Bundesweit einmalig Handwerker wollen gegen Kammer klagen - Die wehrt sich

Von Norbert Klüglein
Steht auf der Kippe: Geht es nach dem Willen der Handwerkskammer für Oberfranken, wird das Berufsbildungs- und Technologiezentrum im Vorderen Floßanger spätestens 2025 geschlossen. Dagegen kämpfen die Coburger. Foto: Archiv Foto: red

COBURG/BAYREUTH. Es geht um den Erhalt des Ausbildungszentrums in Coburg. Die dortigen Handwerker verweisen auf einen Fusionsvertrag. Die HWK auf einen Beschluss der Vollversammlung.

 
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„Wir fühlen uns hingehalten“, stellen Eberhard Hauck, Obermeister der Coburger Bau-Innung, und Knut von Berg, Ehrenobermeister und Mitglied im Vorstand der Bau-Innung Coburg, fest. Nachdem sich die Verhandlungen mit der Handwerkskammer (HWK) für Oberfranken um den Fortbestand des Berufsbildungs- und Technologiezentrums am Vorderen Floßanger (BTZ) nach deren Meinung bereits seit Monaten ergebnislos hinzögen, wolle man jetzt ein neues Kapitel aufschlagen: den Rechtsweg.

Bundesweit einmaliger Fall

„Die Coburger Handwerker ziehen für die Wahrung ihrer Interessen vor Gericht“, kündigt Knut von Berg an. In den nächsten Tagen soll ein Fachanwalt am Verwaltungsgericht Bayreuth eine Klage einreichen. Sollte das passieren, dann dürfte sich daraus ein wohl bundesweit einmaliger Fall entwickeln: Handwerker klagen gegen die Handwerkskammer. Hintergrund des potenziellen Rechtsstreits ist die Tatsache, dass die Handwerkskammer für Oberfranken ihre überbetriebliche Ausbildung straffen will. Die Zahl der Lehrwerkstätten soll von derzeit 84 auf 64 sinken. Von dem Abbau wäre das BTZ Coburg besonders betroffen. Laut interner Planung soll es spätesten 2025 seinen Betrieb einstellen.  

Weitere Wege zum BTZ

Das wollen die Innungen und Ausbildungsbetriebe Coburg verhindern. „Für das örtliche Handwerk fällt der komplette Ausbildungsstandort Coburg weg, somit ist eine Ausbildung vor Ort künftig nicht mehr möglich“, argumentieren Hauck und von Berg. Auszubildende müssten dann Wege von 50 bis 100 Kilometer in Kauf nehmen und nach Bayreuth oder Bamberg fahren. „Für Lehrlinge im ersten oder zweiten Ausbildungsjahr stellt das ein Problem dar“, gibt der Chef der Bau-Innung zu bedenken. Dies könne dazu beitragen, dass Handwerksberufe für junge Menschen unattraktiv werden. Ferner befürchten die Coburger Handwerker, dass es nach der Schließung des BTZ keine Räume mehr für Versammlungen der Innungen, Weiterbildungen, Schulungen und Vorträge geben werde. Meisterlehrgänge könnten künftig ebenso wenig stattfinden, wie die jährliche Berufsmesse zur Orientierung für Schüler. „Durch den Wegfall der Elektrowerkstatt, der Schreinerei, der Schweißerei, der Bauhalle, des Malerraums und der Schulungs- und Versammlungsräume wird den Ausbildungsbetrieben jegliche Infrastruktur vor Ort genommen“, warnt Knut von Berg. Dem Coburger Handwerk drohe so eine dramatische strukturelle Veränderung. „Mit der Schließung des BTZ geht eine enorme Schwächung der dualen Ausbildung vor Ort einher.“

