Augen auf beim Gebrauchtwagenkauf Der sichere Weg zum neuen Gebrauchten

Gebrauchtwagenkauf: Egal ob das beim Händler erfolgt oder von Privat, es ist und bleibt eine Gleichung, bei der für den Käufer viele Unbekannte bleiben. Horrorgeschichten von manipulierten Tachos und aufgehübschten Blendern haben die meisten auch schon gehört. Wir zeigen deshalb, wie man es richtig angeht und seine persönlichen Gebrauchtwagen-Risiken so klein wie möglich hält.

 
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Warum ein Gebrauchter?

Natürlich stellt sich dabei zunächst eine grundsätzliche Frage: Warum sollte man sich einen Gebrauchtwagen kaufen? Denn ganz gleich, wo man ihn erwirbt, er hat eben immer eine unbekannte Historie. Niemand kann genau sagen, wie die Vorbesitzer ihn gefahren haben. Bekam er vielleicht regelmäßig in kaltem Zustand die Sporen, was den Motor-Verschleiß enorm erhöht? Bretterte der Vorbesitzer, ohne die Bremse auch nur anzutippen, über Bahnschwellen und Bordsteine, was das Fahrwerk in Mitleidenschaft zieht?

Ja, das sind natürlich Tatsachen. Aber der Artikel wird auch zeigen, wie man solche Klippen umschiffen kann und so eine verhältnismäßig hohe Sicherheit bekommt. Was aber tatsächlich für einen Gebrauchten spricht, ist der Preis. Laien machen sich keine Vorstellungen davon, welch extremen Wertverlust Neuwagen in den ersten Jahren mitmachen. Mal als Beispiel: Die bekannte Schwacke-Liste lobt derzeit eine Reihe von Fahrzeugen , weil sie nach vier Jahren noch um die 60% ihres Restwerts haben. Wer sich heute für 30.000 Euro einen Neuen kauft, besitzt Ende 2022, egal wie pfleglich er ihn behandelte, ein Fahrzeug, das nur noch 18.000 wert ist – im besten Fall wohlgemerkt. Man stelle sich mal vor, der mit 92 Millionen taxierte Hochbrücken-Neubau bliebe in diesem Kostenrahmen und wäre vier Jahre nach Fertigstellung nur noch 55 Millionen wert…

Und gerade im Anbetracht dessen, dass heutige Autos, selbst wenn sie bereits 100.000 Kilometer auf dem Tacho haben, damit keinerlei Probleme haben, spricht sehr vieles für einen Gebrauchten. Letzten Endes bleibt beim Neuwagen nur der „Neu-Status“ und die Tatsache, dass man ihn nach eigenem Gusto zusammenstellen kann. Bloß: Wo sich heute die allermeisten beim Lack sowieso zwischen schwarz, silbergrau und weiß entscheiden und selbst Basisfahrzeuge schon ziemlich gut ausgestattet sind, schwächt sich dieses Argument erheblich ab. Und davon, dass man gerade jetzt kaum sagen kann, ob Hersteller weiterhin mogeln, braucht man erst gar nicht anzufangen.

Vom Händler oder Privat?

Es ist die große Gretchenfrage: Soll man den Gebrauchten bei einem Händler erwerben oder aus der Kleinanzeige von Privat? Die Antwort darauf kann in beide Richtungen ausschlagen, je nachdem, was man präferiert:

  • Händler wollen Gewinn machen. Das bedeutet, man wird nicht nur den reinen Auto-Wert zahlen, sondern noch einen Gewinnspannen-Bonus, denn schließlich möchte der Händler verständlicherweise, dass zwischen der An- und Verkaufssumme eine möglichst große Diskrepanz besteht. Ein Vorteil allerdings ist es, dass Händler Bewertungsprofis sind. Wenn dieser Verkäufer einen Preis X aufruft, kann man davon ausgehen, dass er nahe am tatsächlichen Listenwert ist. Und: Der Händler muss eine Gewährleistung einräumen.
  • Privatleute wollen zwar auch Gewinn machen. Aber sie sind selten Wertermittlungsprofis. Das kann Wohl und Wehe zugleich sein. Wehe deshalb, weil viele Privatiers aus Unkenntnis für ihren Wagen Preise verlangen, die dieser einfach nicht mehr wert ist. Wohl aber, weil sie oftmals unbewusst auch zu wenig ansetzen. Zudem lässt sich hier viel eher handeln – allerdings zu dem Preis, dass Privatverkäufer sich vertraglich von der Gewährleistungspflicht freimachen können.

