daniel's-Fass, wurde als erstes fassgereiftes Bier im "Liebesbier" ausgeschenkt. "Sechs Fässer hatten wir, nach nur 14 Tagen war das Barrel Bock weg", sagt Maisel & Friends' Bier-Sommelier Michael König. Jetzt gibt es das erste "eigene" Bier: "Marc's Chocolate Bock" lagerte seit Ende Januar in Grand-Marnier-Fässern - und wird seit dem ersten Advent ausgeschenkt. "Wir wollten ein besonderes Bier für die Adventszeit", erklärt Goebel "sein" Edel-Bier. "Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie der Schoko-Geschmack vom Bier auf die Orange vom Fass trifft und dass daraus ein noch runderes Bier wird, das wie Weihnachten schmeckt", sagt der Braumeister.

In der Tat: "Marc’s Chocolate Bock barrel aged" mit 9,1 Prozent Alkohol ist ein Gaumen-Schmeichler und macht danach den Bauch warm. Als würde man in eine Grand-Marnier-Praline beißen. Und auch das Fass selbst ist noch zu schmecken, ein Hauch von Holz und Gräsern schwingt mit, außerdem Lakritze und alle Nuancen von fruchtiger, dunkler Schokolade.

 

Halb Europa nach Fässern abgesucht

Neben dem Schoko-Bock lagert gerade auch noch ein Amber Ale in einem Kirschbrand-Fass und das India Pale Ale in Gin-Fässern. Die ersten Experimente sollen aber rein dem "Liebesbier" vorbehalten sein. "Wir müssen noch Erfahrungswerte sammeln", sagt Goebel. Flaschenabfüllung später einmal ist aber nicht ausgeschlossen, das erfordert aber auch eine entsprechende Logistik und dass ein Edel-Bier immer vorrätig ist, also auch in regelmäßigen Abständen in Fässer abgefüllt wird. Mehr als zwei Mal sollte man ein Fass nicht nutzen, so Goebel. Und die Auswahl ist nicht so einfach. Für die jetzigen Fässer ist er in halb Europa herumgefahren und hat in so manches Fass reingerochen, was dann doch nicht zu seinen Vorstellungen gepasst hat. "Bestimmte Fässer sind außerdem schwer zu bekommen."

"Der Vorgang ist unberechenbar"

Auch die Reifung selbst ist bei Maisel & Friends noch ein Experiment. "Der Vorgang ist unberechenbar, man weiß einfach nicht, ob es gelingt. Und man sollte nicht ungeduldig sein und dauernd nachschauen, wie es nun ist", erklärt Gobel. "Es gibt sogar eine Phase, da denkt man, oh je, wegschütten, und dann wird es doch noch. Auch weiß man nicht, ob die gewünschten Aromen wirklich herausgelöst werden und wie. Man braucht Muße, es ist ein richtiges Handwerk."

Bei der Fass-Reifung ist am wichtigsten, dass die Lagerung möglichst nicht gestört wird. Die Maisel & Friends-Fässer lagern luftdicht bei konstant 70 Prozent Luftfeuchtigkeit und 15 Grad. Einmal am Tag wird die Luft ausgetauscht. Zu oft sollte das Fass nicht geöffnet werden, dann bestehe die Gefahr, dass eine Infektion reinkommt. Diffundiert zu viel Feuchtigkeit, ist es auch nicht gut. Es gilt, den richtigen Moment zu treffen, an dem das veredelte Bier "fertig" ist. "Zu lange lagern darf es dabei auch nicht, dann könnte es sauer werden."

 

Schon wieder die nächste Idee

"Obwohl genau so schon manches gute Bier entstanden ist - und Sauerbiere liegen auch gerade im Trend", wirft Sommelier König ein. Aber das ist eben wieder ein anderer Trend. König und Goebel schätzen an dem Thema Fassreifung, dass sie als Braumeister und Sommelier zusammenarbeiten können - ein Luxus sowohl in finanzieller, als auch in zeitlicher Hinsicht. Aber auch nach der Fass-Veredelung findet die Lust am Experiment noch kein Ende. "Da könnte ich mir auch gut vorstellen, noch einen Eisbock draus zu machen", hat König schon die nächste Idee.

 

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