Der Verteidiger glaubt an eine Inszenierung und greift auch die zweite Belastungszeugin an Zeugin kommt in Sexprozess das Kotzen

Von Manfred Scherer
Verteidiger wittert eine "Inszenierung". Foto: Archiv Foto: red

Eine Frau schildert vor Gericht eine üble Vergewaltigung, bricht ab und rennt zur Toilette. Ihre Mutter zieht wenig später eine schlimme Bilanz: Sie hat ihre Tochter nicht schützen können. Vor dem Vater, ihrem Ehemann, dem angeblichen Sex-Monster. Ist es möglich, dass sie ein Komplott geschmiedet haben, um einen erfolgreichen Mann für lange Zeit in den Knast zu bringen?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der unter anderem wegen Serienvergewaltigung angeklagte 71-Jährige ist am Dienstag im Bayreuther Landgericht von seiner Ex-Frau belastet worden. Die nach einem Unfall körperlich schwer behinderte Frau berichtete, der Angeklagte habe sie im Jahr 2010 sexuell missbraucht.

Die Tochter hatte den Vater schwer belastet

Die 69-jährige Zeugin ist die Mutter des mutmaßlichen Hauptopfers, einer 47-Jährigen. Die hatte, wie berichtet, ihren Vater an den ersten beiden Verhandlungstagen schwer belastet: Er habe sie missbraucht, seit sie ein Kind war. Die Staatsanwaltschaft legt dem Mann 23 Vergewaltigungen seiner Tochter zur Last, dazu den Übergriff auf seine Ex-Frau, überdies Missbrauchstaten an seinen beiden Enkelinnen und einer Freundin der Mädchen.

Wie glaubwürdig sind die Aussagen der Zeuginnen?

Wie berichtet, schweigt der Angeklagte zu den Vorwürfen. Er lässt seinen Anwalt für sich kämpfen. Der Strafverteidiger Johann Schwenn, aber auch alle anderen Prozessbeteiligten, müssen sich in diesem Prozess mit dem Problem vieler Vergewaltigungsverfahren herumschlagen: Ein Schuldspruch ist nur möglich, wenn die Aussagen der mutmaßlichen Opfer glaubwürdig sind.

Quälende Fragerunden für die Zeuginnen

Deshalb bestehen solche Prozesse aus quälenden Fragerunden, quälend vor allem für die möglichen Opfer. Auf der Suche nach der Motivation für die Beschuldigungen müssen Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwälte tief im Seelenleben der Belastungszeugen graben. In der Vergangenheit wühlen. Aber auch die Gegenwart durchforsten nach Widersprüchen, Hinweisen, die für oder gegen die Glaubwürdigkeit sprechen könnten.

Der Verteidiger meint: Belastungsmotiv ist Geldgier

Der Verteidiger Schwenn will bei der Hauptzeugin ein mögliches Belastungsmotiv entdeckt haben: Geldgier. Tatsächlich streitet sich die 47-Jährige, wie berichtet, mit ihrem Ehemann vor Gericht. Um viel Geld. Der Ehemann ist Chef eines Unternehmens in der Region, das dem Angeklagten gehört. Der Ehemann, so sagt die Mutter des Hauptopfers, hat sich auf die Seite seines Schwiegervaters geschlagen. „Ihr macht meine Existenz kaputt“, soll er gesagt haben, nachdem die Frauen den Patriarchen angezeigt hatten.

Zwei Beobachterinnen beim Toilettengang

Die 47-jährige Hauptzeugin befindet sich noch immer im Zeugenstand. Am dritten Verhandlungstag am Dienstag sollte die Frau berichten, was die Folge ihres Aufbegehrens gegen den Vater für ihre Ehe war: Sie berichtete, dass ihr Ehemann ihrem Vater immer ähnlicher geworden sei. Dass ihr Ehemann sie ebenfalls vergewaltigt habe. Während der Schilderung eilte die Zeugin zweimal zur Toilette. „Ihr ist schlecht, sie muss sich übergeben“, erklärte ihre Anwältin Kristina von Imhoff. Auf den Hinweis von Verteidiger Schwenn, dies sei eine „Inszenierung“ schickte der Gerichtsvorsitzende Michael Eckstein die Nebenklageanwältin und die Glaubwürdigkeitsgutachterin mit aufs Klo. Beide berichteten, sie hätten auf der Gerichtstoilette geringe bräunliche Flecken gesehen. Die Vernehmung der Hauptzeugin wurde abgebrochen, sie ging am Nachmittag zum Arzt.

Die Mutter hat ein schlechtes Gewissen

Ihre Mutter berichtete, dass ihre Tochter ihr schon als Kind von Übergriffen des Vaters erzählt hatte und auch eine erste Vergewaltigung im Alter von 13. Man habe Rat bei einer Anwältin gesucht und von der den Hinweis bekommen: Aussage gegen Aussage, ihnen wird niemand glauben. Die Zeugin berichtete, dass der Angeklagte nach der Ehescheidung auf sein Recht zum Umgang mit der Tochter gepocht, sogar gedroht habe, sich das ganze Sorgerecht zu holen – mit dem Hinweis: „Mit Geld ist vieles möglich.“ Ihre Tochter sei völlig verstört gewesen, habe als Achtjährige wieder in die Hosen gemacht, oft gesagt: „Mama, ich will nicht mehr da hin.“ Jahre später sagt die Ex-Frau im Gericht: „Ich mache mir heute sehr große Vorwürfe. Hätte ich die Zeichen erkannt, wäre vieles nicht passiert.“

Die Zeugin ist in Augen des Verteidigers nicht glaubwürdig: Anhand alter Gerichtsberichte aus der Zeitung versucht er zu beweisen, dass die Frau als vorbestrafte Betrügerin anzusehen sei.

Ehemann lässt erklären: Ich wurde zu Unrecht bezichtigt

Der Ehemann der Hauptzeugin hat über seinen Anwalt eine Presseerklärung verbreiten lassen: Darin heißt es, er sei von seiner Frau zu unrecht der Vergewaltigung bezichtigt worden, entsprechende Verfahren habe die Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Ehemann lässt darin weiter erklären, seine Ehefrau habe ihm niemals von sexuellen Übergriffen seines Schwiegervaters berichtet. In dem Prozess werde er von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Der Erklärung beigefügt ist auch ein Schreiben, in dem ein zweiter Anwalt von dem Zivilrechtsstreit der Hauptzeugin mit ihrem Ehemann berichtet. Dort habe der Anwalt der Hauptzeugin in Aussicht gestellt, dass seine Mandantin für den Fall einer gütlichen Einigung von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. Gemeint sind aber möglicherweise die Vorwürfe gegen den Ehemann. Verteidiger Schwenn hatte zunächst gemutmaßt, die Hauptzeugin habe sich ihr Schweigen im Prozess gegen ihren Vater bezahlen lassen wollen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Bilder