1992 in Pegnitz Junge im Zug war kein Neffe

Von Klaus Altmann-Dangelat
Michael Jackson 1992 am Bahnhof Pegnitz. Foto: Archiv/Konrad Raum Quelle: Unbekannt

PEGNITZ. Es war starker Tobak, der am Samstagabend auf Pro Sieben zu sehen war. Von 20 Uhr bis Mitternacht wurde der Dokumentarfilm „Leaving Neverland“ gezeigt, in dem es um sexuellen Missbrauch geht. Im Mittelpunkt steht der ehemals größte Popstar der Welt, Michael Jackson. Und darum, wie er Jungs missbraucht haben soll. Was das mit Pegnitz und der oberfränkischen Provinz zu tun hat? Nun, während Jacksons Welttournee 1992, die ihn auch nach Pegnitz und Bayreuth führte, wurde er auch von einem Jungen begleitet. Niemand dachte sich etwas Schlimmes dabei. Auch die Polizeibeamten (die die Fans vom Mega-Star fernhielten) nicht. Ein Blick zurück.

 
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Auf Youtube gibt es ein Video, auf dem zu sehen, wie der Zug, von Frankfurt kommend, in den Pegnitzer Bahnhof einfährt. Michael Jackson übernachtete vor seinem Bayreuther Konzert im September 1992 in Pegnitz, im damaligen Posthotel. Ein Mitarbeiter Jacksons drehte das Video aus einem der hinteren Waggons. Darauf ist all das zu sehen, was damals in der Presse zu lesen war – einschließlich der Küsschen auf die Wange für zwei junge weibliche Angestellte des Posthotels.

Wer ist der "kleine Michael"?

In dem Kurier-Bericht von Andrea Wittmann gibt es eine Formulierung, die im Nachhinein einen schalen Beigeschmack bekommt. Sie berichtet, wie ein großer Stoff-Panther aus dem Schlafwagen herausgebracht wird: „Ob Michael mit ihm in Pegnitz das Bett teilen wird? Dann kommt ein kleiner Michael, offenbar der Neffe des ,großen‘ Michael und ins gleiche Outfit gepreßt.“ Der angebliche „Neffe“ kommt einige Minuten (so das Video) vor Jackson aus dem Zug und wird von Leibwächtern zum Kleinbus gebracht, der anschließend zum Posthotel fährt. Man sieht den Jungen auf dem Video nur von hinten. Auf den Pressefotos von damals ist er nicht zu sehen, die Aufmerksamkeit richtete sich damals voll und ganz auf den Superstar Michael.

Identität des Jungen ist wohl nicht mehr zu klären

Deshalb ist auch nicht zu erkennen, wer der Junge war, der damals mit nach Pegnitz kam. Wenn man andere Videos aus jener Zeit sieht, kann man erkennen, dass sich der etwa zwölfjährige Jordan Chandler so anzog wie Michael Jackson. Oder was das der junge Brett Barnes, der der Zug in Pegnitz verließ? Das wird wohl nicht mehr zu klären sein. Es ist auch nicht von großer Bedeutung. Wichtig ist die Tatsache, dass Jackson scheinbar immer Jungs um sich hatte – auch dann, wenn er auf Tournee war.

Eltern sind nicht zu sehen

Im Dokumentarfilm „Leaving Neverland“ berichten die Mütter von Wade Robson und James Safechuck, dass sie die meiste Zeit in der Nähe waren, wenn ihre Söhne den Superstar besuchten. Der ehemalige Hotelchef Andreas Pflaum (siehe den Artikel unten) erinnert sich, dass auch auf dieser Tournee die Eltern des Jungen mit von der Partie waren. Auf dem Video sind sie nicht zu sehen. Es ist mittlerweile nicht mehr zu klären, ob sie auch mit im Zug waren. Auf dem Youtube-Video kann man jedenfalls erkennen, dass der junge Begleiter von Leibwächtern ins Hotel gebracht wird. Von den Eltern ist weit und breit nichts zu sehen.

Vor den ersten Vorwürfen

All das geschah ein Jahr vor den erstmaligen Anschuldigungen, mit denen 1993 Jordan Chandlers Vater an die Öffentlichkeit ging. Niemand machte sich jedoch 1992 in Pegnitz und anderswo größere Gedanken darüber, was es mit dem Jungen ohne Begleitung in Michael Jacksons Zug auf sich hatte. Viele dachten wohl so wie die Reporterin: Es war vielleicht ein „Neffe“.