Ergo: Beim Händler zahlt man mehr, hat aber auch mehr Sicherheit, beim Privatverkauf gibt es diese nicht, dafür kann man aber Schnäppchen machen. Allerdings lauert beim Händlerkauf auch eine Tatsache:

Das Problem daran ist, dass es unter den Händlern (und manchen Privatleuten) auch schwarze Schafe gibt. Vor allem, weil hier das größere Fachwissen vorhanden ist, sowohl auf technischer wie rechtlicher und psychologischer Seite. Zu den beliebtesten Tricks zählen:

  • Die Tachomanipulation. Früher durch mechanisches Zurückdrehen des Kilometerzählers per Bohrmaschine an der Tachowelle, heute durch Umprogrammieren oder gleich Austausch der Tacho-Einheit.
  • Der „Verkauf im Kundenauftrag“. Damit unterlaufen Händler die Gewährleistungspflicht, indem sie angeben, nur als Vermittler für einen eigentlichen Privatverkauf zu fungieren. In die gleiche Kerbe schlägt ein Verkauf als Bastlerfahrzeug.
  • Das Aufhübschen von Autos. Schon mit wenigen Stunden Profiarbeit kann man einen „gebraucht aussehenden Gebrauchten“ in ein funkelndes Schmuckstück verwandeln, ohne auch nur ein Jota am technischen Zustand zu ändern.
  • Unfallschäden werden durch Spachtelmasse und Unterbodenschutz verdeckt.
  • Der Verkäufer treibt zur Eile an. Gerne mit dem Hinweis, dass es noch viele weitere Interessenten gäbe und der Wagen eigentlich schon so gut wie verkauft sei.
  • Er redet ohne Unterlass. Sowohl während man sich das Fahrzeug ansieht, wie während der Probefahrt. Das kann ein Versuch sein, den Käufer schlicht und ergreifend abzulenken und sogar etwaige Geräusche des Fahrzeugs zu überdecken.
  • Es werden ausweichende Antworten auf Fragen gegeben. Da wird dann eine hakelige Schaltung damit abgetan, dass das „bei der Baureihe immer so“ sei oder ähnliches. Enorm beliebter Trick, der auf technische Unwissenheit des Käufers setzt.
  • In der Anzeige wird mit Superlativen wie „Absolute Vollausstattung“ geworben – die gibt es bei praktisch keinem Auto und kann schon dadurch entkräftet werden, dass im Cockpit dort, wo bei Vollausstattung Schalter wären, nur Blenden montiert sind.

Tatsache ist zwar, dass es diese Tricks gibt. Aktuell gehen TÜV, ADAC und Co. davon aus, dass beispielsweise bei jedem dritten Gebrauchten der Tachostand nicht korrekt ist. Aber: Es gibt auch eine Reihe von wichtigen Urteilen , welche typisch-tricksende Händler-Klauseln unwirksam machen können. Der BGH urteilte beispielsweise, dass eine vom Händler reduzierte Gewährleistungsfrist auf ein Jahr grundsätzlich unzulässig ist. Zwei Jahre ohne Wenn und Aber. Das gleiche Gericht befand auch, dass bei schweren Schäden der Verkauf rückabgewickelt werden muss. Diese Urteile sollte man kennen. Aber das Rechtliche ist nur eine Seite der Wissens-Münze:

Wissen ist Macht

Es gibt zwei Sorten von Gebrauchtwagenkäufern: Die erste legt ein Budget fest, vielleicht noch eine Fahrzeugklasse und geht dann auf eine ergebnisoffene Suche. Die zweite hingegen hat schon ein genaues Modell im Kopf, das gesucht wird. Dabei gilt unterschiedslos eine Regel: Sich niemals auf ein spezielles, einzelnes Fahrzeug festlegen.

Und egal zu welcher Sorte man selbst gehört, man sollte, sobald man den Kreis auf wenige Fahrzeuge eingeengt hat, vor allem eines tun: Sich Wissen über diese Autos verschaffen – und das beginnt schon mit der genauen Modellbezeichnung. Ein 3er BWM hat beispielsweise je nach Generation einen werksinternen Code und bei fast allen anderen Herstellern sieht es ähnlich aus. Diesen Code muss man kennen, damit man die generellen Schwachstellen der Fahrzeuge herausfindet – sie finden sich übrigens schon in den jeweiligen Wikipedia-Artikeln zum Modell oder der Baureihe. Wer dann beispielsweise mal googelt „Mercedes W168 (die erste A-Klasse) Schwachstellen“ wird über eine ganze Menge Onlineforen stolpern. Dorthin sollte man gehen. Denn darin tauschen sich Besitzer und Fachleute ohne finanzielle Hintergedanken aus. Liest man sich mehrere unterschiedliche Foren durch, bekommt man ein genaues Wissen über das, worauf man bei den Modellen, die man sich wirklich ansehen wird, achten muss. Natürlich sollte es heute auch obligatorisch sein, auf der Seite des Kraftfahrt-Bundesamtes zu prüfen, ob das Auto von einem Abgasskandal-induzierten oder sonstigen Rückruf betroffen ist und sich die Listenwerte der Fahrzeuge zu Gemüte zu führen.

