Bayreuther beim Marathon in Teheran

Beeindruckende Kulisse: Oliver Popp läuft beim Marathonlauf in Teheran am Azadi-Monument vorbei. Die applaudieren Zuschauerinnen widersetzten sich den islamischen Vorschriften für Frauen und mussten ihren Platz später räumen. Foto: red Foto: red

Oliver Popp sucht die Herausforderung. Am Polarkreis, in der Wüste und in einem unterirdischen Bergwerk ist der Extremläufer der DAV Bayreuth bereits gestartet. Nun wagte er sich erneut in eine für ihn „fremde Welt“. Popp ging beim erstmals ausgetragenen internationalen Marathon in Irans Hauptstadt Teheran an den Start – und musste einige Hindernisse überwinden.

 
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Zunächst war da ein großes Unbehagen: Schließlich reiste Popp in ein jahrzehntelang politisch vom Westen isoliertes Land. Die Bedenken wuchsen, als Popp zusammen mit anderen erstmals nach Iran reisenden Läufern am Flughafen von einem riesigen Porträt des grimmig blickenden Ayatollah Khomeini begrüßt wurde: „Willkommen in Teheran – der Hauptstadt der islamischen Republik Iran.“ Doch Popp dachte an das Motto des Marathonlaufs „Brücken bauen und Barrieren durchbrechen“ und ging „sein Abenteuer“ ohne Vorurteile an. Und bereute das nicht: „Ich habe viele fröhliche, aufgeschlossene und freundliche Menschen kennen und schätzen gelernt. Zudem habe ich mich zu keiner Zeit unsicher oder Gefahren ausgesetzt gefühlt.“

Zwei unterschiedliche Startnummern

An der Organisation des Laufs gab es da wesentlich mehr zu mäkeln. Es begann mit der Startnummernvergabe, denn diese fand zweimal statt. Einen Tag vor dem Lauf verteilte diese Madschid Kejhani, der Präsident des iranischen Leichtathletikverbandes, im noblen Hotel Olympic. Doch am Veranstaltungstag gab es nach dem Frühstück neue Nummern. Ein Sponsor hatte sich kurzfristig gefunden und wollte prominent werben. „Blöd war, dass die erste Nummer und die zweite nicht übereinstimmten“, sagt Popp. „Eine Identifikation der Läufers war so nicht mehr möglich.“ Das war wohl ein Grund dafür, dass der Bayreuther immer noch nicht weiß, auf welchen Platz er unter den 442 Teilnehmern aus 45 Nationen – 19 Deutsche waren am Start, die 28 gemeldeten US-Amerikaner erhielten keine Visa – das Rennen abschloss. Es wird aber auch daran liegen, dass die ausländischen Läufer dem Veranstalter ihre selbst gestoppten Zeiten – eine elektronische Zeitmessung gab es nicht – melden mussten und zudem der iranische Leichtathletikverband die Zeiten der einheimischen Teilnehmer noch nicht geliefert hat. Und auch ein Marathon war es nicht wirklich: Wegen einer fehlerhaften Streckenführung fehlten etwa zwei Kilometer zu den üblichen 42,195.

Schwierigkeiten mit Hitze, Smog und Verkehr

Doch das war nebensächlich für Popp. Er war schon vor dem Start beeindruckt vom riesigen Azadi-Sportkomplex mit seinem etwa 100 000 Zuschauer fassenden Stadion und den viele Journalisten, die sich entlang der 500 Meter langen Allee, die nach dem Start zu absolvieren war, eingefunden hatten.

Der Startschuss fiel, und nach wenigen Metern schnappte der Bayreuther nach Luft. „Teheran liegt auf einer Meereshöhe von durchschnittlich 1100 Metern. Das war schon ungewohnt, aber dann noch dieser Smog. Die extrem hohe Konzentration an Autoabgasen lassen einen wie unter einer Saugglocke laufen.“ Nach etwa 700 Metern führte die Strecke auf die dreispurige Stadtautobahn von Teheran. Auf der Seite jenseits der Mittelleitplanke staute sich der morgendliche Berufsverkehr, die Abgaswolken der Autos machten das Laufen unerträglich. Etwa vier Kilometer später folgte die erste Verpflegungsstelle. „Das Wasser war dringend nötig, die Temperaturen stiegen auf der nahezu schattenfreien Strecke immer weiter“, erinnert sich Popp. Weiter ging es durch Straßentunnel auf und ab – insgesamt mussten etwa 200 Höhenmeter bewältigt werden. Nach der Wendemarke beim 45 Meter hohen Azadi-Monument, das an die 2500-Jahrfeier des persischen Kaiserreichs erinnert, wartete die nächste Überraschung. „Die Veranstalter hatten es offensichtlich versäumt, allen Polizisten Anweisung zu erteilen, die Strecke für den Wettkampf zu sperren“, sagt Popp. Die Läufer mussten sich teilweise ihren Weg durch den fließenden Verkehr auf dem dreispurigen Highway bahnen. „Ein gefährliches Unterfangen“, betont Popp. Der Bayreuther meisterte es und erreichte nach 3:03:54 Stunden das Ziel. Sofort stürzten sich Journalisten, Kameraleute und Fernsehteams auf ihn – als Europäer war er ein begehrtes Fotomotiv und umkämpfter Interviewpartner.

Etwas ruhiger ging es für Popp bei seiner anschließenden Rundereise zu, die ihn nach Shiraz, Persepolis, Isfahan, Kashan und zurück nach Teheran mit Bergtouren im Elburs-Gebirge führte. Obwohl: Im Nachtzug von Teheran nach Shiraz wurde Popp aufgefordert, mit anderen Zuggästen zu feiern und zu tanzen. Nicht nur deswegen fällt sein Fazit positiv aus: „Organisatorisch hat der Lauf einiges an Luft nach oben, aber den Ausflug in dieses wunderschöne und faszinierende Land habe ich nicht bereut.“

Getrennter Lauf für Frauen

Die Frauen im von Männern dominierten Iran verbanden mit dem Lauf in Teheran die Hoffnung, erstmals an einem Marathon teilzunehmen. Doch kurzfristig entschied Madschid Kejhani, Präsident des iranischen Leichtathletikverbands: „Die Frauen laufen getrennt.“ Zudem nur zehn Kilometer und nur, wenn sie gemäß der islamischen Kleiderordnung Kopftuch, langes Trikot und Trainingshose tragen. Großen Einfluss auf diese Entscheidung hat wohl der erzkonservative Klerus des Landes, das auf die Einhaltung der islamischen Vorschriften für Frauen pochte. Frauen im Iran dürfen zu international wichtigen Sportwettbewerben nicht in die Stadien oder Sporthallen. Zudem können wegen der islamischen Kleiderordnung de facto keine seriösen Wettbewerbe mit weiblicher Beteiligung stattfinden, außer in Disziplinen wie Schach oder Schießen.

Beim Marathon waren die Frauen jedoch erfinderisch. „Initiiert von einheimischen Läuferinnen absolvierten die Frauen einen inoffiziellen 32-KilometerLauf in einem durch einen hohen Zaun von der Außenwelt abgetrennten Park“, sagt der Bayreuther Oliver Popp. Anschließend – und nach den Männern – ging es dann zum offiziellen 10-km-Lauf. „Die Sittenwächter hatten stets ein wachsames Auge auf die Läuferinnen“, sagt Popp. Zudem erfuhr er, dass einige Zuschauerinnen, die beim Männerrennen am Straßenrand standen und die Läufer anfeuerten, später ihren Platz räumen mussten.

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