Zweites Leben nach dem Blutkrebs

Von Peter Rauscher
Sehen optimistisch in die Zukunft (von links): Chefarzt Prof. Dr. Alexander Kiani, Sabine Beinhauer-Martin, ihr vor kurzem noch schwer kranker Mann Michael und Psychoonkologin Ulrike Praetz, Foto: Andreas Harbach Foto: red

Weltweit erkranken nach Angaben der Welt-Krebsorganisation UICC jedes Jahr mehr als zwölf Millionen Menschen an Krebs, etwa acht Millionen sterben an den Folgen. Aber im Kampf gegen den Krebs gibt es auch viele Erfolgsgeschichten. Eine davon erzählen wir anlässlich des Weltkrebstages am kommenden Sonntag.

 
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Michael Beinhauer hat  lange gezögert, zum Arzt zu gehen. Wegen jeder Kleinigkeit war der Eckersdorfer außer Atem, schob es aber zunächst auf ein Virus. Als er kurz vor Ostern 2016 auf Drängen seiner Frau Sabine endlich den Hausarzt aufsucht, kommt es Schlag auf Schlag. Weil Beinhauer telefonisch nicht erreichbar ist, drängt ihn sein Hausarzt per Facebook-Nachricht am nächsten Tag, sofort ins Krankenhaus zu gehen. Der Hb-Wert für die roten Blutkörperchen ist gefährlich niedrig.

Das Ehepaar, das gerade die Enkeltochter betreut, eilt mitsamt dem Kind zur Notaufnahme, dort gibt es sofort Blutkonserven. Nach einer Knochenmarkspunktion trifft ihn die Diagnose „wie der Schlag mit einer Dampframme“, erinnert sich der heute 49-Jährige: Leukämie, noch dazu eine extrem seltene Form.

Extrem seltene Form

In ganz Deutschland sind nur 33 Fälle dieser Prolymphozytenleukämie (T-PLL)  bekannt, sagt Prof. Dr. Alexander Kiani, Chefarzt und Leiter des Onkologischen Zentrums am Klinikum Bayreuth. Auf die Spur der Killerzellen sei er dank einer sehr speziellen Diagnostik gekommen, mit einer genauen Untersuchung von Zellen und Genen. Am Onkologischen Zentrum profitieren Krebspatienten vom geballten Wissen der Fachleute vor Ort und einem weit verzweigten Netzwerk. Alle Fälle werden in einer Tumorkonferenz mit rund 20 Experten besprochen, die Diagnose und Behandlung festlegen, erläutert Kiani. „Das ist extrem wichtig.“ Dabei gehe es auch um Fragen wie Ernährung und psychoonkologische Betreuung. Im Fall von Michael Beinhauer sei anfangs nicht klar gewesen, ob er daran sterben muss. Aber er hat Riesenglück im Unglück: „Kiani hat mir gesagt, die Krankheit ist prinzipiell heilbar. Das war für mich wie ein Sechser im Lotto“, sagt Beinhauer.

Wie in einem Tunnel

Für den Patienten beginnt ein dramatisches Auf und Ab. „Die Hoffnung, wieder ganz gesund werden zu können, war mein Rettungsanker. Mir war immer klar: Das geht gut aus,“ sagt Beinhauer. Zweifel drückt er weg, auch seiner Frau zuliebe. Schon ihr Vater war an Krebs gestorben, auf derselben Station wie er liegt nun ihr Mann Michael. „Als ich das am Tag nach der Einlieferung sah, wusste ich, dass er schwer krank war“, sagt sie. „Danach war ich wie in einem Tunnel, alles war unwirklich." Zuhause habe sie nächtelang nicht geschlafen, viel geweint. Besucht sie ihren Mann, will sie stark sein für ihn, doch er durchschaut ihr Schauspiel.

