Die Homepage ist beiden sehr wichtig, sie heißt „Tastingtravel“. Annika Wachter: „Jeder, der Rad fährt, erlebt seine Umwelt völlig neu. Radfahren überwindet Grenzen, auch zwischen gesellschaftlichen Schichten.“ Roberto Gallegos konkretisiert: „Wir haben wenig Geld auf unserem Trip. Wenn uns ein Reifen platzt, hilft uns jeder – egal, ob arm oder reich.“ Die Botschaft: „Lernt die Menschen kennen. Seid empathisch. Und euch wird Mitgefühl entgegengebracht.“
Platz ist im kleinsten Bett - neben der chinesischen Oma
Gelegenheit dazu haben sie zur Genüge erhalten. Annika Wachter: „Die Gastfreundschaft, die uns entgegenschlägt, ist manchmal wirklich nicht zu fassen.“ In China fragten sie nach einem Platz, um ihr kleines Zelt aufzuschlagen. Zelt? Nichts da! „Uns wurde nicht nur die Tür geöffnet, sondern sogar die Bettdecke gelüftet: Ich schlief bei der Großmutter mit im Bett“, sie hätte dieses Angebot nie ausschlagen können, ohne die Gastgeber zu beleidigen.
"Wir waren nie in Gefahr"
Und wenn sie sagen, der Iran sei in Sachen Gastfreundschaft bislang noch nicht überboten worden, scheint die Frage nach Angst oder Gefahr beinahe lächerlich. „Nein, wir waren nie in Gefahr. Wir haben festgestellt: Die Welt ist wunderschön. Und sie ist friedlich.“ Roberto Gallegos: „Und dazu muss man nicht die ganze Welt umfahren. Es genügt, sich aufs Rad zu setzen und die nächste Ecke zu erkunden.“
Für die Mutter eine Herausforderung
Als die junge Frau damals zum ersten Mal in die Pedale trat, stand Mutter Christine Lindner tausend Tode aus. „Als sie durch die Rhön fuhren, dachte ich: Meine Güte, es ist so kalt. Und hoffentlich passiert ihnen im Thüringer Wald nichts!“ Mittlerweile macht sie sich keine Sorgen mehr, wenn in Alaska der Laptop nicht aufgeladen werden kann und sie dann tagelang nichts von Tochter und Schwiegersohn hört.
Quelle: Tastingtravels.com
Die Reise finanzieren sie sich auch durch Jobs währenddessen. So blieben sie ein Jahr in Neuseeland und arbeiteten. In Mexiko, Robertos Heimat, hielten sie viele Vorträge über ihre Reisen, vor allem an Schulen. Außerdem erarbeiteten sie einen Radreiseführer für Mexiko, den man sich kostenlos als pdf von der Webseite herunterladen kann. Roberto Gallegos: „Radwege sind in Mexiko nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Wir hoffen, diese Wege in Mexiko populär machen zu können.“
Ganz normal: der Pärchenzoff
Gut 30 Kilogramm wiegt die Ausrüstung, die jeder der beiden aufladen muss. Hetzen lassen sie sich nicht. „Wenn wir müde sind, machen wir langsamer, wenn wir ganz müde sind, schlafen wir“, sagt die 30-Jährige. Natürlich gebe es auch Zoff zwischen dem Paar. „Nur den Fehler, dass ich ihn dann vorfahren lasse und mit großem Abstand hinter ihm her fahre, mache ich nicht mehr. Denn als ich einen Platten hatte und er das Flickzeug, schaute ich ganz schön blöd aus der Wäsche.“
Vorher noch nie einen Reifen geflickt
Übrigens: Beide waren vorher absolute Rad-Laien und durchschnittlich beweglich. Dennoch haben sie sich einfach auf den Sattel gesetzt. „Wir hatten noch nie einen Reifen geflickt“, erzählen sie. Lernen durch Tun, das funktioniere. Und sie geben jedem, der einen Herzenswunsch hat, den Rat: „Macht es einfach. Es ist viel leichter, als man glaubt.“ In Kürze kehren sie zurück nach Madrid. Dann geht es an die letzten Kilometer. Oma Brigitta Preiß: „Weihnachten wollen sie zurück sein.“ Mutter Christine Lindner antwortet sehr trocken: „Die beiden haben nicht gesagt, in welchem Jahr.“