Bruckners 8.: Gänsehaut im Finale

Von Michael Weiser
Foto: Andreas Harbach/Archiv Foto: red

Auftakt bei der Musica Bayreuth: Die junge Deutsch-französisch-ungarische Philharmonie spielt Bruckners gewaltige 8. Symphonie. Und lässt einen an den Allmächtigen denken.

 
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Anton Bruckner stellt einen manchmal vor Rätsel. Warum zum Beispiel machte er sich immer wieder kleiner als er war?

Etwa, als er dem österreichischen Kaiser Franz Joseph die Partitur seiner 8. Symphonie überreichte und das Geschenk mit der einigermaßen kleinmütigen Bitte verband, Ihro Hoheit möge ihn, den untertänigsten Komponisten, doch vor dem bösen Kritiker Eduard Hanslick in Schutz nehmen.

Kosaken, Blech und Majestäten

Das Finale ebenjener Symphonie überschrieb Bruckner mit Gedanken zur „Dreikaiserzusammenkunft“ im Jahre 1872. Und auch dieser Hinweis auf höchste irdische Majestäten macht etwas kleiner, als es in Wahrheit ist.

„Ritt der Kosaken; Blech: Militärmusik: Trompeten; Fanfaren, wie sich die Majestäten begegnen“ – ha, von wegen Kosaken: Dieser vierte Satz mit seinem aggressiven Ostinato und seinen Blechlawinen ist so ziemlich das Gewaltigste, was man aus der symphonischen Literatur kennt. Es ist, als wollte jemand beschreiben, wie der Allmächtige selbst mit Karacho um die Ecke biegt.

Wenn man denn nun Gelegenheit erhält, dieses gigantische Werk in der Stadtkirche zu Bayreuth zu hören, ist man gespannt. Wie klingt die überarbeitete Brucknersche Meistersymphonie - bei der Uraufführung übrigens dirigiert von Hans Richter - denn in einem sakralen Raum? Und wie nur soll Nicolaus Richter als Dirigent seiner jungen deutsch-französisch-ungarischen Orchestermannschaft dieses übergroße Werk zusammenhalten?

Es gelang gut

Die Antwort: Es gelang, und das insgesamt gesehen sogar ausnehmend gut. Das Konzert, Auftakt zur Musica Bayreuth, war herausragend. Es hätte trefflich auch als Finale einer Musikreihe getaugt. Das junge Orchester hatte Bruckners 8. geprobt, es hatte das Werk anschließend in vier anderen Städten gespielt. Es hätte sich darüber müde spielen können.

Tatsächlich hat sich das Orchester über seine kleine Tournee hinweg womöglich noch zusammengerauft. So konnte Richter seine Musiker durch alle Fährnisse der Themen und der Tempiwechsel souverän zu klanglicher Geschlossenheit lenken. So ziemlich die gewaltigste Symphonie Was in der Stadtkirche nicht einfach gewesen sein kann. Eine Kirche ist nun einmal eine Kirche und kein Konzertsaal.

Im besten Falle – den wir für die Stadtkirche annehmen dürfen – erweist sich der Sakralbau als Wundertüte. Wie gut etwas darin klingt: Kommt halt – ganz abgesehen von der Qualität des Orchesters – auf das Werk an, oder darauf, wie groß das Publikum ist. Oder darauf, wo man sitzt.

Ein bisschen Angst

Auf Höhe der Reihe 10 im Mittelschiff war es so, dass man beim Scherzo mit den markanten Eckteilen der Streicher kurz ein bisschen Angst haben konnte. Da verschwamm der Klang, was dem allzu langen Nachhall im überhohen Raum geschuldet sein dürfte. Ja, und dann klang das Orchester doch auch mal angestrengt, im dritten Satz, dem ewig langen Adagio: da musste Richter dem Schleppen schon energisch gegenarbeiten.

Wunderschön in diesem Satz: Bruckners choralartige Klangflächen, von drei Harfen (eine Ausnahme in Bruckners Werk) zauberhaft garniert: Das hörte sich in dieser Kirche großartig an. Offenbarung durch Musik Ja, und dann der vierte Satz: Wie aus Erz, überwältigend. Wer da keine Gänsehaut bekommt, ist schwerhörig. Oder in einem mäßigen Konzert. Am Sonntag war es anders. Besser.

Und man konnte über ein weiteres Rätsel staunen: Wie es sein kann, dass reine Musik doch mehr Offenbarung bedeuten kann als eine Schrift. An Schriften kann man, nach dieser Symphonie muss man glauben.

Das nächste Konzert der Musica bestreitet am Freitag, 5. Mai, (19.30 Uhr, Neues Schloss), das Goldmund-Quartett. Stadtkirche Bayreuth.