25 Jahre Berlin/Bonn-Gesetz Klare Mehrheit für kompletten Regierungsumzug nach Berlin

Eine deutsche und eine europäische Flagge wehen vor dem Sitz des Verteidigungsministeriums (Bmvg) auf der Hardthöhe in Bonn. Das Bmvg gehört zu den Ministerien, die ihren ersten Amtssitz nicht in Berlin haben. Foto: Oliver Berg Foto: dpa

480 Kilometer Luftlinie trennen Bonn und Berlin. Jedes Jahr legen Tausende Beamte diese Strecke zurück, um von einem Standort ihrer Ministerien zum anderen zu kommen. Ergibt die Teilung noch Sinn? Eine Umfrage gibt eine klare Antwort darauf.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Berlin - 25 Jahre nach dem Beschluss über die Aufteilung der Bundesregierung zwischen Bonn und Berlin wünscht sich eine klare Mehrheit der Deutschen einen kompletten Umzug vom Rhein an die Spree.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 55 Prozent dafür aus und nur 27 Prozent dagegen.

Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo die frühere Bundeshauptstadt Bonn liegt, sind mehr Bürger für einen Komplettumzug als dagegen: Mit 47 zu 36 Prozent fiel hier das Ergebnis allerdings erwartungsgemäß knapper aus als im Rest der Republik. Von den Berlinern wollen fast zwei Drittel (65 Prozent) die ganze Regierung in ihrer Stadt haben, nur 18 Prozent würden lieber darauf verzichten. In Sachsen (71 Prozent) und Thüringen (70 Prozent) sind die Sympathien für einen Komplettumzug sogar noch größer als in der Hauptstadt.

Am Freitag (26. April) vor 25 Jahren hatte der Bundestag das Berlin/Bonn-Gesetz über die Aufteilung der Ministerien zwischen den beiden Städten verabschiedet. Es sieht vor, dass "der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt". Das ist aber schon seit 2008 nicht mehr der Fall. Heute sind nur noch etwa ein Drittel der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn.

Allerdings haben immer noch 6 von 14 Ministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn: Bildung und Forschung, Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Verteidigung und Entwicklung. Die Ministerien, deren erster Dienstsitz Berlin ist, haben einen zweiten Sitz in Bonn. Das bedeutet, dass alle Ministerien auf zwei Standorte aufgeteilt sind.

Die Linken-Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch hält das für einen "Anachronismus". "30 Jahre nach Mauerfall muss dieser teure Übergangszustand beendet werden", sagte die im östlichen Berliner Bezirk Lichtenberg direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der dpa. Für Dienstreisen zwischen den beiden Standorten wurden im Jahr 2017 7,9 Millionen Euro aufgebracht. Das geht aus dem jüngsten Bericht über die Kosten der Teilung der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr hervor.

Das Argument, dass der wirtschaftliche Schaden eines Umzugs für Bonn zu groß wäre, lässt Lötzsch nicht gelten. "Im ganzen Osten gibt es kein einziges DAX-Unternehmen. In Bonn gibt es gleich zwei: Telekom und Deutsche Post DHL", sagte die frühere Linken-Chefin. "Bonn wird es also nach einem Umzug der Bundesregierung nach Berlin nicht schlechter gehen." Die Bundesregierung könnte mit einem Komplettumzug ein Zeichen für Ostdeutschland setzen.

In Nordrhein-Westfalen wird das ganz anders gesehen. "Berlin ist doch schon heute völlig überhitzt und überfordert und kämpft um bezahlbaren Wohnraum", sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) der dpa. "Welchen Sinn soll es machen, jetzt noch Tausende Beamte und ihre Familien mit Milliarden-Kosten nach Berlin umzusiedeln?"

Der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU) meint, dass die Kosten kein Argument für einen Komplettumzug sein könnten. "Setzen Sie die Kosten einmal ins Verhältnis zu den Umzugs- und Baukosten für jene Bonner Ministerien, die nach Berlin umziehen müssten", sagte Sridharan. "Wie lange könnte dafür wohl gependelt werden? 100 Jahre?"

Der Berliner Senat reagierte mit Unverständnis auf die Äußerungen aus Nordrhein-Westfalen. "Berlin bleibt gelassen und ist sich sicher, dass der Regierungssitz in der Hauptstadt und europäischen Metropole am besten aufgehoben ist", sagte Senatssprecherin Claudia Sünder.

Die NRW-Landesregierung will mit der Bundesregierung bis Ende dieses Jahres eine Zusatzvereinbarung zum Berlin/Bonn-Gesetz aushandeln. Das Ziel sei, Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum zu stärken. Außerdem solle seine Position unter anderem als UN-Standort und Kompetenzzentrum für Cyber-Sicherheit ausgebaut werden.

Die Bonner Republik sei das Beste gewesen, was Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg habe passieren können, sagte Laschet. Bonn habe Bescheidenheit und gleichzeitig Offenheit ausgestrahlt. "Manche in Berlin glauben, dass die Zustände und die Lebenswirklichkeit in Berlin typisch seien für ganz Deutschland - und sie diskutieren auch so. Die Tugenden der Bonner Republik von Maß und Mitte, Unaufgeregtheit und Bescheidenheit täten auch heute gut."

Nach der YouGov-Umfrage denkt bei Bonn heute immer noch jeder Zweite (52 Prozent) als erstes an die Vergangenheit als Bundeshauptstadt. Im Fall eines Komplettumzugs hält die Mehrheit der Befragten aber eine Entschädigung der Stadt am Rhein nicht für angemessen. Nur 25 Prozent wären dafür, 53 Prozent dagegen. In Ostdeutschland sind sogar fast zwei Drittel gegen eine Entschädigung (63 Prozent) Bonns bei einem Komplettumzug.

Autor