Unbedingt Abitur machen
Mit ihr in eine Klasse auf dem M-Zweig sind Diana Rechtacek und Sebastian Thiem aus Kirchenthumbach gegangen. „Es war eine angenehme Jugend“, erinnern sie sich. Nach dem mittleren Abschluss hat Rechtacek am Klinikum Bayreuth eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester gemacht. Nicht, was sie unbedingt wollte, aber es war damals einer der Standardberufe, sagt sie. Sie wollte unbedingt das Abitur machen, um dann studieren zu können. Und so ging sie auf die BOS, machte 2007 ihren Abschluss. Danach arbeitete sie zwei Jahre bei einem ambulanten Intensivpflegedienst, bevor sie in Nürnberg ein Architekturstudium begann. Den Bachelor hat sie schon, zurzeit steht sie anderthalb Semester vor dem Master. Nach dem ersten Semester kam ihr Sohn Hannes zur Welt. Rechtacek nahm ein Jahr Elternzeit, dann kam Hannes in die Krippe. Seit zwei Jahren geht er nun in den Kindergarten.
Anspruch an sich selbst senken
Warum hat sie sich für das Architekturstudium entschieden? „Die Struktur und Organisation haben mich gereizt, es geht nach Plan“, sagt die 30-Jährige. Als Krankenschwester musste sie flexibler sein. Einen Plan braucht sie für ihr ganzes Leben und Disziplin. Vor neun Wochen wurden die Zwillinge Hilda und Anna geboren. „Man muss den Anspruch an sich selbst senken“, nennt sie es. Aber sie würde es nicht anders haben wollen. Auch das tägliche Pendeln nach Nürnberg stört sie nicht. Während der Fahrt bekomme man den Kopf frei, sagt sie. Jetzt macht sie noch ein Jahr Elternzeit, sie will ihre Mädchen ja auch aufwachsen sehen. Die ersten acht Wochen war ihr Lebensgefährte Sebastian Thiem zu Hause.
Der 30-Jährige machte nach dem M-Abschluss eine Lehre als Bankkaufmann. „Das war nicht mein Ziel, eigentlich hätte ich lieber etwas Kaufmännisches gemacht“, sagt er. Und so absolvierte er zumindest seinen Industriefachwirt, mit dem er auch die Hochschulzugangsberechtigung erhielt und ging dann zur KSB. Interessiert haben ihn aber schon immer die Geisteswissenschaften. Und so hat er vergangenes Jahr an der Fernuni Hagen begonnen, Geschichte – Militärgeschichte Ende des Mittelalters bis zum Zweiten Weltkrieg – und Germanistik zu studieren. „Als Brotberuf arbeite ich als Abteilungsleiter bei einem mittelständischen Unternehmen in der Oberpfalz, abends und am Wochenende studiere ich daheim“, erzählt er. Nur diese Fernuni bietet das Studium so an. Thiem schreibt auch noch Fachbeiträge zu den Waffen und hat schon zwei Bücher herausgegeben. „Das war zwar viel Arbeit, aber es macht mir halt Spaß“, so Thiem. Und darum ist das Studium für ihn auch keine Belastung. Insgesamt zehn Semester wird er bis zum Master brauchen.
Ergänzen sich gegenseitig
Kommt bei so viel Programm bei beiden das Privatleben nicht zu kurz? „Nein“, sagen Rechtacek und Thiem. Sie haben ähnliche Interessen, ergänzen sich gegenseitig. „Familie und Heim sind die Basis, aber ich weiß auch mein Ziel“, sagt Rechtacek. Nach dem Studium möchte sie noch eine Beamtenausbildung dranhängen und beim Stadtplanungsamt Nürnberg arbeiten. Das wäre der Idealfall. Ansonsten geht sie in ein Architekturbüro. „Das lasse ich auf mich zukommen“, sagt sie. Mit genug Struktur geht das alles. Jeder von ihnen wusste, was er investieren muss. Beide finden, dass sich die heutigen Schüler schon viel zu früh für eine weiterführende Schule entscheiden müssen. Die Weichen werden zu bald gestellt. Und am Gymnasium müsse zu viel gelernt werden, es fehlt an der Praxis. Da habe man nicht viel von der Kindheit gehabt. Die „reinen“ Studenten seien oft realitätsfern.