Wutanfall eines Möchtegern-Christen

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa/Archiv Foto: red

Er wäre so gerne ein Christ und kein Moslem mehr, sagt er. Er hat sich mit Zigarettenglut sogar ein Kreuz auf den Körper eingebrannt. Sein Glaube soll der Grund für die Flucht aus dem Iran nach Europa gewesen sein. Hier steht ein 18-Jähriger für eine unchristliche Tat vor Gericht: versuchten Totschlag. Und vom Psychiater kriegt er dies als Zeugnis: „Ein leicht entflammbarer junger Mann, der Konflikte tätlich löst.“

 
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Das zeigte sich auch am 17. Juli, kurz vor Mitternacht, in der Asylunterkunft in der Kulmbacher Pestalozzistraße und danach auf dem Revier der Kulmbacher Polizei in der Hardenbergstraße: Es brauchte fünf Polizisten, um des jungen Mannes Herr zu werden. Nachdem die ersten Streifenpolizisten ihn als Verdächtigen für einen Messerangriff gegen einen älteren Asylbewerber aus Afghanistan festgenommen hatten, leistete der 18-Jährige erheblichen Widerstand.

Gegenwehr und Schimpfworte für Polizisten

Die eingesetzten Polizisten berichteten vor Gericht als Zeugen, dass der Beschuldigte um sich getreten, gespuckt und wütend geschrien habe. Die Beamten beschimpfte er mit englischen Beleidigungen. Erst, als der an den Händen bereits gefesselte junge Mann, auch noch Fußfesseln verpasst bekam, konnten ihn die Polizisten in die Zelle bringen – sie mussten ihn hineinschleifen.

Der 18-Jährige hatte mit einem Landsmann gemeinsam eine Flasche Tequila geleert. Als das Opfer, ein wesentlich älterer Mann aus Afghanistan dazu stieß, kam es zum Streit. Im Verlauf des Streits, so berichten es Tatzeugen und Opfer, griff sich der Angeklagte ein am Tisch liegendes Messer und griff den Afghanen an. Der Trinkpartner des 18-jährigen Angeklagten stellte sich dazwischen, zwei Stiche in Richtung des Afghanen gingen ins Leere. Ein dritter Stich traf den Mann zwischen Schulter und Achsel und war zum Glück nicht lebensgefährlich. Der Afghane, der in seiner Heimat Polizist gewesen sein will, berichtete: Kurz vor dem Stich habe er zur Verteidigung den Messerarm zur Seite gedrückt, sich selbst weggedreht und den Angreifer in den Schwitzkasten genommen.

Hierin könnte eine von dem Angeklagten bestrittene Tötungsabsicht begründet liegen, denn es stellt sich die Frage: Was wäre passiert, wenn der Attackierte sich nicht gewehrt und bewegt hätte?

Hass auf den Muslim als Motiv?

Und es stellt sich die Frage nach dem Motiv. Die Polizisten konnten während ihres Kampfes mit dem Festgenommenen mehrfach hören, wie dieser mit Schaum vorm Mund rief: „Fuck this Muslim.“ Ein Streit um „etwas Religiöses“ also, wie Verteidiger Alexander Schmidtgall mutmaßt?

Psychiater Volkmar Blendl führte dazu nichts aus: Aus seiner Sicht ist der Heranwachsende voll schuldfähig, wenngleich der im Tatabend getrunkene Alkohol bei der Aggression des Angeklagten eine beschleunigende Wirkung gehabt haben dürfte.


Plädoyers und Urteil in dem Fall soll es am Mittwoch geben.

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