Tschechischer Konsul schaut sich Fabrik an Zwangsarbeiter: Gedenktafel bleibt aktuell

Von Peter Engelbrecht
 Foto: red

Das Thema, eine Gedenktafel an der früheren Rüstungsfabrik von Carl Tabel anzubringen, sei nach wie vor aktuell. Das sagte Bürgermeister Martin Dannhäußer (Freie Wähler) bei einem Besuch des tschechischen Generalkonsuls aus München, Milan Coupek, in Creußen. Im Metallwerk Tabel hatten während des Zweiten Weltkrieges laut Archivunterlagen rund 1160 Zwangsarbeiter für die Rüstungsproduktion schuften müssen.

 
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In der Diskussion sei derzeit, ob mit der Gedenktafel nur an die NS-Vergangenheit oder an die gesamte Geschichte des Areals und deren Nachfolgenutzungen erinnert werden soll. Dannhäußer nannte es „wahrscheinlich“, eine Gesamtdarstellung der Fabrik auf einer Tafel anzubringen.

Erika Kalkofen-Frahne aus Dortmund hatte den Besuch des Generalkonsuls angeregt. Ihr Großvater Franz Frank wurde 1942 von den Nationalsozialisten aus politischen Gründen unter anderem im Zuchthaus Bayreuth inhaftiert und musste von Oktober 1943 bis August 1944 bei Tabel Fronarbeit leisten. Der Kommunist war im grenzüberschreitenden Widerstand tätig. Die Enkeltochter hatte Creußen erstmals im Juli 2016 besucht, um sich die fünf großen Hallen auf dem früheren Suspagelände anzuschauen. Sie wurden 1943/44 für die Rüstungsproduktion errichtet.

Erinnerungsort Creußen

Kalkofen-Frahne geht davon aus, dass noch mehr Nachfahren den „Erinnerungsort“ in Creußen aufsuchen werden. „Ich hoffe, dass man an die Zwangsarbeiter in Form einer Gedenktafel erinnert“, sagte sie beim Empfang im Rathaus. Ihr sei an keiner Polarisierung gelegen, „aber eine Würdigung des damaligen Geschehens muss möglich sein.“ Vorstellbar sei, den Inhalt einer Gedenktafel über ein deutsch-tschechisches Jugendprojekt zu erarbeiten.

Die rund 20 Teilnehmer, darunter auch Zweiter und Dritter Bürgermeister Erwin Morba und Georg Freiberger sowie einige Stadträte hatten sich gemeinsam mit dem Generalkonsul sowohl zwei der damals gebauten Hallen als auch das unterhalb liegende Gelände auf dem Thietmarplatz angeschaut. Dort befanden sich fünf große Unterkunftsbaracken für die Zwangsarbeiter, umsäumt von einem doppelten, 2,20 Meter hohen Stacheldrahtzaun.

Vertriebene nach Kriegsende

In dem Lager waren nach Ende des Zweiten Weltkrieges Vertriebene untergebracht, Dannhäußer bezifferte deren Zahl auf 1600 bis 2000 Männer, Frauen und Kinder. Die deutsch-tschechischen Beziehungen seien sehr lange durch Krieg und Vertreibung stark belastet gewesen, sagte Generalkonsul Coupek. Auf beiden Seiten habe es Vorurteile gegeben. Doch heute müsse sich die Zusammenarbeit an der Zukunft orientieren, gleichzeitig sollte die gemeinsame Geschichte aufgearbeitet werden.

Dostal auf einer Wellenlänge mit dem Konsul

Seine Aussage, „Wir müssen alles dafür tun, dass sich dies nicht wiederholt“, stieß auf allgemeine Zustimmung. Der Diplomat regte gemeinsame Projekte von jungen Menschen beider Länder an. Als Historiker zeigte sich Coupek, der das erste mal in Creußen war, an dem Thema sehr interessiert. Er war überrascht, dass hier rund 600 tschechische Zwangsarbeiter eingesetzt waren.

Einer der Vertriebenen, der frühere Zweite Bürgermeister Josef Dostal, erläuterte dem Gast anhand von Fotos das Barackenlager, das später abgerissen und bebaut wurde. Auch Dostal war hier mit seiner Familie auf engstem Raum untergebracht. Bereits in den 70er Jahren seien frühere tschechische Zwangsarbeiter mit dem Bus nach Creußen gekommen, um sich umzuschauen. Sie seien von ihm und anderen Stadträten freundlich aufgenommen worden. Zwangsarbeiter und Vertriebene hätten ein schweres Schicksal gehabt, sagte Dostal, der aus Wachtl im Sudetenland kommt. Mit Generalkonsul Coupek verbinde ihn, Dostal, die „gleiche Wellenlänge“.

Jugendprojekt „Freundschaft ohne Grenzen“

Creußen könne sich an dem derzeit laufenden Jugendprojekt „Freundschaften ohne Grenzen“ beteiligen, regte Franz Stopfer, Geschäftsführer des Bezirksjugendrings in Bayreuth, an. Erinnerungsarbeit sei dabei ein Schwerpunkt. Nach Aussage von Marianne Abel wird bei Stadtführungen auch auf die Bereiche Zwangsarbeit und Rüstungsfabrik eingegangen. Ihr Großvater, Pfarrer Ernst Rohmer, habe Widerstand gegen den NSDAP-Ortsgruppenleiter und -Bürgermeister Carl Tabel geleistet und sei von der Verhaftung bedroht gewesen. Er sei verurteilt worden, doch das Kriegsende verschonte ihn vor dem Haftantritt.

Stadtrat Willibald König-Zeußel hielt es mit Blick auf die NS-Zeit für notwendig, „alles zu tun, damit so etwas nie wieder passiert“. Das alleinige Aufhängen einer Gedenktafel reiche nicht aus.

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