Es ist eine ganz einfache Rechnung: Je mehr man selbst über das Auto weiß, desto weniger Chancen haben Verkäufer, einen übers Ohr zu hauen – die setzen nämlich nur darauf, dass typische Normalverbraucher-Käufer keine übers Führerscheinwissen hinausgehende Ahnung haben.

Sehr gewissenhaft sein – oder einen Profi dabeihaben

Der große Tag ist da, man fährt sich bei einen Wagen anschauen. Jetzt heißt es „Augen und Ohren weit auf“. Denn dieser Termin kann extrem viel offenbaren, was die Kaufentscheidung beeinflusst. Oberste Priorität sollte der Zeitraum haben. Ein Auto schaut man sich tagsüber bei hellem Licht an. Man macht es nicht nach Feierabend, wenn man einen hektischen Tag hatte und viel eher dazu geneigt ist, die Sache einfach nur hinter sich zu bringen. Man bringt mindestens zwei Stunden Zeit mit, gerne auch mehr. Ein freier Sams- oder Sonntag ist perfekt. Und wenn das nicht geht, sollte man einen Tag Urlaub machen.

Auch zieht man zum Kauf keine guten Sachen an, sondern solche, in denen man sich auf den Boden legen kann. Wichtig auch: Man nimmt nicht den Partner oder gar die Kids mit, sondern, wenn überhaupt, nur Leute, die einem fachkundig helfen können. Mit Kindern, die schon deshalb jubeln, weil das Auto eine schöne Farbe hat, ist man viel eher dazu geneigt, Fehler zu übersehen. Und zusätzlich gilt:

  • Es empfiehlt sich in absolut jedem Fall, eine ausgedruckte Checkliste dabeizuhaben , die nicht nur die Technik abdeckt, sondern vor allem auch die Verkäufertricks. Und diese Liste sollte man konsequent abarbeiten, egal ob es die Sache verlängert oder der Verkäufer genervt danebensteht. Es geht hier um vier- oder gar fünfstellige Summen. Da darf man sich nicht zur Eile antreiben (lassen).
  • Wer in seinem Umfeld, und sei es nur die Freundesliste auf Facebook, einen Kfz-Mechaniker, Autoverkäufer, Unfallinstandsetzer oder gar Sachverständigen hat, sollte diesen zuvor kontaktieren und mitnehmen. Einen besseren, kostenlosen und vor allem ohne eigene Interessen agierenden Helfer kann man nicht an Bord haben. Selbst wenn man eigentlich „Auto-Ahnung“ hat, sollte man auf solche Hilfe nicht verzichten – denn im Zweifelsfall gilt auch immer noch „zwei Paar Augen sehen mehr, zwei Paar Ohren hören mehr“.
  • Besonders bei hochpreisigen Fahrzeugen und falls man keinen sachkundigen Bekannten hat, sollte man überlegen, ob man die anstehende Probefahrt nicht nutzt, um das Auto zu einem Prüfstützpunkt von TÜV, Dekra, ADAC und Co. zu fahren. Viele Organisationen bieten einen Gebrauchtwagencheck an. Der kostet zwar einen gewissen zweistelligen Betrag. Allerdings wird der Wagen dabei wirklich gründlich auf den Kopf gestellt.

Finger weg!

Im Amerikanischen gibt es einen schönen Begriff: „Red Flag“. Wenn einem etwas Spanisch vorkommt, ist das eine warnende rote Flagge. Und wenn man bei der Besichtigung des Gebrauchtwagens etwas aus der folgenden Liste bemerkt, sollte die Red Flag definitiv hochgehen:

