Zeitreise im Iwalewahaus

Von Michael Weiser
Eine Pioniertat der Medienkunst: Theo Eshetus Videoinstallation "Till Death Us Do Apart". Foto: Michael Weiser Foto: red

Das Jahrzehnt, in dem alles möglich schien: Das Iwalewahaus erinnert mit einer sehenswerten Ausstellung an die 80er Jahre und damit auch an seine ersten Jahre.

 
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Theo Eshetu ist ein fast schon schmächtiger Mann mit jungenhaftem Wesen. Den 60. Geburtstag hat er vor einigen Tagen gefeiert, man sieht ihm dieses höhere mittlere Alter ebenso wenig an wie seinem Kunstwerk, das gerade im Iwalewahaus ausgestellt ist. Eine Videowand, 20 Bildschirme übereinander; ganz gegenwärtig wirkt das Werk mit dem Titel „Till Death Us Do Part“, dabei ist es eine Pionierleistung.1984 entstanden, erzählt es von den Wurzeln in verschiedenen Welten, und das auf eine Art und Weise, die seinerzeit noch ganz neu war. „Ich arbeitete mit dem Erfinder der Videowand zusammen“, sagt Eshetu, „ich war der Erste, der die Technik nutzen konnte.“

Eshetu, in London geboren, zeitweise in Äthiopien und dem damals noch existierenden Jugoslawien aufgewachsen, bevor er 1982 nach Rom zog, fragt in seinen Videosequenzen nicht nur ab, wie Afrika und seine Kultur etwa in Europa wahrgenommen wird, sondern forscht auch den Widersprüchen in der Identität des Menschen nach: Über wie viele Kulturen kann man sich eigentlich im Zeitalter der Globalisierung definieren?

Ziemlich schwer

Das Werk steht – weil zu schwer für die Statik des ersten Stocks – im Foyer. Es heischt leuchtend und verwirrend Aufmerksamkeit dort, wo der Besucher üblicherweise das Iwalewahaus betritt. Nicht nur deswegen ist es bestens zur Begrüßung zur Ausstellung „Feedback. Iwalewahaus and the 1980s“ geeignet: Es steht stellvertretend für die Fragen, die sich Künstler damals stellten und die sich das Iwalewahaus heute noch stellt.

Welches Bild machte man sich von sich selber, seiner Welt und von seiner Zukunft? Und wie sieht die Zukunft der 80er Jahre von heute betrachtet aus? Die Universität Bayreuth war gerade sechs Jahre alt geworden, da öffnete an der Münzgasse das Iwalewahaus seine Pforten. 1981 war das, mit seinem Gründungsdirektor Ulli Beier, dessen Anliegen noch fast vier Jahrzehnte später frisch wirkt. „Wir sind nicht auf der Suche nach einer ,vergangenen‘ oder ,unverfälschten‘ afrikanischen Kultur“, sagte er. Nachgehen wolle man eher der Frage, wie sehr sich afrikanische Kultur in der Wechselwirkung zum Beispiel mit europäischen Künstlern gewandelt habe.

Das „Iwalewa-Haus“ – in seinen ersten Jahren gern mit einem Bindestrich geschrieben, der heute nicht mehr üblich ist – nahm seinen Betrieb in Bayreuth zu einer besonders spannenden Zeit auf. Der Kalte Krieg ging in sein letztes Jahrzehnt, in Afrika nahmen die Spannungen nochmals zu. Die Erfahrung von Hunger, Krieg, Unruhen und Diktatur prägten viele Länder des Kontinents.

Auf der anderen Seite war da erstmals eine Zukunft zu erahnen: Ein Afrika länger schon frei von Kolonialmächten, bald aber auch von den beiden großen Blöcken. Eine Zeit der Utopien, der Hoffnung auch, schließlich begann sich in Südafrika das Ende der Apartheid abzuzeichnen. An diese Zukunftsperspektiven von damals erinnert sich das Iwalewahaus mit seiner bemerkenswerten Ausstellung.

Diese Ausstellung präsentiert erstmals Werke auch aus der Makerere Art Gallery – der wohl bedeutendsten institutionellen Kunstsammlung Afrikas – zeigt. Die Ausstellung wird von Ugochukwu-Smooth C. Nzewi vom Cleveland Museum of Art kuratiert.

Vielseitige Auswahl

Sogar für die Verhältnisse des Iwalewahauses ist die Ausstellung im ersten Stock vielseitig. Grafik, Malerei, Collagen und Assemblagen sind zu sehen, mit Werken von beeindruckender Qualität befragt das Haus sich und die Kunst, vor allem die Kunst aus Nigeria, Senegal, der Demokratischen Republik Kongo, Südafrika und Kenia. Das muss sich nicht notwendigerweise auf Kunst aus den 80er Jahren beschränken, vielmehr geben zeitgenössische Künstler ihre Antwort auf das Echo aus den 80ern: Ndidi Dike zum Beispiel zitiert und kombiniert die Zeichnungen von Obiora Udechukwu wirkungsvoll im Großformat auf Plexiglas.

Eine Höllenvision

Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist Muwonge Kyazze Mathias’ verstörendes Gemälde „Misfortune“. Im Zentrum des Bildes steht eine Figur, die den Menschen in Uganda in einem anderen Zusammenhang vertraut ist: Vom Unabhängigkeitsdenkmal in Kampala. Aus der Mutter, die strahlend ein Kind in die Sonne der Zukunft hält, ist ein Folteropfer geworden, das ein Knochenmann umfasst. Das Kind ist ihr aus dem Bauch geschnitten worden.

Mit Anklängen an mittelalterliche Höllenvisionen, Zitaten von Hieronymus Bosch und Kriegsszenen, die an George Grosz oder „Guernica“ von Picasso erinnern, ist es nicht nicht nur ein Panorama von 20 Jahren Bürgerkrieg und staatlicher Zerrüttung in Uganda, sondern auch ein Beleg für die vielen Wurzeln auch der Kultur in Afrika. „Es war eine Abschlussarbeit“, erklärte der Künstler bei einem Rundgang, es sei also schon auch darum gegangen zu zeigen, was man so draufhabe.

Am oberen Rand, wo in gletscherblauen Sphären der größtmögliche Abstand zum Höllenkreis unten erreicht ist, breitet ein Kranich frei seine Schwingen aus. Eine Anspielung auf ein Wappentier Ugandas. Und ein dezenter Hinweis darauf, dass sich in der Büchse der Pandora ganz zuunterst auch für Afrika die Hoffnung befindet.


Info: „Feedback: Art, Africa and the 1980s“; bis 30. September im Iwalewahaus