Auf den Spuren eines Kunstkrimis

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Karsten Kühnel, der stellvertretende Leiter des Lastenausgleichsarchivs in Bayreuth. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Kunstwelt hielt kurzzeitig den Atem an, als im Jahr 2013 die Nachricht von der Entdeckung der Sammlung von Cornelius Gurlitt die Runde machte. Zufällig wurden bereits ein Jahr zuvor in Wohnungen in München und Salzburg Kunstwerke gefunden, die Cornelius Gurlitt, Sohn eines der Kunsthändler Adolf Hitlers, dort gehortet hatte. Wer sich intensiver mit dem Nachlass der Familie Gurlitt beschäftigen will, hat dazu im Bundesarchiv-Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth die Möglichkeit. Beim Stöbern durch den digitalisierten Bestand finden sich auch historische Dokumente aus Oberfranken.

 
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Seit Juli können an vier Rechnern im Lesesaal des Lastenausgleichsarchivs des Bundes, das im ehemaligen Bayreuther Krankenhaus in der Dr.-Franz-Straße 1 untergebracht ist, digitalisierte Fotos von Gemälden und Schriftstücke aus dem Salzburger Nachlass von Cornelius Gurlitt eingesehen werden. Dabei handelt es sich um Reproduktionen von rund 600 historischen Fotos der Jahre 1936 bis 41 aus den Alben des Hamburger Kunstkabinetts des Kunsthändlers sowie 1800 weitere Fotografien von Kunstwerken. Darunter finden sich Namen bedeutender Künstler wie Max Liebermann, Gustav Courbet oder Auguste Rodin. Mit der Veröffentlichung will das Projekt „Provenienzrecherche Gurlitt“ des Münchner Zentralinstitus für Kunstgeschichte und des Instituts für Zeitgeschichte die Aufklärung des Kunstfundes weiter vorantreiben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte zum Start des Projekts mitgeteilt: „Dies sind weitere wichtige Schritte zu größtmöglicher Transparenz. Diese ist mir besonders wichtig, denn sie schafft Vertrauen in die Ergebnisse der Forschung, und wir schulden sie den Opfern und ihren Nachkommen.“

Die Brisanz beim Nachlass Gurlitt: Der Vater von Cornelius, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, handelte in der Nazi-Zeit mit sogenannter Entarteter Kunst und wurde 1943 zum Haupteinkäufer von Kunstwerken für ein von Adolf Hitler in Linz geplantes Museum ernannt.

Rohdaten

Die Frage nach der Herkunft vieler Kunstwerke aus dem Nachlass-Gurlitt ist folglich ungeklärt. Freilich: Bei der Suche nach den ursprünglichen Besitzern der Gemälde und Kunstdrucke gibt es keine schnellen Antworten. „Wir stellen mit dem Archivgut die Rohdaten zur Verfügung“, sagt Karsten Kühnel, der stellvertretende Leiter des Lastenausgleichsarchivs. Die Digitalisate weisen nicht automatisch aus, ob ein wertvolles Gemälde etwa aus dem ursprünglichen Besitz einer jüdischen Familie stammt. „Der Nutzer muss die Auswertung und Interpretation selbst vornehmen“, sagt Kühnel. So dürfte das Datenmaterial in Bayreuth vor allem für Wissenschaftler der Universität von Interesse sein. Teilweise aber auch für Regionalhistoriker.

Seit Kriegsende hat Hildebrand Gurlitt nämlich einige Zeit in einem Schloss in Aschbach (heute ein Ortsteil von Schlüsselfeld) gewohnt. Die in Würzburg erscheinende „Main-Post“ berichtete einst unter der Überschrift „Kistenweise Kunst im Schloss“ von der Erklärung eines Zeugen vom 29. April 1946, in der es heißt, „dass im März 1945 ein Herr Dr. Gurlitt aus Dresden mit 2 Zehntner-Lastautos beladen mit schätzungsweise ein 100 Kisten“ in Aschbach angekommen sei und im Schloss des Freiherrn Gerhard von Pölnitz „Wohnung genommen hat“ und auch alle „Kisten mit Kunstinhalt“ dort untergebracht worden seien. Alle Behälter seien mit „Gemäldegalerie – Dresden“ gekennzeichnet gewesen.

Dokumente aus Bamberg

Tatsächlich stößt man beim Stöbern durch den Gurlitt-Nachlass auch auf Dokumente aus Oberfranken. Zum Beispiel auf den Beschluss der Spruchkammer Bamberg, datiert vom 12. Januar 1948, dass das Verfahren des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus gegen Hildebrand Gurlitt eingestellt wird. Die Spruchkammer führt dazu aus, dass Gurlitt in den Jahren 1938 bis 1943 ein sehr hohes Einkommen erzielte und auch von einer seiner früheren Mitarbeiterinnen in diesem Sinne belastet wurde, er aber – wie es in dem Dokument heißt – aus seinen politischen Beziehungen für sich oder andere keine persönlichen und wirtschaftlichen Vorteile in eigensüchtiger Weise herausgeschlagen hat.

So findet sich in der Datensammlung, die im Bundesarchiv in Bayreuth zu sehen ist, Brisantes neben Belanglosem. Und sehr Persönlichem. Man stößt auf Korrespondenzen mit Kunsthändlern und sogar auf ein von Hildebrand Gurlitt verfasstes Frühlingsgedicht. Es bleibt Raum für Poesie – trotz vieler ungeklärter Fragen.

Bislang hat in Bayreuth niemand die digitalisierten Dokumente aus dem Nachlass Gurlitt unter die Lupe genommen. Die Sache läuft erst an. Karsten Kühnel würde sich über das Interesse der Bayreuther durchaus freuen.

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