Anwohner rebellieren, andere hoffen auf eine Belebung der Innenstadt Die Angst der Nachbarn vor dem Reichshof

Von Thorsten Gütling
Noch sind die Tore zum Reichshof zu. Geht es nach dem Verein Bayreuth Events und Festival, sollen sie sich spätestens im nächsten Jahr wieder regelmäßig öffnen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Der Aufschrei lässt nicht lange auf sich warten. Bewohner der Maxstraße sprechen sich gegen eine Wiederbelebung des Reichshofkinos aus. Vier Nachbarn des früheren Kinos haben die Baupläne nicht unterschrieben. Die Angst geht um, dass bei einer Wiederbelebung des Reichshof künftig laute Bässe und rauchende Gäste die Nachtruhe stören.

 
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Im Internet schreibt ein Anwohner. „Wir haben die Probe-Events mitbekommen. Trotz Schallschutzfenster sind die Bässe praktisch durch die Wand gekommen.“ Ein anderer hält dagegen: „Was einer Universitäts- und Kulturstadt angemessen und was eher in eine Großstadt gehört, liegt nicht in der Entscheidung der paar wenigen Menschen, die in der Innenstadt leben. Hier muss auch mal das Individualinteresse hinter dem Gemeininteresse zurückstehen.“

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Es dürfe keine "diskoähnliche Lokalität" werden, heißt es auch im Stadtrat. Von Musikgruppen, die es „in den Griff“ zu bekommen gelte, ist die Rede. Und in einem Schallschutzgutachten wird von Rockkonzerten gesprochen, die grundsätzlich bis zu zehn Mal im Jahr stattfinden dürften. Aber will der neue Betreiber, der Verein Bayreuth Event und Festival, das überhaupt? Ein Blick ins Nutzungskonzept hilft weiter.

Ein Kino mit Orchestergraben

Zwar heißt es in dem Konzept, dass alle Veranstaltungen stattfinden sollen, die mit einer festen Bestuhlung und entsprechender Bühnengröße machbar sind. Dass wieder 615 Stühle befestigt werden sollen, nämlich 460 im Parkett und 155 im Rang, soll sich schließlich rechnen. Genauso, dass dort, wo frühere eine Leinwand stand, eine 73 Quadratmeter große Bühne entstehen soll, wenn der frühere Orchestergrabens noch überbaut würde, auf 109 Quadratmeter vergrößert werden könnte.

Der Graben ist noch ein Relikt aus der Urzeit des Reichshofs. Ab 1926 wurden dort Stummfilme musikalisch begleitet. Früher fanden 700 Menschen in dem Kino Platz. Zum Vergleich: Im Europasaal des Zentrums gibt es 458 Sitzplätze. Die Bühne ist dort 71 Quadratmeter groß.

Von Unterhaltungsmusik ist die Rede

Was die Anwohner außerdem stutzig machen könnte: Im Nutzungskonzept ist auch von Unterhaltungsmusik ist die Rede. Vielmehr ist die Rede aber von Theater, Vorträgen, Kinovorführungen und Kongressen. Ausgeschlossen sind politische Veranstaltungen, Veranstaltungen pornografischer Art und Tanzveranstaltungen. Genauer wird das Konzept wenig später, wenn es auf geplante Veranstaltungsreihen eingeht. Da ist von Kleinkunst und Varieté die Rede, von Kammeropern und Musicals. Eben von Dingen, die im Innenraum bis 22 Uhr nicht mehr Lärm als 95 Dezibel oder ein vorbeifahrender Lastwagen verursachen. Nur in zehn Ausnahmen im Jahr darf der Lärm im Kinosaal danach noch bis 24 Uhr 80 Dezibel oder so laut wie ein Presslufthammer sein. Um Mitternacht soll Schluss sein.

Damit das alles stattfinden kann, soll nicht nur eine Bühne gebaut werden, sondern in die danebenliegende, frühere Anliegerwohnung ein Veranstaltungsbüro einziehen. Außerdem werden Lagerräume gebraucht sowie Künstlergarderoben in Form von Containern aufgebaut. Damit die Anlieferung von Bühnenbildern und Instrumenten über die Rückseite der Bühne und damit über die Kanalstraße und nicht über den Markt erfolgen kann, soll im Hinterhof ein Lastenaufzug gebaut werden.

Von Rockkonzerten weit entfernt

Christian Wedlich, Unternehmer und Stadtrat der CSU, ist einer der Vorsitzenden des Vereins, der das Reichshof wiederbeleben will. Die Befürchtungen der Nachbarn nehme er ernst, genauso wie er es als selbstverständlich erachte, dass die Stadt sich für die Rechte jedes einzelnen Anwohners einsetzen müsse. Von Rockkonzerten im Reichshof seien die Planungen weit entfernt. Alleine schon, weil es Stuhlreihen statt einer Tanzfläche geben soll.

Wedlich spricht stattdessen von bis zu 60 Anfragen, die ihn in den vergangenen Monaten erreicht hätten und in denen er gefragt worden sei, wann das Reichshof endlich bespielt werden könne. Dabei sei es um Schulkonzerte und Schultheater gegangen und um Veranstaltungen der Universität. Und auch den Eindruck von Stefan Schuh, einem Stadtrat der Fraktion Junges Bayreuth, teilt Wedlich. Schuh hatte davor gewarnt, dem Verein kostspielige Auflagen zu erteilen, die dieser nicht erfüllen könne. Ähnlich äußerte sich auch Halil Tasdelen von der SPD: „Wir sollten froh sein, dass endlich jemand da ist, der der Bruchbude Leben einhauchen will.“

Ein Konzert noch in diesem Jahr

Wedlich sagt, damit das Reichshof wieder dauerhaft bespielt werden könne, müssten rund 430.000 Euro investiert werden. Ziel sei es, das Reichshof damit soweit herzurichten, dass erste Veranstaltungen stattfinden könnten und mit den Einnahmen die Sanierung dann Stück für Stück weiter voranzutreiben. Von den benötigten 430.000 Euro habe der Verein bereits 70.000 Euro durch Spenden und Veranstaltungen zusammengetragen. Die noch fehlenden 360.000 Euro müssten durch Sponsoren geleistet werden. Zuschüsse gebe es keine, was aber auch im Sinne des Eigentümers, eines Münchner Rechtsanwalts, sei. Die seien schließlich wieder mit Auflagen und Bindungsfristen verbunden, was der Eigentümer nicht wolle, so Wedlich.

Geht es nach den Plänen des Vereins, könnte vielleicht noch in diesem Jahr ein Weihnachtskonzert im Reichshof stattfinden. Wedlich sagt: „Das wäre aber sportlich.“

Die Geschichte des Reichshof

Der Name Reichshof geht auf den Gasthof zurück, der vermutlich seit dem 14. Jahrhundert in dem Vorderhaus untergebracht war, durch das heute der Zugang zum Kino führt. Dieser Gasthof hieß erst Goldener Adler, dann Hotel Reichsadler – wohl wegen des Wappensteins an der Fassade, der einen doppelköpfigen Adler zeigt.

Das frühere Kino liegt im Hinterhof des Hauses und damit im Reichshof. Gebaut wurde das Kino im Jahr 1926, geplant wurde es von Adalbert Anger, dem Vater des heutigen Besitzers. 1945 wurden Kino und Vorhaus im Krieg zerstört und 1947 wieder aufgebaut. 1999 lieft mit „James Bond – Die Welt ist nicht genug“ der bis heute letzte Film im Reichshof.

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