1985: Als Aufsteiger gleich im Europacup

Von Dino Reisner
Bayreuth schaltet Panathinaikos Athen aus: Was heute gegen den Euroleague-Meister von 1996 und 2000 kaum denkbar erscheint, ist 1985 dem Team um Georg Kämpf (links) und Calvin Oldham (Nr. 15) gelungen. Foto: Peter Mularczyk Foto: red

„Klotzen statt kleckern“ lautete die Devise der BG Steiner-Optik Bayreuth für die Saison 1985/86. Nach dem souveränen Wiederaufstieg in die Bundesliga wurden mit Rückkehrer Buzz Harnett der Kapitän des Deutschen Meisters Bayer Leverkusen und mit Armin Sowa vom ASC Göttingen sogar der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft verpflichtet. Durch den Verzicht anderer Bundesligisten rückte die Mannschaft von Trainer Tom Schneeman als Pokalfinalist (72:85 gegen Göttingen) gleich in den Korac-Cup nach.

 
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Die erste Runde bescherte ein Treffen mit dem heute nicht mehr existierenden damaligen türkischen Spitzenclub Eczacibisi Istanbul. Die Reise an den Bosporus wurde zum Abenteuer, wie sich der damalige Mannschaftskapitän Ingo Froese erinnert: „Die Heimvereine waren für Unterkunft und Verpflegung der Gastmannschaften verantwortlich. Entsprechend spartanisch war unsere Herberge. Bei der Fahrt zum Spiel blieb dann auch noch der Mannschaftsbus im Stau stecken. Wir haben Taxis gechartert und sind auf den letzten Drücker in der Halle eingetroffen.“

Umso beachtlicher war die folgende Leistung: Bis zum 79:79 kurz vor Schluss hielt die Mannschaft um die Topscorer Calvin Oldham und Buzz Harnett (je 19 Punkte) die Partie offen, ehe sie doch mit 79:86 verlor. Damit war die Istanbul-Reise aber noch nicht zu Ende: „Nach dem Spiel wollten wir noch etwas essen und trinken, sind aber im falschen Lokal gelandet. Der Wirt wollte uns übers Ohr hauen. Er hat Bauchtänzerinnen eingeladen, riesige Speiseplatten aufgefahren und uns eine entsprechende Rechnung serviert. Erst als ihn Armin Sowa am Schlafittchen gepackt hat, ist er zu normalen Preisen zurückgekehrt“, berichtet der 16-fache Nationalspieler Froese, der von 1983 bis 1987 für Bayreuth spielte.

Nervenstärke im Hexenkessel mit vielen türkischen Fans

Beim Rückspiel glich das Sportzentrum einem Hexenkessel. Zahlreiche türkische Fans wollten vor allem Starspieler Erman Kunter in Reihen von Eczacibisi bejubeln. Die Bayreuther ließen sich von der aufgeheizten Atmosphäre aber nicht beeindrucken. Zwei Minuten vor Schluss führten sie dank 25 Punkten von Georg Kämpf und 23 von Calvin Oldham souverän mit 82:66. Die Türken verkürzten dann zwar Punkt um Punkt, doch in den letzten 30 Sekunden hielten die Gastgeber beim Stand von 83:74 den Ball geschickt in den eigenen Reihen – für einen Angriff standen noch sechs Sekunden mehr zur Verfügung als heute, und taktische Fouls waren sinnlos, weil ein Team damals noch zwischen Freiwürfen und Einwurf wählen konnte. Mit einem Vorsprung von zwei Punkten in der Addition beider Spiele erreichte die BG Steiner-Optik die zweite Runde.

