Adressenhandel Der 10.000-Euro-Kredit, den man nicht will

Von Peter Engelbrecht
Dieses Kreditangebot plus das Angebot eines persönlichen Beratungsgespräches flatterte bei Kurier-Reporter Peter 
Engelbrecht in den Briefkasten. Woher der Adresshändler Namen und Adresse hat, ist unklar. Foto: Udo Bartsch Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Manchmal kommt man ins Grübeln. Etwa, wenn ein Kreditangebot der Targobank aus Bayreuth im Briefkasten landet – obwohl der Empfänger keine Schulden hat. Wie kommt die Bank dazu, jemandem, der noch nie etwas mit ihr zu tun hatte, Kredite über 5000, 7500 oder 10.000 Euro und ein persönliches Beratungsgespräch anzubieten?

 
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Nach dem illegalen Hacken privater Daten von Politikern, Journalisten und Promis durch einen Schüler und dem aktuellen Fall des Veröffentlichens von 500 Millionen E-Mail-Adressen mit Passwörtern sind viele Menschen sensibilisiert. Doch wie sieht es mit dem „normalen“ Datenhandel aus? Um das herauszufinden, folgt eine Recherche in eigener Sache: Peter Engelbrecht bekam als Privatperson das Kreditangebot und Reporter Peter Engelbrecht versucht, Licht in die Sache zu bringen.

Was den Datenschutz betrifft, ist beim Kreditangebot die Deutsche Post Direkt GmbH in Wuppertal verantwortlich, heißt es in dem Werbebrief der Targobank im Kleingedruckten. Nach einem Protestschreiben teilt die Post-Tochter mit, die Adressdaten würden künftig gesperrt.

Große Datenhändler

Das Unternehmen sei im Direktmarketing (Verarbeitung von Daten und für Zwecke des Adressabgleichs) tätig, verfüge über eigene Datenbanken, die mit Hilfe von Adresslieferanten und öffentlich zugänglichen Quellen zusammengestellt werden. Die Deutsche Post Direkt erläutert, dass meine Daten von der Media Information Systems AG im schweizerischen Sarnen, von der AZ Direct GmbH in Gütersloh und der Schober Direct Media GmbH in Stuttgart „verarbeitet“ werden. Namen, die mir nichts sagen, doch das sind große Datenhändler.

Die Deutsche Post AG verfügt über Informationen zu rund 46 Millionen Adressen mit insgesamt einer Milliarde Einzelinformationen. Darunter Angaben zu Kaufkraft, Geschlecht, Alter, Bildung, Familienleben, Wohnsituation und Pkw-Besitz, wie es in einer Werbebroschüre heißt.

Der Datenhandel läuft über die Tochterfirma, die damit wirbt, dass 150 Einzelmerkmale „eine zielgruppengenaue Adressselektion“ ermöglichen. Das heißt, wer diese Daten kauft, kann gezielt nur diejenigen Adressen herausfiltern, wo Menschen leben, die besonders viel verdienen. Zu den Daten gehören demnach auch Angaben zu Konsumvorlieben und zur Wohnstruktur. Diese Daten werden nach Angaben der Post anonymisiert genutzt und nicht direkt an Unternehmen weitergegeben. Der Markt ist riesig: Laut einer Studie gaben Firmen 9,5 Milliarden Euro pro Jahr für volladressierte Werbesendungen aus.

Grundsätzlich zulässig

Auch die Targobank in Duisburg teilt auf ein Protestschreiben hin mit, dass nun Name und Adresse gesperrt würden. Briefwerbung sei rechtlich grundsätzlich zulässig, die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Direktwerbung werde seitens der Datenschutzgrundverordnung „als berechtigtes Interesse anerkannt“, schreibt Pressesprecher Axel Bäumer. Es bedürfe keiner vorherigen Einwilligung des Adressaten. 2018 habe es „nur wenige Dutzend Beschwerden“ gegeben.

Der Datenhändler AZ Direct Media GmbH in Gütersloh, der zur Bertelsmann-Gruppe gehört, berichtet, dass die verwendeten Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen und von Daten- und Adressdienstleistern stammen. Rechtsgrundlage sei die Datenschutzgrundverordnung, erläutert Pressesprecher Gernot Wolf. Das bestätigt auch das Landesamt für Datenschutzaufsicht in Ansbach: Briefwerbung zur Neukundenwerbung sei grundsätzlich zulässig, solange der Adressat dem nicht widersprochen hat. Das Landesamt warnt vor der Teilnahme an „undurchsichtigen Gewinnspielen“, bei denen Daten gesammelt werden.

Persönliches Fazit: Meine Daten müssen aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen – wo genau sie abgeschöpft werden, ist unklar. Bis zum Kreditangebot wusste ich gar nicht, dass persönliche Daten „verarbeitet“ werden. Und: Der Adresshandel ist zweifelhaft, aber legal – und ein Milliardengeschäft.


Info: Verbraucher, die keine Werbebriefe erhalten wollen, können sich schriftlich direkt an die Unternehmen wenden und sich sperren lassen. Auch ein Eintrag in die „Robinsonliste“ stoppt Werbung: Infos unter 0 52 44/90 37 23 oder www.ichhabedie wahl.de

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