Anja Silja wird zu Wilhelmine

Von Michael Weiser

Das schöne alte Haus erwacht schon jetzt wieder zum Leben: Die Theaterakademie August Everding probt im Markgräflichen Opernhaus Hasses „Artaserse“, mit dem das einzigartige Theater am 12. April glanzvoll wiedereröffnet werden wird. Von der Partie sind fünf junge Sänger - und eine Bayreuther Festspiel-Legende.

 
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Joachim Tschiedel legt den Kopf in den Nacken und schaut in den silbern, grün und golden schimmernden Himmel von Bayreuth. Tschiedel ist stellvertretender Leiter des Studiengangs Musiktheater an der Akademie August Everding. In diesen Frühlingstagen in Bayreuth ist er der Korepetitor, der Mann, der am Klavier das Orchester ersetzt, damit die Sänger proben können.

Ein Raum wie in einer Kirche

Seinen Platz am Klavier hat er kurz verlassen, um das Gemälde an der Decke zu studieren. „Halleluja, Amen“ sagt er, und man versteht, was er meint: das Gefühl, in einer Kirche zu stehen. Mit der Bühne als Altar, mit einer Liturgie, in der nicht Wasser zu Wein wird, sondern sich Welt in höhere Wirklichkeit wandeln soll. „Das ist ein Tempel für die Kunst. Und so wie man in der Kirche Gottesdienste feiert, zelebrieren wir die Kunst“: So drückt es Balázs Kovalik aus, der Regisseur, der für den 12. April die Eröffnungsoper inszeniert. Mit der Münchner Hofkapelle, fünf jungen Künstlern und einer Bayreuther Festspiellegende: Anja Silja kehrt nach Bayreuth zurück.

58 Jahre nachdem sie in der Rolle der Senta in Bayreuth debütiert hat, wechselt sie von Wagner zu Wilhelmine. Kovalic und seine Dramaturgin Julia Schinke haben Johann Adolphs Hasses Oper „Artaserse“ mit der Geschichte Wilhelmines und ihrer Familie verwoben; Anja Silja verleiht der Markgräfin, die auf ihr Leben und ihre Beziehung zu ihrem Bruder Friedrich dem Großen zurückblickt, Stimme und Leben.

Das Theater im Theater

Ein Hauptdarsteller, der nicht spricht und doch viel zu sagen hat, ist das Opernhaus. Zunächst wegen seiner Atmosphäre. „Alle hier spüren diese ganz eigene Energie eines besonderen Ortes“, sagt Dramaturgin Schinke. Darüber hinaus ist das Opernhaus aber auch auf der Bühne zu sehen. Csaba Antal hat das große Haus klein nachbauen lassen, als Theater im Theater, in dem die Charaktere des „Artaserse“ historische Hohenzollern wiederzuerkennen sind. Auf vielen Ebenen erzählen Kovalic und die jungen Sänger des Masterstudiengangs nicht nur von menschlichen-allzumenschlichen Konflikten, sondern auch von Bayreuth, Wilhelmine und ihrer besonderen Geschichte.

Im dämmrigen Glanz des Rokoko-Theaters vergeht Stunde um Stunde. Die Laufwege sind nicht weniger kompliziert als die Gesangsparts. Anstrengend ist es auch noch. Kathrin Zukowksi, die als Sopranistin anstelle eines Countertenors die Rolle des jungen Bruders Friedrich übernimmt, stürmt eine Leiter hinaus ins Dachgeschoss des Opernhauses und muss erst mal Luft holen, bevor sie ihre Arie anstimmt. Noch sind sie und die anderen einfach nur Sänger. Nach kurzer Zeit aber beginnen sie, sich in den Augen des Betrachters in ihre Bühnenfiguren zu verwandeln. Die Welt wird eine andere, vielmehr: der Blick darauf ändert sich, wird klarer und gleichzeitig verzaubert. Die Magie des Opernhauses funktioniert, so scheint's, schon wieder.

Auf einmal dringt der Lärm von Presslufthämmern in den Zuschauerraum. Richtig, draußen gibt es auch noch eine Welt. Und in der wird gerade ein Teil des Sternplatzes gepflastert. Damit bis Donnerstag auch ja alles fertig wird.

Wo man die Eröffnung im Fernsehen, Radio und Internet verfolgen kann

Der Festakt am 12. April kann über Video-Livestream auf www.br.de/franken verfolgt werden. Berichte rund um das Bauwerk und seine Wiedereröffnung, seine Geschichte sowie Leben und Zeit der Wilhelmine senden außer Bayern 3 alle Sender des BR. Im BR-Fernsehen wird in der Rundschau, der Abendschau, der Frankenschau aktuell und das Rundschau Magazin berichtet. Das Europakonzert der Berliner Philharmoniker mit Paavo Järvi am 1. Mai wird ab 11 Uhr live im Ersten übertragen sowie im Hörfunk auf BR-Klassik. Zudem kann das Konzert per Video-Livestream auf www.br-klassik.de/concert miterlebt werden.

Bereits am 6. April lässt Gudrun Petruschka im BR-Klassik Restaurateure zu Wort kommen sowie – aus ihren Briefen – die Markgräfin und passionierte Opernliebhaberin Wilhelmine selbst. In der Musiksendung „Tafel-Confect“ am 15. April beleuchtet Christian Schuler die Musikgeschichte der Residenzstadt Bayreuth.