Dort kam gegen Juventus Caserta aus Italien das Aus. Bereits beim Hinspiel im Sportzentrum erwies sich das Team um Oscar Schmidt, den besten brasilianischen Basketballer der Geschichte, als eine Nummer zu groß. „Oscar Schmidt war eine Klasse für sich“, sagt Ingo Froese. „Er hat aus allen Lagen getroffen.“ Auch Mike Boyle konnte mit sechs Dreiern und insgesamt 23 Punkten die 80:86-Niederlage nicht verhindern. Im Rückspiel verkauften die Bayreuther ihre Haut trotz 28-stündiger Busanreise teuer. Die Bankspieler bekamen bei der 68:87-Niederlage viel Einsatzzeit, die Ron Knecht zu 16 Punkten nutzte. Buzz Harnett hatte die Fahrt nach Süditalien wegen Kniebeschwerden gar nicht erst angetreten. Caserta fand erst im Korac-Cup-Finale im italienischen Duell gegen Virtus Rom seinen Meister. Der damals erst 38 Jahre alte jugoslawische Trainer Bogdan Tanjevic sollte später im europäischen Basketball noch von sich reden machen.

Panathinaikos Athen ausgeschaltet

1986 durften die Bayreuther erstmals im Europacup der Pokalsieger starten. Das nationale Pokalfinale hatten sie zwar 68:80 gegen Leverkusen verloren, der Doublegewinner gab jedoch dem ranghöheren Landesmeisterwettbewerb den Vorzug. Die Feuertaufe wurde gegen den klar favorisierten griechischen Cupsieger Panathinaikos Athen mit Bravour bestanden, obwohl Neuzugang Anthony Reuss fehlte (der Deutsch-Amerikaner galt international noch als Ausländer). Angeführt von Calvin Oldham (26) und Buzz Harnett (22), die auf den beiden zugelassenen Ausländerstellen den Vorzug erhielten, drehte die BG Steiner-Optik im Heimspiel einen 35:40-Pausenrückstand noch in einen 84:71-Erfolg.

Das Rückspiel ging unter skandalösen Rahmenbedingungen über die Bühne. Die Zuschauer rauchten in der Halle Zigaretten und sorgten mit ihren Trillerpfeifen immer wieder für Irritationen. Auf die Bayreuther Spieler warfen sie mit Münzen und Feuerzeugen. „In der Halbzeitpause sind wir im wahrsten Sinne des Wortes in die Kabine geflüchtet. Und nach dem Spiel haben wir aus Sicherheitsgründen durch den Hinterausgang die Halle verlassen“, blickt Froese zurück. „Die griechischen Fans waren vom Ausscheiden gegen einen internationalen Nobody wie uns alles andere als begeistert.“

Vor den Kameras des griechischen Fernsehens, das die Partie live übertrug, war zwei Minuten vor Schluss beim Stand von 61:72 der Vorsprung aus dem Hinspiel nahezu aufgebraucht, doch Calvin Oldham, Georg Kämpf (jeweils 21 Punkte) und Armin Sowa (20) behielten die Nerven. Die 67:74-Niederlage reichte für den Einzug in Runde zwei. Die verlief für die Mannschaft von John Trealor, der vor Saisonbeginn Tom Schneeman abgelöst hatte, jedoch ernüchternd. Das Hinspiel gegen den belgischen Cupgewinner Racing Mechelen wurde vor nur 600 Zuschauern trotz 67:58-Führung und 27 Punkten von Calvin Oldham mit 83:85 verloren. Bei der 74:105-Schlappe im Rückspiel waren die Bayreuther gegen die kantigen Belgier chancenlos.

Trainerwechsel nach Ende der Saison

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison zeichneten sich Gräben zwischen den Spielern und Trainer Trealor ab. „Das Training war eintönig, und menschlich hat die Chemie überhaupt nicht gestimmt“, erinnert sich Froese, der als Kapitän deswegen mehrfach bei der Vereinsführung vorstellig wurde. Die scheute jedoch einen Trainerwechsel. Erst nach Ende der enttäuschenden Saison mit dem Aus in der ersten Pokalrunde in Bamberg und im Playoff-Viertelfinale gegen Außenseiter Gießen musste der Amerikaner gehen.

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