Der Ansatz der neuen Kuratoren ist in Zeiten, in denen bewährte Strategien keine Antwort mehr auf die zahlreichen Sozialen- wie Umweltprobleme geben, gesellschaftsverändernd: Sie wollen einen neuen Blick auf die Welt bieten und ein gemeinschaftlich ausgerichtetes Modell der Ressourcennutzung - ökonomisch aber auch bei Ideen und Wissen - entwickeln. Man wolle mit der documenta 15 das Augenmerk auf die heutigen Verletzungen richten: "Insbesondere solche, die ihren Ausgang im Kolonialismus, im Kapitalismus oder in patriarchalischen Strukturen haben." Dem wolle man partnerschaftliche Modelle gegenüberstellen. Auch bei ihrer eigenen Arbeit geht es ihnen mehr um Verbindung statt Selbstverwirklichung: "Die zentrale Frage für uns ist, was braucht die Gemeinschaft, was braucht Kassel", sagte Rakun.
Angesichts der erstarkten rechten Kräfte im Land habe die documenta eine besondere Bedeutung, sagte Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn. Die Kunstschau war 1955 entstanden, um Kunst zu zeigen, die von Nationalsozialisten als "entartet" zensiert wurde. Sie rüttle immer wieder die Gedankenwelt und das bisher Erlebte durch: "Die documenta muss provozieren, sie muss auch immer wieder anstößig sein." Künstler seien die Seismographen der gesellschaftlichen Entwicklung.
Das überzeugte die Findungskommission nach langem Auswahlprozess auch für ruangrupa. "In einer Zeit, in der innovative Kraft insbesondere von unabhängigen, gemeinschaftlich agierenden Organisationen ausgeht, erscheint es folgerichtig, diesem kollektiven Ansatz mit der documenta eine Plattform zu bieten", heißt es in der Begründung. Es sei eine Öffnung von beiden Seiten, sagte Kommissionsmitglied und Rektor der Städelschule, Philippe Pirotte. Auch der documenta in ihrer deutschen Verwaltungswelt.
Denn auch in der Kunst wollten viele den Weg weg von einer hierarchischen Kunstwelt gehen und eher horizontale Verknüpfungen organisieren. Statt solche Gruppen als Teil einer Schau eines "Heldenkurators" zu präsentieren, habe man sich nun für den "real deal" entschieden. Diese Energie sei bei der Auswahl spürbar gewesen: "Sie haben das so wunderschön und einladend präsentiert, das wir uns gleich mit eingeschlossen, als Teil des Kollektivs gefühlt haben", sagte Pirotte.