HWK: Klage kommt zur Unzeit

Der Hauptgeschäftsführer der HWK, Thomas Koller, und HWK-Präsident Thomas Zimmer bedauern in einer Stellungnahme beide das Vorgehen „von Teilen des Coburger Handwerks“ und weisen darauf hin, dass ein Projekt zum Erhalt der überbetrieblichen Ausbildung „auf den Weg gebracht sei“. Die Androhung von juristischen Schritten wäre daher nicht dienlich. „Leider kommt die erneute Ankündigung der Klage absolut zur Unzeit und wir verstehen diesen Schritt nicht“, klagt Zimmer. In der Vestestadt beruft man sich derweil auf den 2001 geschlossenen Fusionsvertrag zwischen der ehemals selbstständigen Kammer Coburg und der Kammer für Oberfranken mit Sitz in Bayreuth. In diesem Papier ist festgeschrieben, dass Coburg einen eigenen Verwaltungssitz behält, weiterhin über eine Einrichtung zur Betriebsberatung verfügt und der Betrieb des BTZ aufrechterhalten wird. „Nur für diese Garantien waren wir damals bereit, auf eine eigene Kammer Coburg zu verzichten“, erklärt Knut von Berg. Nun muss sich offenbar vor den Schranken der Justiz erweisen, wie gut der Vertrag war, den die Coburger bei der Fusion abgeschlossen haben.

Klage stößt auf Unverständnis

Die angedrohte Klage stößt bei den Kammervertretern in Bayreuth auf Unverständnis. Denn die HWK für Oberfranken habe mit der Kreishandwerkerschaft Coburg am 10. Juli 2019 einen Zeitraum bis Mitte Oktober vereinbart, um die von der HWK entwickelte Idee eines „Innovativen Lernorts für Aus- und Weiterbildung“ weiter zu entwickeln und um ein schlüssiges und tragfähiges Konzept dafür vorzulegen. Ferner habe bereits am 1. Juli die öffentlich tagende Vollversammlung der HWK für Oberfranken in einem Beschluss die Geschäftsführung damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Coburg ein langfristig tragfähiges und finanzierbares Konzept für den Standort Coburg zu entwickeln. „Dieser Beschluss wurde ohne Gegenstimme – also weder aus dem Coburger Handwerk noch von Kollegen aus den anderen Regionen – verabschiedet“, betont Zimmer in einer Presseerklärung. „Daher verstehe ich nicht, weshalb jetzt alte, nicht mehr richtige Argumente aus der Schublade geholt werden.“

Wie Zimmer weiter betont, habe es in den vergangenen Monaten einen regelmäßigen und intensiven Austausch seitens der Kammer-Verantwortlichen und Vertretern des Coburger Handwerks gegeben. Dabei sei seitens der Vertreter der Coburger Innungen grundsätzliche Zustimmung signalisiert und die Machbarkeit der Idee eines „Innovativen Lernortes“ bekräftigt worden. Lediglich die Bau-Innung habe sich als „Plan B“ die Option einer Klage vorbehalten, allerdings mit dem Zeithorizont ab 15. Oktober 2019. Wie der Handwerkskammer-Präsident in der Presseerklärung weiter ausführt, habe das letzte Treffen der Projektgruppe am 20. August stattgefunden. Bei diesem Treffen sei die Projektskizze „Innovativer Lernort Coburg“ vorgestellt worden, die ein bundesweites Modellprojekt zur Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung am Beispiel des Handwerks in Coburg vorsieht. „Einmütiges Urteil zu der Projektskizze: Ein gutes Konzept, das in die richtige Richtung geht“, stellt Zimmer fest.

Blockade wäre ein schwerer Schlag für oberfränkische Handwerker

Die Handwerkskammer für Oberfranken rechtfertigt ihre Pläne zur Reduzierung der Standorte mit sinkenden Lehrlingszahlen und einem sparsamen Umgang mit Beiträgen und Steuergelden. Ferner verweist man auf ein Gutachten, wonach nach dem Ausbau des Standorts Bamberg auf Coburg verzichtet werden könne. Wobei zu keiner Zeit strittig gewesen sei, dass der Verwaltungssitz der HWK in Coburg erhalten und dessen Dienstleistungsangebot mindestens in gleichem Umfang aufrechterhalten bleibe, heißt es in der Mitteilung der Kammer. Laut Zimmer habe die HWK die Projektskizze inzwischen beim Bayerischen Wirtschaftsministerium vorgelegt. Sie sei dort in einer ersten Einschätzung positiv bewertet worden.

Die Verantwortlichen der Kammer in Bayreuth hoffen nun, dass eine mögliche Klage das Projekt für Coburg nicht gefährde. „Wir gehen zwar nicht davon aus, dass diese Klage die Planungen für das BTZ Oberfranken-West in Bamberg beeinflussen könnte. Dennoch: Es wäre ein schwerer Schlag für alle oberfränkischen Handwerker, wenn die Verbesserung der Ausbildungsinfrastruktur in ganz Oberfranken für Jahre blockiert wäre“, erklärte HWK-Präsident Zimmer.