Zittern vor den Eisheiligen

Von Ralf Münch
Der Vorsitzende des Pegnitzer Kleingärtnervereins, Jürgen Wolf. Foto: Ralf Münch Foto: red

Eigentlich sollte man vor Heiligen nicht unbedingt Angst haben müssen. Manchmal dann doch. Besonders wenn es Gärtner oder Obst- und Gemüsebauern sind. Die zittern vor den Eisheiligen, die direkt vor der Tür stehen.

 
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 Am 11. Mai gibt sich Mammertus die Ehre, am 12. Mai stellt sich Pankratius vor. Einen Tag später ist Servatius dran, gefolgt von Bonifazius. Das Ende macht schließlich Sophie am 15. Mai - die kalte und wohl bekannteste. Die Heiligen sind so berüchtigt, dass jedem einzelnen sogar Bauernregeln gewidmet sind: Wenn´s an Pankratius friert, so wird viel im Garten ruiniert. Servaz muss vorbei sein, willst vor Nachtfrost sicher sein. Vor Bonifaz kein Sommer, nach der Sophie kein Frost oder Vor Nachtfrost bist Du sicher nicht - bis Sophie vorüber ist.

Eisheilige immer eher im Jahr

 Sind diese Bauernregeln dank des Klimawandels nicht längst überholt. Gibt es die tatsächlich noch? Müssen die Landwirte und Hobbygärtner eigentlich immer noch zittern vor den berüchtigten Herren und der einzigen Dame der illustren Runde? "Ja" sagt der Pegnitzer Wetterbeobachter Helmut Strobel. Allerdings hat er eines festgestellt. Und zwar, dass sich die Eisheiligen in den vergangenen 30 Jahren im Durchschnitt immer mehr nach vorne, Ende April, Anfang Mai, verlagert haben. Vielleicht waren es bereits die Eisheiligen, als es in diesem Jahr Ende April einen massiven Kälteeinbruch, der vielerorts für massive Schäden an Obstkulturen und Rebstöcken sorgte. Als die Landwirte, die ihren Lebensunterhalt mit Obst verdienen, mit Fackeln unter den Bäumen oder mit einem Eispanzer um den Blüten versuchten wenigstens etwas zu retten.

Unberechenbares Wetter

Strobel weiß, dass das Wetter unberechenbar ist, als er Fakten heraussucht. Und er zeigt einige Zahlen, die einem den Schweiß auf die Stirn treiben oder einen zittern lassen: Am 12. Mai 2015 hatten wir sage und schreibe 26,4 Grad - perfektes Badehosen- und Bikiniwetter. Getoppt wird diese Temperatur allerdings vom 12. Mai 1998. An diesem Tag zeigte das Thermometer satte 30,4 Grad. Es war der wärmste Eisheilige seit den Wetteraufzeichnungen von 1851. Strobel: "Manchmal kann man eher Schweißheilige als Eisheilige sagen." Das krasse Gegenteil am 14. Mai 2012: Der Wetterbeobachter hatte in einer Normhöhe von zwei Metern über dem Boden minus 2,3 Grad gemessen. Der kälteste war am 12. Mai 1955, als mitten im Frühling Pankratius das Thermometer auf minus 2,8 Grad sinken ließ. Der letzte Eisheilige, den es in Pegnitz gab war am 13. Mai 2013. Da gab es einen Bodenfrost mit minus 1,2 Grad. Also kein Grund zur Sorge? Strobel: "Das kann man so nicht sagen. Es gibt immer wieder Ausreißer außerhalb der Eisheiligen. Und er belegt es auch mit einem wirklich heftigen Beispiel aus dem Jahr 1880 am 20. Mai: Minus 5,2 Grad zeigte das Thermometer. "Es ist überliefert, dass komplette Ernten vernichtet wurden. Die Missernte führte zur einer Nahrungsmittelknappheit, das Volk hungerte. Strobel: "Das ist zwar eine absolute Seltenheit, passieren kann es aber dennoch."

Ein ernstes Problem

Auf die Frage, ob es heutzutage Humbug ist, noch an die Eisheiligen zu glauben, hat der Fachbereichsleiter für Gartenbau und Landschaftspflege beim Landratsamt Bayreuth, Hubertus Adam, eine ganz klare Meinung: "Das war noch nie Humbug, und es ist auch keiner. Das ist für Leute, die von ihren erzeugten Produkten leben müssen, ein ernstes Problem." Gerade bei Tomaten-, Gurken- oder Bohnenpflänzchen, die schon bei plus zwei bis drei Grad ihre Probleme haben, sei es völlig falsch, die jetzt schon raus zu pflanzen. Seiner Erfahrung nach kommen die Eisheiligen zu zwei Dritteln. Zwar nicht immer zum eigentlich Datum, sondern eher vorgezogen, aber "so oder so". Und wer denkt, man könne jetzt schon seine Geranien rausstellen, obwohl die bereits seit Mitte April von Gärtnereien oder Baumärkten verkauft werden, der sollte das lieber lassen. Auch die mögen keine kalten Temperaturen.

An die Bauernregeln halten

Jürgen Wolf ist Vorsitzender des Pegnitzer Kleingärtnervereins. Als er eine Runde durch die Kleingärten macht sagt er: "Man kann es ja sehen. Keiner hier ist bisher auf die Idee gekommen, Gurken oder Bohnen in die Beete zu pflanzen. Wir wissen hier alle, dass das fatal sein könnte. Wir halten uns da schon an die Bauernregeln." Ihm selber ist es schon passiert, dass einer der Heiligen rund 30 Tomatenpflanzen, die er auf seiner Fensterbank angezüchtet hat und dann ins Freie pflanzte, kaputt gemacht hat. Immerhin besitzt er ein kleines Gewächshaus. Dort hat er bereits Salat, der niedrige Temperaturen verträgt, angepflanzt. Und ein paar Gurken. "Man muss dann aber immer den Wetterbericht im Auge behalten. Wenn es tatsächlich noch Nachtfröste geben sollte, kann man die empfindlichen Pflanzen etwa mit einem Plastikeimer oder Plastikfolie abdecken oder Kerzen in das Gewächshaus stellen. Das wärmt dann auch schon", so Wolf. Seiner Meinung nach haben die frühlingshaften Temperaturen, die man bereits Mitte März hatte, viele Leute euphorisch in die Gärten getrieben - trügerisch und viel zu früh, zumindest wenn es um empfindliche Pflanzen geht.

   

               

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