Das Archiv schaltete sich ein
Kalkofen-Frahne wunderte sich und informierte unter anderem das Staatsarchiv in Bamberg über die Auskunft. Und so wies Archivleiter Stefan Nöth im September 2016 die Direktionsleitung in Bayreuth schriftlich darauf hin, dass die AOK als Körperschaft des öffentlichen Rechts laut Archivgesetz nicht mehr benötigte Unterlagen dem zuständigen staatlichen Archiv zur Übergabe anzubieten habe. Allein das Archiv bewerte die Dokumente und treffe über deren Archivierung die letztendliche Entscheidung. Nöth forderte zeitnah eine „Aussonderungsliste“ von Unterlagen zu Zwangsarbeitern des Zweiten Weltkriegs an. Und er stellte klar, dass die Akteneinsicht durch Kalkofen-Frahne als Abkömmling in direkter Linie selbstverständlich möglich sei. Es sei nicht nachvollziehbar, die Angaben zum 1901 geborenen Großvater „als geheim einzustufen“. Doch laut AOK sind über den Großvater keine Akten vorhanden.
Historiker: Kein Herz für Zwangsarbeiter
Wie viele Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges krankenversichert waren, ist unklar. Im Staatsarchiv Bamberg liegt ein Schreiben der AOK-Verwaltungsstelle Pegnitz vom 20. August 1946 an das Landratsamt Pegnitz. Darin ging es um den Nachweis über Militär- und Zivilpersonen der Vereinten Nationen und alle anderen Ausländer, die sich nach dem 2. September 1939 in der US-Zone befanden. Die AOK hatte 53 ausgefüllte Formblätter übermittelt, darin waren 1740 Namen genannt. Man kann also davon ausgehen, dass mindestens 1740 Zwangsarbeiter versichert waren. Deren Zahl liegt vermutlich weit höher. Der Selber Historiker Albrecht Bald, der ein Buch über Zwangsarbeiter in Oberfranken geschrieben hat, sagt: „Die Nationalsozialisten haben nicht plötzlich ein Herz für Zwangsarbeiter entdeckt. Sie haben Arbeitskräfte gebraucht.“ Die Zwangsarbeiter hätten sicherlich nicht die gleichen guten Medikamente erhalten wie die Deutschen. Während des Krieges habe Arzneimangel geherrscht.