Bayreuth Mozartmäßig und beethovenhaft

Von Frank Piontek
Dramatisch schattiert: Die Sopranistin Hrachuhi Bassénz bestritt den Mittelteil bei Marcus Boschs Bayreuth-Debüt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Es war Marcus Boschs Debüt in Bayreuth -  und was für eins: Die Nürnberger Staatsphilharmonie spielte unter seiner Leitung  im Zentrum Beethoven, Beethoven und nochmals Beethoven. Und erbrachte den Nachweis, dass rein nicht immer sauber heißt.

 
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Ein reines Beethoven-Programm ist, obwohl Beethoven zu den bekanntesten Klassikern zählt, etwas Seltenes. Wenn die Staatsphilharmonie Nürnberg unter ihrem Generalmusikdirektor Marcus Bosch bei den Kulturfreunden im glücklich ausverkauften Zentrum mit einem Programm gastiert, das ausschließlich bedeutende Jugendstücke des Meisters präsentiert, ist die Dramaturgie so einfach wie einleuchtend. Denn die zwei aufeinander komponierten ersten Sinfonien und jene bedeutende „Szene und Arie“ „Ah! Perfido“, die im Jahr der Skizzierung des späteren Schlusssatzes der 1. Sinfonie geschrieben wurde, bilden so etwas wie eine Einheit.

Zugleich licht und rau

Bemerkenswert ist schon der Klang, mit dem die Philharmonie sich zumal den Sinfonien widmet, die ihre Herkunft aus der unmittelbaren nachrevolutionären Epoche nicht verleugnen können. Im Europasaal ist eine große sinfonische Besetzung kaum möglich, daher macht Bosch aus der Not eine Tugend. Man musiziert hier mit einem typischen Ensemble der Beethoven-Zeit, benutzt auch Instrumente, die seinerzeit üblich waren: Naturhörner, sogar Naturtrompeten. Sie geben der Interpretation eine Farbe, die reinweg berauschend ist. Ein Klang, der zugleich licht ist und rau. Er ist im eigentlichen Sinn „natürlich“, denn die Klangqualität der Bläser passt in manche Passage so hinein, als könnte es nicht anders klingen. Adorno hat das Larghetto der 2. Sinfonie mit einer von Jean Paul beschriebenen Kutschfahrt im Mondschein beschrieben – bei Bosch und der Staatsphilharmonie wiegt sich der Hörer in einen Rhythmus ein, der von den Naturlauten des Horns imaginär beleuchtet wird. Warum sollte sich ein Horn nicht nächtens romantisch aussingen? Dass gelegentlich ein Ton daneben geht, liegt auch in der Natur der Instrumente.

Dunkle Sehnsucht, verzweifelter Hass

Reiner Klang aber entsteht nicht allein durch saubere Töne. Die wohltuende Durchsichtigkeit wird durch die spitzen Forte-Akzente verbürgt, mit denen die Bläser und die trockene Pauke ins Orchestergeflecht hineinfahren. Klingt das Andante der 1. Sinfonie mozartisch subtil, so wirbeln die ersten und letzten Sätze der beiden Sinfonien typisch beethovenhaft in den Saal. Das Ohr hat währenddessen damit zu tun, die Melodien, die in dieser genauen Deutung voller dynamischer und ausdrucksmäßiger Abstufungen gleichberechtigt sind, auseinanderzuhalten; auch der Kontrabass spielt hier keine Nebenrolle. Eine Hauptrolle spielt gewiss die Sopranistin, die „Ah! perfido“ auszuführen hat. Das Damenopfer, dieses alte Spiel „Frau hasst Mann, den Frau liebt“, liegt bei Hrachuhi Bassénz, einer der ersten Solistinnen der Nürnberger Oper, in der schönsten, dramatisch schattierten Kehle. Dunkel ist die Sehnsucht, ist der verzweifelte Hass.

Starker Beifall für einen außergewöhnlichen und reinen Abend mit betont „schrägen“, aber auf seltsame Weise richtigen Naturtönen.

INFO: Das nächste Konzert der Kulturfreunde ist am Freitag, 24. März. Im Zentrum spielt das Kammerorchester des Nationaltheaters Prag unter der Leitung von Petr Vronský und mit Anastasia Kobekina, Violoncello, als Solistein Tschaikowskis Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester sowie Mozarts Symphonie Nr. 28 C-Dur und Beethovens Symphonie Nr. 7.

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