Psychoonkologischer Dienst aufgestockt

Die Ehefrau war noch im Schockzustand, als der Mann schon wieder Hoffnung geschöpft hatte, sagt Ulrike Praetz. In dem Moment war er der Starke, der die Schwache stützt. In anderen Fällen, wenn der Patient gerade Rückschläge erlitten hat, sei es auch umgekehrt. Praetz arbeitet für den psychoonkologischen Dienst am Klinikum, der im Zuge des Aufbaus des Onkologischen Zentrums von einer halben auf fast drei Stellen aufgestockt wurde. Die Psychologen sprechen mit Patienten und Angehörigen, die anfangs oft gar nicht über ihre Krankheit sprechen können. „Wir wollen den Menschen ihre Hilflosigkeit nehmen, sie aktivieren“, sagt sie. Aber nicht mit klugen Ratschlägen, sondern, indem sie ihre Gesprächspartner eigene Strategien im Umgang mit der Krankheit finden lassen. Indem sie erkennen, dass ein offener Umgang mit der Krankheit und ein offenes Gespräche mit Angehörigen helfen können. Beinhauer sagt: „Ulrike Praetz war immer genau dann für mich da, wenn ich sie gerade brauchte.“

Extremer Schüttelfrost

Und er braucht sie mehrmals, weil auch er Rückschläge verkraften muss. Die verabreichten Antikörper, die die Tumorzellen bekämpfen, wirken, doch leidet er wegen allergischer Reaktionen unter extremem Schüttelfrost. Aber erneut hat er Glück: Nur fünf Wochen nach seiner Typisierung wird ein geeigneter Stammzellenspender gefunden. Zuvor aber muss er Chemotherapie, Bestrahlung und das Runterfahren des Immunsystems an der Uniklinik in Erlangen über sich ergehen lassen. Eine extreme Belastung, sogar die Mundschleimhäute lösen sich ab. Dann erst werden die rettenden Stammzellen ins Blut übertragen. „Das war im September 2016 - mein zweiter Geburtstag“, sagt Beinhauer.

Die Zeit läuft für ihn

Seit damals ist der 49-Jährige krebsfrei, die Arbeit am Schreibtisch hat er wieder aufgenommen. Für eine völlige Entwarnung ist es noch zu früh, sagt sein Arzt Kiani, aber: „Je mehr Zeit seit der Transplantation verstreicht, desto größer sind die Heilungschancen. Wir sind sehr optimistisch.“ Der Fall Beinhauers sei extrem positiv verlaufen. Eine Frau mit einer anderen Form von Leukämie, die Beinhauer am Klinikum kennengelernt hat, ist bereits gestorben.

Infotag am Klinikum

Leben mit und nach Krebs ist das Thema eines Infotages am Klinikum Bayreuth am Samstag, 3. Februar. Hier das Programm:

10 Uhr: Begrüßung durch Prof. Dr. Alexander Kiani, Chefarzt und Leiter des Onkologischen Zentrums.

10.10 Uhr:  Schmerzen und Symptomkontrolle in der letzten Lebensphase, Susanne Dietze (Oberärztin Palliativstation)

10.40 Uhr: Ernährung bei Krebs, Kerstin Geigenmüller

11.10 Uhr: Komplementäre/Integrative Medizin Dr. Bernd Linsmeier (Sektionsleiter Thoraxchirurgie)

11.30 Uhr: Krebserkrankung und Familie, Daniel Schumacher (Psychoonkologischer Dienst)

12.30 Uhr: Krebsbehandlung 2018: Was gibt es Neues?, Alexander Kiani

12.50 Uhr: Sport und Krebs: Was ist bekannt? Dr. Armin A. Leitner (Leitender Oberarzt Klinik Onkologie und Hämatologie) Welche Angebote gibt es?  Alexandra Feger, Norbert Horn (Selbsthilfegruppe "einfach jetzt")

14 Uhr: Port-Workshop, Handhabung und Pflege von Portkathetern Dazu mehrere Informationsstände

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