INFO: Wenn man die Alben des Superstars etwa genauer betrachtete, bekam man schon in den 80er und 90er Jahren Hinweise auf Jacksons gespaltene Persönlichkeit direkt auf den Schallplattenteller geliefert. Die erste erfolgreiche Solo-Platte Jacksons 1983 hieß „Thriller“, – mit dem legendären Video, in dem sich der nette Michael in einen furchterregenden Zombie verwandelt (!). Die nächste Platte hieß „Bad“ (böse, schlecht), die dritte schließlich „Dangerous“ (gefährlich).

Info: In der Parzival-Suite des Posthotels zusammen mit Michael Jackson

Michael Jackson kam 1992 in Begleitung eines Jungen nach Pegnitz“, erinnert sich Andreas Pflaum, der damalige Chef des Posthotels. Bei ihm waren Jackson und seine knapp 30-köpfige Entourage untergebracht. „Michael Jackson hatte fast das komplette Hotel gemietet. Er hat mit dem Jungen zusammen in der berühmten Parzival-Suite gelebt.“ In seiner Erinnerung waren die Eltern des Kindes mit dabei, allerdings nicht im selben Zimmer: „Die Eltern haben in einem anderen Zimmer gewohnt.“

"Eine Steigerung von allem"

Der amerikanische Superstar hatte sich kurz nach seinem 34. Geburtstag in dem Pegnitzer Hotel eingemietet, das ihm auch eine Überraschungsfeier organisiert hatte. Pflaum erzählt: „Wir haben ihm einen Kuchen mit 34 Kerzen und eine Märklin-Modelleisenbahn außenherum besorgt. Er war begeistert und hat uns gefragt, ob das hier ein Walt Disney sei. Das sei eine Steigerung von allem gewesen, was er je erlebt hätte.“

Mit Michael Jackson in die Fränkische Schweiz

Der Hotelier berichtet weiter, wie er mit Jackson das Pegnitzer Umland erkundet hat: „Wir sind mit meinem Talbot 1928 in die Fränkische Schweiz gefahren, ins fränkische Wunderland nach Plech und ins Spielwarengeschäft Heckel. Michael Jackson hat ein wenig herumgestöbert und dann ein paar Puzzles gekauft.“ Als Jackson hörte, dass die Besitzerin des Ladens Kinder hatte, habe der Musiker diesen sofort Karten für sein Konzert in Bayreuth besorgt. Kurz nachdem Jackson in Plech erkannt wurde, bekam Pflaum einen Anruf aus Rust bei Freiburg: „Der Betreiber des Europaparks wollte den Musiker einladen und bot an, seinen Park Tag und Nacht für ihn zu öffnen. Dazu kam es dann aber nicht.“ Und der Junge? „Der war immer mit dabei, genau wie zwei Leibwächter“, so Pflaum. Man habe im Posthotel alles getan, um dem Künstler das Leben so angenehm wie möglich zu machen: „Michael Jackson war ein sehr ängstlicher Mensch. Vor seinem Aufenthalt in Pegnitz hatte er nie im Erdgeschoss geschlafen, weil er Panik vor Schusswaffen hatte. Wir haben seine Suite (die im Erdgeschoss lag, Anmerkung d. Red.) so abgedunkelt, dass für ihn nicht klar war, wo er war.“

"Qualität kam von Qual"

Der Hotelier ist heute noch beeindruckt von Michael Jacksons Einsatz: „Bei ihm kam Qualität tatsächlich von Qual. Er hat unser Hotel als Kino genutzt, um Videos seiner früheren Auftritte zu studieren und war besessen davon, jeden kleinen Fehler zu korrigieren. Er wollte perfekt sein.“ Dazu habe auch sein Lebensstil gepasst, wie Pflaum sagt: „Wir haben viele Superstars in unserem Hotel gehabt, inklusive ihrer Eskapaden mit Drogen und Alkohol. Er wollte davon nichts wissen – bei ihm gab es nur Pepsi Cola.“

"Wie Vater und Sohn"

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas gemacht hat. Ich konnte mir auch die Doku nicht bis zum Ende ansehen, das hat mich so wütend gemacht. Sein Verhältnis zu dem Jungen hier war voller Respekt. Es wirkte eher wie eine Beziehung zwischen Vater und Sohn.“

Pflaum glaubt, dass der Superstar aufgrund seiner „Prügelerziehung“ anderen Kindern ein wunderbares Leben ermöglichen wollte. „Begeistert wie ein Kind“ sei er von Pegnitz und der Umgebung gewesen. „Das wollte der mit dem Jungen teilen“, so der Eindruck des Zeitzeugen. ⋌jus

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