Anne Haug top vorbereitet, aber ohne Hilfe

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Team Germany: Kann Anne Haug (rechts) auf Unterstützung von Laura Lindemann (links) hoffen? Foto: DTU Foto: red

Sie ist die letzte Starterin aus dem Bayreuther Olympia-Trio – und die aussichtsreichste im Kampf um die Medaillen. Anne Haug liegt die Streckenführung in Rio, doch wird sich am Samstag früh im Rennen entscheiden, ob die 33-Jährige eine reelle Chance auf die ersten drei Plätze hat. Auch, weil Nominierungsquerelen im Vorfeld der Olympischen Spiele eine Teamtaktik unmöglich gemacht haben.

 
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Man gewinnt ein Triathlon-Rennen nicht im Schwimmen, aber man kann es in dieser Disziplin verlieren. Und Letzteres passierte Haug in den vergangenen beiden Jahren immer wieder. 2016 stieg die Bayreutherin von Team Icehouse beim WM-Rennen in Abu Dhabi und bei der Europameisterschaft in Lissabon als Letzte beziehungsweise Vorletzte aus dem Wasser, die Podestplätze waren früh außer Reichweite. „Die Renndynamik hat sich total verändert“, sagt Haug. „Vor allem, weil einige Schwimmerinnen extrem stark geworden sind und dann auf dem Rad vorne zusammenarbeiten und um ihr Leben fahren.“

Rechtsstreit zerstört Hoffnung auf Teamtaktik

So ist es schwer, größere Zeitabstände nach ihrer Problemdisziplin Schwimmen aufzuholen. Mit Unterstützung von Mannschaftskolleginnen wäre das leichter. Schon bei Haugs Olympia-Premiere 2012 in London hätte eine Teamtaktik die Bayreutherin weiter nach vorne gebracht als auf Rang elf, mit dem sie beste Deutsche war. Haugs reine Laufzeit hätte damals wohl mindestens für die Top Fünf gereicht. Doch auf dem Rad kämpfte sie vergeblich um Anschluss, da unter anderem die Stuttgarterin Svenja Bazlen – sie beendete das Rennen als 32. – das Tempo an der Spitze hochhielt. Die Konsequenz: Für Olympia 2016 setzten sich die Deutsche Triathlon Union (DTU) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Einführung einer Teamtaktik als Ziel. Doch diese wird es in Rio nicht geben.

Da nur Haug die Nominierungskriterien erfüllt hatte, schlug die DTU neben der Bayreutherin die starken Schwimmerinnen Anja Knapp (Dettingen) und Laura Lindemann (Potsdam) für das Olympia-Team vor. Vor allem Knapp sei taktisch sehr variabel und könnte Haug im Medaillenkampf am besten unterstützen, hieß es. Dagegen ging Rebecca Robisch (Saarlouis) – in den Ranglisten der vergangenen Jahren beste Deutsche – gerichtlich vor. Das Deutsche Sportschiedsgericht entschied pro Robisch. Auch zeitlich unter Druck geraten, setzte die DTU zusätzlich Robisch und Hanna Philippin (Saarbrücken) auf die Nominierungsliste. So gab es fünf Kandidatinnen für drei Plätze.

Unterstützung auf der Radstrecke fehlt

Der DOSB entschied, nur die sportlich qualifizierte Haug zu nominieren. Nach einer weiteren Klage von Robisch gegen den DOSB rutschte mit Lindemann die in dieser Saison beste Deutsche noch ins Olympia-Team. Da die 20-Jährige aber auf dem Rad nicht die Stärke von Haug oder Knapp hat, wird sie der Bayreutherin bei einer eventuell nötigen Aufholjagd nach dem Schwimmen wohl nicht helfen können. Für den deutschen Triathlon-Sport sind diese Querelen kurz vor den Spielen ein Debakel. Das gilt auch für die Sportlerinnen selbst, schließlich blieb ein möglicher Startplatz bei den Frauen unbesetzt. Für die deutschen Herren verfielen zwei Olympia-Startplätze, kein Deutscher war am Start.

