Bayerns Grüne wollen an die Macht

Von Peter Rauscher
Sehen sich im Aufwind: Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann und Katharina Schulze in Bayreuth. Foto: Peter Rauscher Foto: red

Die lange Berliner Sondierungsnacht mit einer Einigung von Union und SPD hat die Stimmung der Landtagsgrünen bei ihrer Klausurtagung in Bayreuth nicht getrübt – im Gegenteil. Die Macht im Bund scheint zwar für Jahre außer Reichweite, aber die Grünen haben jetzt in Bayern Großes vor.

 
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„Das Ergebnis in Berlin zeigt, dass ohne die Grünen an der Regierung die Zukunftsthemen nicht angepackt werden“, sagte Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann zum Abschluss vor der Presse. Wer wollte, konnte darin eine Anspielung auf Koalitionsdiskussionen nach der bayerischen Landtagswahl im Oktober sehen.

Im Umfragehoch

Die Grünen sonnen sich zurzeit im Umfragehoch, die 14 Prozent, die der Bayerische Rundfunk gerade vermeldet hatte, sind ein Rekordwert. „Wir freuen uns darüber und sehen die Arbeit der Grünen-Landtagsfraktion bestätigt“, sagte Hartmann. Seine Co-Vorsitzende Katharina Schulze sieht die Grünen im „Aufwind“. Aus der Umfrage, in der die CSU auf nur 40 Prozent kommt, schließt sie: „Die Zeit der absoluten Mehrheit für die CSU sind vorbei.“

Zweitstärkste Kraft

Sehr selbstbewusst hat sie das Wahlziel ausgegeben, die Grünen müssten zweitstärkste Kraft in Bayern werden, an der SPD vorbei, die laut Umfrage nur noch zwei Punkte Vorsprung hat. Auf die Frage, mit wem eine CSU ohne absolute Mehrheit wohl koalieren werde, sagte Hartmann, die Grünen würden sicher nicht der leichteste Koalitionspartner sein. Aber man wolle in die Regierung, um inhaltlich was zu verändern. „Am Wahlabend muss man sehen, was geht“, sagte Schulze. Und immerhin schnitt in besagter Umfrage von allen Konstellationen ein schwarz-grünes Bündnis in Bayern am besten ab.

Rekord bei Mitgliedern

Wenn man die richtigen Themen besetze, sei auch die Machtperspektive da, glaubt Hartmann. Dass die bayerischen Grünen, die mit mehr als 9000 Mitgliedern auch hier einen Rekord zu vermelden haben, auf die richtigen und die Konkurrenz auf die falschen Themen setzt, sehen die Fraktionsvorsitzenden durch die Sondierungsergebnisse von Union und SPD in Berlin bestätigt. Als Beispiel nannte Hartmann die Aufgabe des Klimaziels für 2020 durch SPD und Union, das Festhalten am Verbrennungsmotor und die Einigung auf Hindernisse beim Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge.

Zeit läuft davon

„Beim Klimaschutz läuft uns die Zeit davon“, warnte Hartmann. Selbst Umweltministerin Ulrike Scharf rechne in diesem Jahrhundert mit 4,5 Grad Erwärmung, „das betrifft bereits unsere Kinder“. In der künftigen Bundesregierung säßen „Geisterfahrer der Verkehrspolitik“. Die strikte Begrenzung beim Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge würde die Integration blockieren, dabei brauche die Wirtschaft dringend Fachkräfte.

Schwerpunkt Digitalisierung

„Andere verwalten den Status quo, wir haben uns in Bayreuth den Zukunftsthemen gewidmet,“ sagte Schulze. Sie meint damit das von den Grünen angestoßene Volksbegehren gegen „Flächenfraß“, das vor kurzem locker die erste Hürde genommen hat, und das Klausur-Schwerpunktthema Digitalisierung. „Da steckt viel grün drin“, sagte Schulze und nannte als Beispiel die Forderung nach schnellem Internet überall auf dem Land, nach intelligenten Stromnetzen, nach digitaler Selbstbestimmung und einem neuen Verhältnis zwischen Bürger und Staat, das in einem Transparenzgesetz zu regeln sei. In einem Klausurpapier fordern die Landtags-Grünen Breitbandanschlüsse und Systembetreuer für jede Schule, „damit das nicht Physik- oder Mathelehrer nebenbei machen müssen“, sowie ein Ende des Handyverbots an Schulen. In einem neuen Fach Digitalkunde müsse Medienkompetenz an Schulen gelehrt werden. Auch ein Maßnahmebündel gegen Hasspostings im Internet beschossen die Grünen.

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