Bayreuth, das ist vor allem ein großes Versprechen. Das Versprechen, dass hierher die Besten der Besten kommen und eine geradezu unverschämt hohe Qualität abliefern. „Immer noch“, sagt man inzwischen gern dazu. Gehalten wird dieses Versprechen nicht immer, es besteht aber nach wie vor.
Dass auch ein „Rienzi“ in der Oberfrankenhalle diesen Erwartungen standhalten muss, ist nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Trotz all der Widrigkeiten.
Aber leider hält er nicht stand.
Viel fehlt nicht
Viel fehlt nicht. Nur ein bisschen Wagemut – auf der Bühne und auch in der Musik. Wenn Christian Thielemann schon in Bayreuth (!) die „Rienzi“-Ouvertüre dirigiert: dann hätte man doch gern ein bisschen mehr Bombast, ein bisschen mehr Pomp; soll er doch einfach mal austesten, was dieses Orchester kann, was diese Halle so aushält. Kaum eine andere Stelle bei Wagner lädt ja so sehr ein, sich hemmungslos daran zu besaufen, wie diese Ouvertüre mit ihren vier mal vier Takte langen Anfangsthema, das sich viel, viel später als das letzte Gebet Rienzis entpuppen wird. Ein bisschen mehr Wucht hätt’s da schon sein dürfen. Und dieser Moment ist symptomatisch für den Abend, nicht nur musikalisch.
Wenn schon die Festspiele im Wagnerjahr den Hügel verlassen, wenn sie sich schon mit Kollegen aus Leipzig zusammentun und sich – ganz nah dran an Wagners Vision – „ein rohes Theater aus Brettern und Balken“ bauen, zwar nicht wie von Wagner erträumt „auf eine schöne Wiese bei der Stadt“, sondern an einen ähnlich unwirtlichen Ort, nämlich in eine Mehrzweckhalle hinein; wenn schon die fähigsten Bühnentechniker des Landes in diese Halle eine Opernbühne hinein zimmern, die weit mehr kann als nur eine Dekoration und einen Chor zu tragen: Wenn man sich schon auf die Unmöglichkeit dieses Unterfangens einlässt, dann soll man es dabei nicht bewenden lassen. Wenn das alles geht, dann muss auch noch ein bisschen mehr gehen. Mehr Deutung zum Beispiel.
„Rienzi“ ist die Geschichte eines Mannes, der sich mit dem, was er für richtig hält, erst ins Licht befördert und dann in den Schatten. Erst lieben ihn die Massen, dann schlägt die Stimmung um, und er bemerkt dies erst, als es schon zu spät ist. Man kann mit dieser Geschichte die deutsche Vergangenheit nacherzählen; das ist oft gemacht worden, und deshalb leuchtet es sofort ein, wenn einer das jetzt mal nicht so zeigen will
Wie ein naives Gemälde
Nach diesem Abend zeigt sich aber: Einen Schritt hätte man gehen müssen. In welche Richtung auch immer. Alles offen zu lassen und die Handlung wie ein naives Gemälde auf die Bühne zu stellen, überraschungslos – dafür fehlt es dem Stück dann doch zu sehr an Tempo und Bewegung. Wie leider auch Jennifer Wilson als Irene, die sich stimmlich zwar schlagkräftig zeigte, aber nicht ihren besten Abend erwischt hatte.
Das Bühnenbild Matthias Lipperts bot für die Regie auch allerhand Spielraum: Lippert zeigte eine Minimalversion des mittelalterlichen Roms. Ein Kolosseum, das sich in der Mitte teilt, eine meterhohe Pinie, zwei schwenkbare Plattformen für den Chor, sehr interessante Spiegelungen der Halle im Bühnenbild (es geht ja um die Gewalt des Volkes, da ist eine Sporthalle sehr gut verwendbar). Allein: Dass dieses Bühnenbild überhaupt dort stehen konnte, wo es stand, ist – ohne Bühnenmaschinerie, ohne Schnürboden, Unterbühne und alles andere – eine kleine Sensation.
Das alles hätte es aber gar nicht gebraucht. Denn Regisseur Stegmann macht sich den Bühnenzauber nicht zu Nutze. Es gibt ein paar hübsche Momente – etwa dann, wenn Rienzi von seinen Widersachern bedrohlich langsam rasiert wird. Davon abgesehen bleibt die Inszenierung überraschungslos. Das gilt auch musikalisch; über weite Strecken hält Thielemann den Abend zusammen; routiniert und sängerfreundlich, aber eben auch ohne überdurchschnittlich viel Esprit. Und dafür, dass bei Stegmann der Chor – das Volk – die beinahe wichtigste Rolle spielt, weiß er sehr wenig mit ihm anzufangen. Mal haben die Sänger Leuchtstäbe in der Hand, mal müssen sie alle mit dem Finger auf Rienzi zeigen. Am Ende stirbt Rienzi unsichtbar im Getümmel, der Chor steht mit kollektiv empor gereckten Händen da und versinkt im grell zuckenden Flammenmeer. Das war’s.
Halle oder Produktion?
War es die Oberfrankenhalle, die die Produktion so sehr einschränkte, dass bei all dem Aufwand nur so viel – und nicht mehr – möglich war? Dann wäre damit bewiesen, dass die Halle der falsche Ort für Oper ist. Oder es ist nicht die Halle, und das provisorisch eingebaute Opernhaus ist tragfähig genug. Dann liegt es an der Produktion.
Für die Sänger gab es freundlichen Applaus, Jubel für die Musiker unter Christian Thielemann.
Das Regieteam wurde emotionslos verabschiedet – mit Applaus, aber ohne weitere Reaktion.
Ein Triumph war dieser Abend wirklich nicht.
Weitere Termine: 10. und 13. Juli, 17 Uhr.