Anne Haug äußerte sich lange nicht zum Nominierungsdisput, gab keine Interviews. Erst Mitte dieser Woche sagte sie dem Fachmagazin Tritime: „Für mich war das ein Schock, dass die zwischen DOSB und DTU vereinbarte und seit drei Jahren bekannte Teamtaktik, die auch von anderen Nationen praktiziert wird, jetzt nicht zum Tragen kommen kann. Mittlerweile habe ich mich mit der Situation abgefunden und sie belastet mich auch nicht mehr.“

Die 33-Jährige weiß, dass sie in Rio auf sich alleine gestellt sein wird. Sie weiß aber auch, dass sie perfekt vorbereitet in das Olympia-Rennen geht. Vergessen sind die vergangenen beiden Jahre, in denen eine Verletzung die Vize-Weltmeisterin von 2012 und WM-Dritte von 2013 aus der Bahn warf. Ein Knochenödem am Oberschenkelhals zwang sie zu einer halbjährigen Pause, Top-Ten-Platzierungen waren danach selten. Doch jetzt bereitete sie sich zehn Monate gezielt auf Olympia vor und will dort das Rennen ihres Lebens machen. Nach den Trainingslagern auf Lanzarote, Fuerteventura und in der Höhe von St. Moritz fiel Haugs Fazit immer positiv aus: „Ich habe die Belastungen körperlich gut verkraftet, war so schnell wie noch nie in meiner Karriere und bin top vorbereitet.“

Zuletzt standen beim Trainingslager auf Mallorca speziell auf den Kurs in Rio abgestimmte Einheiten auf dem Plan. So wurde unter anderem der sonst nicht übliche Landstart geübt. „Beide Athletinnen konnten ihre Programme individuell durchziehen“, wird Bundestrainer Dan Lorang auf der DTU-Homepage zitiert. „Anne und Laura ma-chen wirklich einen guten Eindruck.“

Gute Erfahrungenmit der Strecke

Auch mental sollte Haug gut gerüstet sein, denn ihre Erinnerungen an die Strecke in Rio sind hervorragend. Dort zeigte sie 2015 beim Qualifikationsrennen für Olympia ihre beste Vorstellung nach ihrer Verletzungspause. Nach dem Schwimmen gehörte sie sogar der Spitzengruppe an und legte so den Grundstein für Rang sieben. „Mit diesem positiven Erlebnis nehme ich den Wettstreit auf“, sagt Haug. Ihr kommt es entgegen, dass in Rio nur eine große Runde geschwommen wird und die erste Boje erst nach einer etwa 500 Meter langen Anschwimmgerade gesetzt ist. Die „Schlägereien“ im Wasser, die der 33-Jährigen oft Probleme bereiten, halten sich so in Grenzen. Danach folgt eine selektive und technisch anspruchsvolle Radstrecke – optimale Voraussetzung für Haug in ihrer Paradedisziplin. Und das abschließende Laufen? Um hier in der Weltspitze um die amerikanische Goldfavoritin Gwen Jorgensen mithalten zu können, hat Haug die Trainingsumfänge deutlich erhöht und fühlt sich „besser als je zuvor“. Ihre Marschroute für das Olympia-Rennen beschreibt sie in einem Satz: „Vollgas von der ersten Sekunde an. Ich will unter die Top drei laufen.“

Viele jagen Jorgensen

Die große Favoritin beim olympischen Triathlon ist unumstritten: Gwen Jorgensen hat nicht nur fast zwei Jahre in der WM-Serie ungeschlagen überstanden, sondern auch 2015 den Testwettbewerb in Rio gewonnen. An Konkurrenz für die Amerikanerin mangelt es allerdings nicht. Alle Medaillengewinnerinnen von 2012 in London gehören dazu: Nicola Spirig (Schweiz) und Lisa Norden (Schweden), die sich damals ein hochdramatisches Fotofinish lieferten, sowie Erin Densham (Australien). Dazu kommen die Ex-Weltmeisterinnen Emma Moffatt (Aus-tralien), Helen Jenkins und Non Stanford (beide Großbritannien). Anne Haug kann die WM-Plätze zwei und drei aus den Jahren 2012 und 2013 vorweisen.

Info: Der olympische Triathlon der Frauen startet am Samstag (20. August) um 16 Uhr (MESZ). Zu absolvieren sind 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und der abschließende 10-km-Lauf.

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