  • Der Verkäufer bringt selbst einen angeblichen Experten (etwa einen Sachverständigen) mit oder aber möchte nicht, dass man das Auto zu einem Gebrauchtwagencheck fährt. Dieses Auto keinesfalls kaufen.
  • Das als „lückenlos“ beworbene Scheckheft ist nicht wirklich lückenlos. In dem Fall besteht sogar der Vorwurf einer arglistigen Täuschung .
  • Das angeblich unfallfreie Auto fällt durch den Magnetkartentest . In dem Fall gibt es zwischen Blech und Lack eine Schicht Spachtelmasse. Und die kann nur aus einer Unfallreparatur stammen. Allerdings: Gilt natürlich nur dort, wo die Bauteile aus Metall sind und wird bei sehr neuen Autos kritisch, weil da Motorhauben, Kotflügel usw. gerne aus Kunststoff hergestellt werden.
  • Der Motor ist bereits warm, wenn man zur Besichtigung eintrifft. Könnte ein Versuch sein, Kaltstartschwierigkeiten oder Ölundichtigkeiten im Motor selbst (blauer Rauch aus dem Auspuff in der Warmlaufphase, bis sich durch die Betriebswärme die Kolbenringe ausgedehnt haben) zu verschleiern
  • Der Unterboden sowie der Motorraum ist deutlich sichtbar erst kürzlich mit dem Hochdruckreiniger bearbeitet worden, ist also blitzblank. Gehört zwar zur Aufbereitung, wird aber auch oftmals verwendet, um verräterische Undichtigkeiten zu kaschieren. Kann man dadurch aushebeln, dass man sich nach der Probefahrt nochmals unters Auto legt und prüft, ob plötzlich Öl dort ist, wo vorher keins war.
  • Die Inspektionsaufkleber im Motorraum (Öl, Zahnriemen, Bremsflüssigkeit, Frostschutz…) passen vom Datum und Kilometerstand nicht zu der behaupteten Historie. In dem Fall: Sofortiger Abbruch, das ist ein Blender. Sehr kritisch ist es auch, wenn diese Aufkleber gänzlich fehlen.
  • Der Innenraum riecht irgendwie muffig. In dem Fall dringt oder drang dort Wasser ein. In harmlosen Fällen können das spröde Fensterdichtungen sein. Ebenso gut kann auch der Heizungs-Wärmetauscher undicht sein und somit Kühlwasser in den Innenraum verlieren. In seltenen Fällen kam es sogar schon vor, dass es (getrocknete) Hochwasser-Autos waren.
  • Der Blick auf die Innenseite des Öl-Einfülldeckels und des dahinterliegenden Nockenwellendeckels zeigt eine schleimig-weiße Schmiere. Hier wurde entweder sehr viel Kurzstrecke gefahren (was nie gut für einen Motor ist) oder aber Kühlwasser tritt über eine kaputte Zylinderkopfdichtung in den Ölkreislauf ein, was teure Reparaturen nach sich zieht.
  • Die Vorderräder stehen gerade, das Lenkrad jedoch schief. Aus irgendeinem Grund ist hier die Einstellung verschoben – häufig ein Unfall.
  • Das Profil der Reifen ist ungleichmäßig abgefahren – entweder zwischen beiden Auto-Seiten oder auf einem einzelnen Reifen selbst.
  • Wenn man die Zündung einschaltet, bleiben in der Tacho-Einheit Warnleuchten aus. Es müssen alle für ein paar Sekunden angehen, besonderes Augenmerk gilt den Symbolen für Kühlwasser, Öl und der gelben Motorkontrollleuchte.
  • Der Verschleiß im Innenraum, besonders an Schalthebel, Lenkrad, den Sitzflanken und den Pedalen passt nicht zum Kilometerstand. Solche Dinge zeigen in aller Regel erst jenseits der 100.000 Kilometer echte Abnutzungserscheinungen. Bei einem 50.000-Kilometer-Auto ist einfach das Gummiprofil der Pedale noch nicht blankgewetzt und das Lenkrad abgegriffen. Auch hier gilt: Das ist ein manipulierter Blender

Zumindest kritisch sollte man auch dann sein, wenn im großen Fahrzeugbrief in der Liste der Vorbesitzer eine Autovermietung oder eine Leasingagentur steht. Das ist zwar kein Grundsatz-Argument, aber man darf bei solchen Fahrzeugen aufgrund ihres Status davon ausgehen, dass sie von den Fahrern deutlich sorgloser behandelt wurden, als von „echten“ Besitzern.

Und bei der Probefahrt gilt: Radio aus, Fenster geschlossen und einfach nur hinhören. Da dürfen in keinem Fahrzustand Knack- und Klappergeräusche sein. Tritt man (auf einsamer Straße) feste in die Bremsen, darf der Wagen in keine Richtung ziehen. Bei hohen Laufleistungen mit manuellem Getriebe sollte man zudem bei geparktem Auto den höchsten Gang einlegen, auf die Bremse treten und die Kupplung vorsichtig kommen lassen. Der Wagen muss dann ausgehen. Tut er es nicht, greift die Kupplung nicht mehr sauber und muss in allernächster Zeit erneuert werden – teuer.

Zugegeben, all diese Punkte zu beachten ist natürlich schwierig und zeitaufwändig. Aber nur so verhindert man all die Risiken, die einem daraus entstehen können, dass man ein Auto kauft, das zuvor über teils Jahre und zehntausende Kilometer im Besitz einer anderen Person war. Übermäßig sorgen muss man sich allerdings nicht, auf Deutschlands Straßen fahren Millionen von glücklichen Gebrauchtwagenbesitzern herum.