Auf jeden Boom folgt ein Absturz

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Die deutsche Wirtschaft eilt von Rekord zu Rekord. Bislang ist eine Trendwende nicht in Sicht. Aber klar ist auch, sagt Ifo-Konjunkturchef Prof. Timo Wollmershäuser: „Auf jeden Boom folgt irgendwann der Absturz.“

 
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Wie zuverlässig sind Konjunkturprognosen?

Timo Wollmershäuser: Entscheidend für gute Konjunkturprognosen ist, dass über einen längeren Zeitraum betrachtet keine systematischen Fehler gemacht werden. Das heißt, im Schnitt sollte die Prognose richtig und nicht ständig zu optimistisch oder ständig zu pessimistisch sein. Am Ifo-Institut werten wir unsere Prognosefehler regelmäßig aus. Und diese Ergebnisse zeigen, dass wir im Schnitt richtig liegen.

 

Wie hoch ist die Trefferquote?

Wollmershäuser: Natürlich trifft nicht jede unserer Prognosen ein. Die laufende Konjunktur und die nächsten ein bis zwei Quartale treffen wir meistens recht gut. Aber je weiter wir in die Zukunft blicken, desto größer werden unsere Fehler.

 

Die deutsche Wirtschaft steht voll unter Dampf. Wird 2018 noch besser als 2017?

Wollmershäuser: Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft um 2,2 Prozent gewachsen. Hätten wir nicht drei Arbeitstage weniger gehabt als in normalen Jahren, wäre das Wachstum sogar bei 2,5 Prozent gelegen. In diesem Jahr wird das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nach unserer Prognose mit 2,6 Prozent noch etwas stärker ausfallen.

 

Und 2019?

Wollmershäuser: Aus heutiger Sicht dürfte sich das Wachstum dann im nächsten Jahr wieder etwas abschwächen auf 2,1 Prozent.

 

Die wichtigsten Wachstumstreiber?

Wollmershäuser: Getragen wird das Wachstum weiterhin von einer regen Binnennachfrage, also dem privaten Konsum und der Bauwirtschaft. Die Verstärkung des Wachstums ist allerdings maßgeblich auf die Industrie zurückzuführen, die von der deutlichen Erholung der Weltwirtschaft und insbesondere des übrigen Euroraums profitiert. Daher dürften der Außenhandel und die Unternehmensinvestitionen wieder zu einem wichtigen Wachstumstreiber werden.

 

Es wird noch mehr Jobs geben?

Wollmershäuser: Die steigende Produktion wird auch zu mehr Jobs führen. Das ifo Beschäftigungsbarometer, das die Einstellungspläne der deutschen Unternehmer misst, befindet sich auf Rekordniveau. Vor allem in der Industrie und in der Bauwirtschaft gab es zuletzt starke Anstiege.

 

Wie viele Jobs genau?

Wollmershäuser: Die Zahl der Erwerbstätigen wird in diesem Jahr um durchschnittlich eine halbe Million zunehmen. Dabei sinkt die Arbeitslosenquote weiter auf 5,3 Prozent, nach 5,7 Prozent im vergangenen Jahr.

 

Wo sehen Sie die größten Risiken für die Konjunktur?

Wollmershäuser: Derzeit überwiegen die Aufwärtsrisiken. Die Steuerreform in den USA könnte kurzfristig auch die deutsche Konjunktur stimulieren. Zudem könnte die durchweg gute Stimmung von Unternehmen, Haushalten und Finanzmärkten in wichtigen Partnerländern Deutschlands dazu führen, dass die Wirtschaft deutlich stärker wächst. Allerdings stellen die Brexit-Verhandlungen und die fragile Situation im Bankensektor einzelner Eurostaaten Abwärtsrisiken für die deutsche Konjunktur dar.

 

Ein Abschwung ist nicht in Sicht?

Wollmershäuser: Derzeit bewegen sich die Stimmungsindikatoren von einem Rekordhoch zum nächsten. Bislang ist eine Trendwende nicht in Sicht. Aber klar ist auch: Auf jeden Boom folgt irgendwann der Absturz.

 

Die Preise steigen wieder schneller?

Wollmershäuser: Die Verbraucherpreise sind im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent  gestiegen. Erstmals seit drei Jahren ging von den Energieträgern kein negativer Inflationsbeitrag mehr aus. Im diesem Jahr wird sich der Verbraucherpreisindex angesichts der weiter guten Konjunktur voraussichtlich um 1,9 Prozent erhöhen, im Jahr 2019 um 2,2 Prozent.

 

Die EZB wird erst 2019 den Leitzins erhöhen?

Wollmershäuser: Da auch im Euroraum die Inflation als Folge der guten Konjunktur anziehen wird, wird die EZB aller Voraussicht nach in diesem Jahr den Fuß vom Gaspedal nehmen und aus dem Wertpapierankaufprogramm aussteigen. Erste Leitzinsanhebungen dürfte es dann frühestens 2019 geben.

 

Wie werden sich die Zinsen in den kommenden Jahren entwickeln?

Wollmershäuser: An den Finanzmärkten wird der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik bereits seit langem eingepreist. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren heute mit 0,5 Prozent und damit um 0,7 Prozentpunkte mehr als Mitte 2016, dem Tiefpunkt des aktuellen Zinszyklus. Auch die Zinsen für langlaufende Immobilienkredite ziehen bereits seit anderthalb Jahren an. Dieser Anstieg wird sich in diesem und im nächsten Jahr fortsetzen.

 

Das wird auf die Aktienmärkte durchschlagen?

Wollmershäuser: Schwer zu sagen. Die derzeitige Aktienkursrallye spiegelt sicherlich die guten Konjunkturaussichten für Deutschland wider. Solange kein Abschwung in Sicht ist, dürfte sich die Rallye fortsetzen. 

 

Deutschland ist der wirtschaftliche Musterknabe der Eurozone. Wie lange noch?

Wollmershäuser: Die gute Lage Deutschland sollte nicht dazu führen, dass wir die Hände in den Schoß legen. Wir haben heute die finanziellen Spielräume, um uns auf die Herausforderungen vorzubereiten, vor denen wir vor allem aus demografischen Gründen stehen. Reformen heute tragen dazu bei, dass wir auch in Zukunft das Zugpferd beim Wachstum im Euroraum bleiben.

 

Was muss besser werden?

Wollmershäuser: Es gibt Handlungsbedarf im Bereich der Bildung. Gute Förderung insbesondere im frühkindlichen Alter legt den Grundstein für höheres Wachstum und weniger Ungleichheit. Es gibt Handlungsbedarf bei der Digitalisierung, wo Deutschland im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld liegt.

 

Und sonst noch?

Wollmershäuser: Es gibt Handlungsbedarf bei der Einkommensbesteuerung und dem Abgabensystem. Insbesondere im unteren und im mittleren Einkommensbereich geht von jedem zusätzlich verdienten Euro ein Großteil an den Staat.  Das senkt den Anreiz, eine Teilzeitbeschäftigung auszuweiten, und hemmt deshalb das Wachstum.

 

Wir schaffen das?

Wollmershäuser: Je nachdem, wer Deutschland zukünftig regiert …

 

 

Zur Person

Professor Timo Wollmershäuser ist Leiter der Konjunkturforschung und -prognosen am Ifo-Zentrum für Makroökonomik und Befragungen in München. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die deutsche und internationale Konjunkturanalyse und -prognose, sowie die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.