Am Anfang meinen viele, es sei wieder einmal ein kruder Gag der Beatles. Als die New Yorker Radiostationen 1967 eine „English surprise“ versprechen und dann „New York Mining Disaster 1941“ abspielen, gibt es nicht wenige, die bei dem Song an ein neues Werk der Fab Four denken. Doch weit gefehlt. Aus der „englischen Überraschung“, die am Donnerstag vor genau 50 Jahren das erste Mal mit einer Single in den britischen Charts auftauchte, sind zu guter Letzt die Könige des Disco entwachsen: die Bee Gees.

Als die Brüder Barry, Maurice und Robin Gibb sowie deren damalige Mitstreiter Colin Peterson und Vince Melouney nach England kommen, sind sie zwar in Australien schon ziemlich bekannt (immerhin gründeten sie ihre Band schon zehn Jahre zuvor), im Mutterland des Pop kräht aber seinerzeit kein Hahn nach ihnen. Das ändert sich schlagartig, als sie ihre etwas ungewöhnlich betitelte Single in Großbritannien und bald darauf auch in den USA und Deutschland veröffentlichen. Wie im Königreich klettert auch hierzulande „New York Mining Disaster 1941“ bis in die Top Ten.

Es war der Zeitgeist

Es war einfach der Zeitgeist: Kurz zuvor machten die Beatles mit „Yellow Submarine“ und „Strawberry Fields Forever“ den britischen Psychedelic-Sound salonfähig - und ihr „Sgt. Pepper“ steht gerade in den Startlöchern. Es ist also genau der richtige Moment für das sperrig-harmonische 2:10-Minuten-Debüt der Bee Gees, das aus der Sicht eines Bergmanns während eines fiktiven Minenunglücks in der verzweifelten Frage gipfelt: „Have you seen my wife, Mr. Jones?“

Auch wenn der Bandname - das englisch ausgesprochene Akronym für „Brothers Gibb“ - zunächst als Abkürzung für „Beatles Group“ gedeutet wurde, ist doch schnell klar: Mit den Bee Gees steht eine ganz neue Truppe auf dem Plan, die so alsbald nicht mehr weggeht. Auf „New York Mining Disaster 1941“ folgen schnell das wunderbare „To Love Somebody“ sowie die Platte „Bee Gees' 1st“ (was ein bisschen irrführend ist, da die Teenager seinerzeit schon auf Veröffentlichungen in Australien zurückblicken).

Mit „Massachusetts“ weltweit an der Spitze

Mit „Massachusetts“ vom Folge-Album „Horizontal“, das noch im selben Jahr erscheint, hat die Band weltweit ihren ersten Nummer-eins-Hit. Ihr Aufstieg ist nicht mehr aufzuhalten. Es folgen weitere Spitzenplatzierungen - in Deutschland schaffen es die Gibbs insgesamt 18 Mal in die Top Ten.

„New York Minining Disaster 1941“ tritt, obwohl die Single mehr als eine Million Mal verkauft wird, wegen der schieren Fülle an bahnbrechenden Songs, 22 Alben und diversen Soundtracks mit der Zeit etwas in den Hintergrund. Vor allem die Siebziger-Jahre-Klassiker „Stayin' Alive“, „Night Fever“, „How Deep Is Your Love“ oder „Tragedy“ kommen den meisten sofort in den Sinn - auch wenn es kurioserweise anders als in den USA keiner dieser Titel je ganz an die Spitze der deutschen Charts geschafft hat. Weltweit haben die Bee Gees nach Angaben ihres Labels 220 Millionen Platten verkauft.

Schnell emanzipiert

Barry, der im vergangenen Jahr 70 geworden und nach dem Tod der Zwillinge Maurice (2003) und Robin (2012) der letzte noch lebende Gibb-Bruder ist, sagt später einmal über das Debüt: „Wenn du wie die Beatles klingst und auch einen Hit schreiben kannst, dann startet die Maschine den Hype.“ Schnell haben sich die Bee Gees allerdings davon emanzipiert.

Schon in ihrer Besprechung von „The Bee Gees' 1st“ bewundert die „New York Times“ den facettenreichen Stil der Band. Ein Vergleich mit den Beatles sei irreführend. Die Zeitung lobt bereits 1967 „die starke Stimme“ Barrys mit ihrem „gewaltigen Umfang“. Sie wird im Laufe der Jahre der Markenkern der Band. Und klingt bis heute nach.