RTLzwei führt vor allem ganz praktische Gründe an, warum das Virus auch in "Berlin - Tag & Nacht" oder "Köln 50667", Sendungen, die sich als "Reality-Soaps" verstehen, keine Rolle spielen wird: Bei Produktionsvorläufen von bis zu acht Wochen sei das schlicht nicht möglich. Vom Tisch sei das Thema damit aber nicht, betont ein Sprecher. "So unterstützen wir mit "Köln 50667" beispielsweise das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bei der Aufklärung zur Corona-Pandemie. Abseits des Serieninhaltes, aber sehr wohl auf allen relevanten Plattformen und mit großem Erfolg."
Bavaria Fiction, die "Die Rosenheim-Cops" und "Sturm der Liebe" produzieren, teilen mit: "Eine Pandemie passt inhaltlich nicht zur Ausrichtung der beiden Serien." Darum finde Corona dort nicht statt. ""Sturm der Liebe" ist ein modern erzähltes Märchen; "Die Rosenheim-Cops" legen mit Witz und Charme vor der malerischen Kulisse des Alpenvorlandes den Bösewichtern das Handwerk." In beiden Serien sollen "die Zuschauer bewusst vom Alltag abschalten und in eine fiktionale Welt eintauchen, die Sorgen und Nöte der realen Welt bleiben außen vor".
"Das zentrale Konsumentenbedürfnis, das viele Fiction-Serien adressieren, ist das des Eskapismus: Die Zuschauen wollen flüchten aus ihrer realen Welt mit allen nervigen Details und Beschränkungen", sagt Thorsten Hennig-Thurau, Professor für Marketing und Medien an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
Insofern hätten die Serienmacher mit ihrem Vorgehen wahrscheinlich Recht, so der Forscher. Ganz risikofrei sei das aber nicht. "Wir merken, dass soziale Distanz und Masken zunehmend zu einem Teil unseres Alltags werden, so dass fiktionale Angebote aufpassen müssen, dass sie nicht von den Zuschauern als unrealistisch gesehen werden."
Bei den Serien "Um Himmels Willen", "Der Bergdoktor" und "Die Bergretter", die alle von der Firma ndf produziert werden, waren die Drehbücher schlicht schon fertig und damit war kein Platz mehr für Corona, wie Geschäftsführer Matthias Walther sagt. Ob die Geschichten auch künftig coronafrei bleiben sollen, lässt er offen. "Vielleicht wird das Ganze eines Tages ein Thema, das hängt sicher von der weiteren Entwicklung dieser Pandemie ab."
Die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan K. Bleicher sieht eine fehlende Flexibilität, die strukturbedingt ist: "Serien schaffen ja geschlossene fiktionale Erzählwelten, in denen Bezüge zu aktuellen Ereignissen wenig Platz haben. Auch die langfristige Produktion erschwert es, kurzfristig auf Phänomene wie Corona reagieren zu können", sagt sie. "Die einzige deutsche Langzeitserie, die regelmäßig auf gesellschaftliche Entwicklungen reagierte, war die "Lindenstraße"."
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