Brückenkrieg am Fichtelsee

Von Andreas Gewinner
Die Stege über den Fichtelsee bleiben verrammelt. Und werden nun womöglich abgerissen. Der Brückenkonfilkt eskaliert zum Brückenkrieg. Foto: Andreas Gewinner Foto: red

Der Brückenkonflikt am Fichtelsee droht, zum Brückenkrieg zu werden. Der Gemeinderat beschloss nun mehrheitlich, im Fall der Fälle die gesperrten Brücken zum Teil abzureißen, um sie unbrauchbar zu machen. Eine Entscheidung, die sich gegen einen örtlichen Investor richtet. Eine Geschichte, die ans Abstruse grenzt.

 
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Wie berichtet, hatte die Gemeinde vergangenen Herbst die 30 Jahre alten Holzbrücken gesperrt, weil sie schadhaft sind und erneuert werden müssen. Sie beruft sich dabei auf ein Gutachten, das Einsturzgefahr erkennt. Hauptleidtragender ist Bernd Deyerling, Betreiber des Waldhotels. Denn nicht nur Ältere scheuen nun den Umweg um den ganzen See zum Hotel mit Restaurant und Terrasse. Deyerling, im Hauptberuf Bauunternehmer und Bauingenieur, griff im Frühjahr zur Selbsthilfe. Er holte zwei Gutachten ein, eines von einem eigenen Mitarbeiter und ein weiteres von einem unabhängigen Fachmann, Helmut Raps aus Speichersdorf. Beide kamen zum gleichen Urteil: die Brücken haben eine „Resttragfähigkeit“ und können gefahrlos begangen werden, keine Einsturzgefahr. Zusätzlich verschmälerte er den Durchgang deutlich, um die mögliche Zahl der Menschen auf der Brücke zu reduzieren und zog provisorische Stützen unter die Brücke. Die Gemeinde blieb bei ihrer Entscheidung, nachdem ihr Statiker seine Einschätzung bekräftigte.

"Massive Gewalt", "Lebensgefahr"

In der jüngsten Gemeinderatssitzung - die gleiche, in der der Gemeinderat um ein Haar das am Hotel geplante Bettenhaus und die neue Wasserwachtstation gekippt hätte - imfomierte Bürgermeister Georg Ritter, dass wiederholt die hermetische Abriegelung der Brücken mit „massiver Gewalt“ geöffnet worden seien. Ritter sprach von „Lebensgefahr“ und bat um einen Beschluss des Gemeinderats, im Wiederholungsfall Teile der Brücken so weit abzubauen, dass sie unpassierbar sind. Dem folgte der Gemeinderat gegen die Stimmen der beiden 2.0-Gemeinderäte Philipp Markhof und Sigmund Glaser. Ritter stellte auch in den Raum, Anzeige bei der Polizei wegen Sachbeschädigung zustellen.

Unausgesprochen stand bei der Diskussion im Gemeinderat im Raum, dass es wohl niemand anders als Deyerling selbst sei, der die Brücken geöffnet habe. Ebenso unübersehbar war aber auch, dass die Diskussion auf Basis unvollständiger Informationen stattfand: dass dem Gemeinderat offenbar wesentliche Kenntnisse zu dem Komplex fehlen.

Gemeinderat unvollständig informiert

Ritter sprach von einer „sechs Jahre alten Statik, die für uns nicht relevant ist“. Dass es zwei aktuelle Gutachten gibt, die die Begehbarkeit der Brücken attestieren, erwähnte er nicht. Helmut Raps hat sowohl eines der aktuellen Gutachten als auch das von vor sechs Jahren erstellt. Raps zum Kurier: „2011 habe ich Schäden an der Brücke festgestellt und empfohlen, keine Fahrzeuge mehr drüberfahren zu lassen. Ich habe bestimmte Ausbesserungen empfohlen, die zum Teil gemacht, zum Teil nicht gemacht wurden.“ Von diesem Gutachten habe Ritter erst erfahren, als er, Raps, ihm davon erzählt habe, als es um die Brücke in der Heinrich-Lindner-Straße ging, bei der Raps auch für die Gemeinde tätig war.

Raps hat sechs Jahrzehnte Berufserfahrung und war 42 Jahre Gemeinderat, teils auch stellvertretender Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde. Er schildert, wie er zu seiner aktuellen Beurteilung kommt: Die Brücken haben vier Längsträger, von denen die äußeren schlecht, die inneren aber noch gut seien. Durch die Verschmälerung würden die schadhaften Träger nicht belastet. Da es nach oben gewölbte Bogenbrücken seien, könnten sie nicht einfach einbrechen. Seiner Berechnung zufolge könnte die kleine Brücke noch 180 Menschen tragen, die große 360 - und zwar ohne die von Deyerling untergezogenen Stützen. Raps bestätigte Deyerlings frühere Aussage, dass im konkreten Fall in der Verlängerung er und Deyerling in der Haftung seien. Seine Einschätzungen habe er schriftlich Deyerling, dem Landratsamt und Bürgermeister Ritter mitgeteilt. Eine Nachfrage des Kurier bei Gemeinderäten legt nahe, dass dem Gremium die Existenz von Raps’ aktuellem Gutachten, nicht aber der Inhalt bekannt ist.

Ferner stellte Ritter am Dienstag im Gemeinderat in den Raum, dass das Landratsamt Raps’ Einschätzungen nicht beipflichten wollte. Richtig ist, dass das Landratsamt sich weigert, der Gemeinde die Entscheidung abzunehmen, die Brücken wieder zu öffnen. Aber nicht weil man den Aussagen von Raps nicht folge. Sondern aus grundsätzlichen Gründen. Weil es nämlich Sache der Gemeinde ist.

Deyerling erwägt Klage

Bernd Deyerling hatte das Waldhotel aus einer Insolvenz übernommen und rundum saniert. Doch er ist mit seiner Geduld am Ende: „Ich erwäge, die Gemeinde auf Schadenersatz zu verklagen.“ Damit könnte er sogar gute Chancen haben. Denn es steht im Raum, dass die Gemeinde ihre Pflichten beim Unterhalt und der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit verletzt hat. Das Raps-Gutachten von 2011 und der Umgang der Gemeinde damit zeigt: Die Kommune wusste erstmals vor sechs Jahren, dass es Probleme mit den Brücken gibt, hat damals aber nur einen Teil der empfohlenen Reparaturen gemacht. Und Bürgermeister Ritter konnte am Rande der Gemeinderatssitzung spontan nicht sagen, ob, wie vorgeschrieben, regelmäßige Untersuchungen der Brücken von der Gemeinde gemacht wurden und ob sie im ebenfalls vorgeschriebenen „Brückenbuch“ protokolliert sind.

Als im Frühjahr im Gemeinderat die nötigen Beschlüsse für den Neubau der Brücken gefasst wurden, hieß das Ziel: Fertigstellung bis Ende August. Am vergangenen Dienstag sprach Ritter nun vom „Herbst“. Statiker Helmut Raps aus Speichersdorf tippt auf 2018.

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