Chöre lösen sich auf

Von Ulrike Sommerer
Ein kleines Häuflein ist vom Bärnreuther Chor noch übrig. Mitgliederwerbung funktioniert nicht. Wie dem Gesangverein Einigkeit in Bärnreuth bei Bad Berneck geht es vielen Chören in der Region. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Barbara Rieß ist ratlos. Alles hat sie schon versucht. Sie hat die Bärnreuther direkt angesprochen. Sie hat Flugblätter verteilt. Jetzt gab es einen offiziellen Aufruf. Doch nichts funktionierte. 15 aktive Sänger hat der Gesangverein Bärnreuth noch. Zu wenig für vierstimmigen Gesang. Einen Bass gibt es nicht mehr. Die Sänger denken ans Aufhören. Für Barbara Rieß ist Aufgeben allerdings keine Option. Noch nicht.

 
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Sängerkrise in der Region? Wie dem Bärnreuther Chor geht es vielen Chören in der Region. In Warmensteinach ist es bereits passiert: Der Volkschor pausiert. "Aber ich bin guter Hoffnung, dass sich der Chor noch verjüngt", sagt Annelies Herrmann. Sie ist Vorsitzende des nun ruhenden Chores.

Auf stumm gestellt

1890 war der Volkschor gegründet worden, das 125-jährige Bestehen war noch groß gefeiert worden. 14 aktive (und einige fördernde) Mitglieder zählte der Chor am Ende noch, alle zwischen 60 und 80 Jahre alt. Altersgründe wurden dann auch angeführt, um die Pause des Chores zu begründen. Wobei es den Chor offiziell noch gibt. Er singt nur gerade nicht.

Dabei mangelt es in Warmensteinach nicht an Sangesfreudigen. Im Gegenteil: Seit ein paar Jahren gibt es einen Gospelchor. "Und dort sind halt die Jüngeren hingegangen." Jetzt überlegt Annelies Herrmann ob es nicht sinnvoll wäre, "mit dem Gospelchor etwas zu machen" oder "auf die jüngere Art" aktiv zu werden. Drei Jahre Pause  - die Zeit will Annelies Herrmann auch nutzen, um Gespräche zu führen und einen neuen Anlauf zu unternehmen. Konkrete Pläne habe sie dafür allerdings noch nicht. "Dafür ist alles noch zu frisch."

Bärnreuth steht nicht alleine da

In Bärnreuth wird noch gesungen, allerdings nur dreistimmig. Dann eben ohne Bass. Zwischen 50 und 60 Jahre alt sind die Sänger hier. "Ein bisserl Hoffnung" habe sie, dass die Bärnreuther sich vielleicht mit den Bad Berneckern zusammentun könnten, sagt Barbara Rieß. "Die haben die gleichen Probleme." Wenn man damit zufrieden sei, größere Auftritte beispielsweise mit den Bad Berneckern zu bestreiten, dann würde man den Chor auch weiter bestehen lassen. Zumindest der Vorsitz sei ja nun gesichert. Barbara Rieß hat ihn erst von ihrem Mann übernommen. Jetzt will sie "von Jahr zu Jahr schauen", ob es sich lohnt, den kleinen Haufen Sänger zusammen zu halten.

Kein "das ist halt so" mehr

Als Barbara Rieß zum Chor kam, war das noch so. 57 Jahre ist sie alt, zum Chor kam sie als junges Mädchen. "Das war halt so." Im Dorf ging man zur Feuerwehr oder zum Chor.

Heute ist das anders. Sich wöchentlich zu treffen, glaubt Barbara Rieß, sei der Hinderungsgrund. Niemand wolle sich mehr verpflichten. Diesen Eindruck bestätigt auch Klaus Hoffmann, Vorsitzender des Sängerkreises Bayreuth im Fränkischen Sängerbund. Es sei ein generelles Problem von Vereinen, dass sich auf Dauer niemand mehr binden möchte. Diese Entwicklung sei allerdings kein neues Problem, es zeichne sich seit Jahren ab. Diesen Trend bestätigt auch, dass Projektchöre, die sich nach einem Auftritt wieder auflösen, starken Zulauf hätten. "Das ist der Zug der Zeit", sagt Hoffmann. "Klassische Gesangvereine werden auf Dauer verschwinden." Wie man diese Entwicklung umkehren könnte, dafür hat Klaus Hoffmann auch keine Lösung.

Und das ist die Lösung

Kai Konrad hat eine. Der einstige Opernsänger leitet seit vier Jahren den Gesangverein Streitau. Als man ihm die Chorleitung antrug, stand er vor dem Problem, vor dem nun die Bärnreuther stehen: Ein kleines Häuflein, kein Nachwuchs. Das Thema Gesangverein, sagt er, werde oft negativ besetzt. Es klingt nach Nebenzimmer in der Gaststätte, nach alten Leuten, nach alter Musik. Konrad betont, dass Tradition an sich ja nicht schlecht sei, es aber auch immer weitergehen müsse. Im Sängerstübchen des Dorfwirtshauses traf Konrad auch auf den Streitauer Gesangverein. "Ich habe ihnen erst einmal die Tische weggenommen", erinnert er sich, Tische, hinter denen sich die Sänger verschanzten. "Man muss bereit sein, etwas zu ändern, sonst kommen keine Jugendlichen dazu." Konrad arbeitete mit dem Chor am Erscheinungsbild. Er probte den Auf- und Abgang auf die Bühne, es gab einheitliche Kleidung ("nicht diese Schals, die alle Chöre haben"), es gibt ein Bühnenbild, es gibt, wenn es passt, Kostüme. Und es gibt andere Musik. Auch deutsches Volksgut. Aber eben nicht nur. Er fordert seine Sänger. "Ich verlange von ihnen, dass sie Zuhause üben. Wer Fußball spielt, trainiert doch auch mehrmals pro Woche." Ehrgeiz und Disziplin und der Mut, auch Neues zu wagen würden zum Erfolg führen.

Inzwischen singen im Gesangverein Streitau 40 Leute, es gibt außerdem einen Jugend- und einen Kinderchor. Der Bärnreuther Gesangverein Einigkeit wurde 1922 als reiner Männerchor gegründet, nach dem Zweiten Weltkrieg durften auch Frauen mitsingen. Derzeit sind 15 Sänger im Chor. Bärnreuth hat 228 Einwohner.

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