Code Pink: Wo bleibt die Diskussion?

 
Unfaire Kritik? Aktivisten von Code Pink bei einer Demonstration gegen Israel. Nun will Bayreuth von einer Ehrung für die Gruppe absehen. Foto: dpa Foto: red

Oberbürgermeisterin Merk-Erbe geht auf Distanz zum designierten Wilhelmine-Preisträger "Code Pink". Nach Protesten aus Israel verweist sie auf die aus einer besonderen Geschichte  rührende Verantwortung Bayreuths. Reicht das aus? 

 
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Weiß die Stadt Bayreuth eigentlich, was sie tut?

Universität und Stadt Bayreuth küren eine politische Organisation als Empfänger eines Toleranzpreises. Und verdrängen dann offenbar eineinhalb Jahre lang, dass sie damit auch die politische Arbeit dieser Organisation auszeichnen werden. Wer Politik macht und sich einmischt, der eckt an, der streitet. Und nicht immer wird er Recht haben. Wer einer politischen Gruppierung aber einen Preis verleiht, ergreift damit Partei. Und fordert damit den Unwillen jener heraus, die auf einem anderen Standpunkt stehen.

Das gilt auch für die Bürgerrechtsgruppe Code Pink, die Israel mit deutlichen Worten kritisiert hat. Nun kommt Protest aus Israel. Und die Empörung ist so groß, dass sie im Rathaus regelrechte Panik ausgelöst hat.

Anders ist es kaum zu erklären, dass Oberbürgermeisterin Merk-Erbe die Reißleine ziehen und die Verleihung des Wilhelmine-Preises an die Bürgerrechtsbewegung Code Pink absagen will. Sie legt die Entscheidung zwar in die Hände des Stadtrates. Aber auf eine Art und Weise, die das Gremium schon vor der Beratung festlegt: auf die Absage an Code Pink. Eine Brüskierung, eine Blamage auch, vielleicht sogar ungerecht, konnte sich der Angeklagte doch noch nicht einmal wirklich äußern. Aber, so wird Merk-Erbe gedacht haben: immer noch besser als Empörung aus Israel.

Vieles ist unklar

Dabei ist noch so vieles im Unklaren. Code Pink kritisiert Israel. Damit ist die Gruppe ganz und gar nicht allein. Aber nimmt die Gruppe Israel in unfairer, unangemessener oder gar antisemitischer Weise aufs Korn?

Der stellvertretende Direktor des Wiesenthal-Centers hat ein Video vorgelegt, das zeigen soll, wie Code-Pink-Demonstrantinnen israel-feindliche Parolen brüllen. Nur bestehen Zweifel, ob diese Demonstranten tatsächlich zu Code Pink gehören. Code-Pink-Gründerin Medea Benjamin, eine Jüdin, hat bei einer Konferenz in Teheran gesprochen. Es befanden sich auch Holocaustleugner bei dieser Konferenz, dazu Verschwörungstheoretiker – doch Medea Benjamin hat immerhin nicht gegen Israel geredet, sondern über den Drohnenkrieg referiert. Überhaupt sei über den Holocaust überhaupt nicht gesprochen worden, beteuert sie.

Naive Aktivistinnen

Naivität wird man Code Pink vorwerfen müssen. Aber schon wer für Dialog mit dem Iran ist, dessen Machthaber Israels Vernichtung als Ziel ausgegeben haben, zieht sich den Ärger Israels zu. Eine Erfahrung, die auch die USA gemacht haben. So verständlich der Standpunkt Israels ist – es muss nicht voraussetzungslos der Standpunkt anderer sein. Dann dürfte kein Diplomat mit dem Iran sprechen, kein Unternehmer dort künftig Geschäfte machen.

Code Pink hat sich den Kampf gegen den Krieg auf die rosa Fahnen geschrieben – das ist auf jeden Fall ein ehrenwertes Ziel. Weil die Gruppe dabei mit unkonventionellen Mitteln vorgeht, kann ein Bekenntnis zu ihr Mut erfordern. 2014 wurde Code Pink mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Und bis zum heutigen Tag sieht das Komitee nach eigenen Angaben keinen Anlass, sich von Code Pink zu distanzieren.

Eingemischt in einen Konflikt

Es gäbe Diskussionsbedarf. Und es wäre nur gerecht, dürften sich Vertreter von Code Pink persönlich vor den Stadträten äußern. Eine offene Diskussion aber ist schon jetzt schwierig, wenn nicht unmöglich. Aus der historischen Verantwortung Bayreuths und aus Respekt vor den Opfern distanziere man sich, ließ Merk-Erbe mitteilen. Das ist so reflexhaft wie falsch: Verantwortliches Handeln erwächst nicht so sehr aus der Geschichte, sondern aus den Pflichten gegenüber der Gegenwart. Wenn es wirklich um die Leugnung des Holocausts geht: dann hätte jeder Mensch die Pflicht zur Widerrede, nicht speziell die Oberbürgermeisterin einer Stadt mit besonderer Beziehung zu Hitler.

Uni und Stadt haben sich in eine politische Auseinandersetzung eingemischt. Es wäre besser gewesen, sich nun auch der Diskussion zu stellen.

michael.weiser@nordbayerischer-kurier.de

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