Wo Nadeln und Wickel heilen helfen

Von Peter Rauscher

Er ist der „Verrückte mit den Nadeln“. So nannten ihn Ärztekollegen an den Krankenhäusern in Kutzenberg, Coburg und Sonneberg, wo er arbeitete, bevor er vor gut einem Jahr ans Klinikum Bayreuth wechselte. Dort ist Dr. Bernd Linsmeier jetzt Leitender Oberarzt an der Thoraxchirurgie. An der Nadel hängt er hier gewissermaßen immer noch.

 
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Denn Linsmeier hat neben seinem Facharzt für Allgemeine Chirurgie, Thoraxchirurgie und Notfallmedizin auch noch den für Naturheilverfahren aufzuweisen. Naturheilverfahren in einer Abteilung mit schwer Lungenkranken? Linsmeier kennt die Frage, und nein: Er ist kein Wunderheiler, der mit Kräutersalben Operationen überflüssig machen kann. Aber: „Schulmedizin und Naturheilverfahren sind keine Gegensätze, sie ergänzen sich“, sagt er. Komplementäre Medizin nennt man das.

Weniger Schmerz- und Beruhigungsmittel

Was er und sein Kollege Dr. Christoph Erdmann damit erreichen wollen: Die schwer kranken Patienten sollen sich besser entspannen können, sollen sich beruhigen, sollen weniger Schmerz empfinden. Sie brauchen dann weniger Schmerz- und Beruhigungsmittel mit all ihren Nebenwirkungen. „Das ist ein Ansatz, in dem nicht nur das kranke Organ behandelt, sondern der Patient als Ganzes gesehen wird und Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden sollen“, sagt Erdmann. Jede Therapie werde individuell auf den Patienten zugeschnitten. Laut Umfragen würden 60 Prozent der Patienten diese Behandlungsweise der so genannten integrativen Medizin bevorzugen.

Weiterbildung für andere Ärzte

Die Naturheilverfahren bieten eine Fülle von Varianten an. Die von Linsmeier bevorzugten: Akupunktur mit Nadeln, Kneippsche Wickel und Kinesiotapes zum Lockern von Verspannungen. Thymianbrustwickel würden zum Beispiel entspannend und schleimlösend wirken und Patienten beim Abhusten unterstützen, außerdem wirkten sie wie ein natürliches Antibiotikum. Ginge es nach Linsmeier und Erdmann, könnten sie bald andere interessierte Ärzte am Klinikum beim Thema Naturheilverfahren weiterbilden. Einen entsprechenden Antrag haben sie bei der Ärztekammer gestellt.

Schon die Oma war interessiert

Im Fall Linsmeier hatte seine Familie das Interesse für die Naturheilkunde geweckt. Schon seine Mutter und seine Großmutter hätten sich auf Laienbasis mit der heilenden Wirkung von Pflanzen beschäftigt. Sein Kollege Erdmann sagt, die Erfolge der Naturheilverfahren hätten ihn überzeugt, sich dem Thema zu widmen.

Eigenes Zentrum für Naturheilkunde

Ein Zentrum für Naturheilverfahren am Klinikum Bayreuth ist das große Ziel der beiden. Vom Erfolg ihrer Methoden auch bei Patienten, die gar nicht an Naturheilverfahren glauben, sind beide überzeugt. Erst vor zwei Wochen hätten sie einen jungen Patienten entlassen, der mit Lungenmetastasen zu ihnen gekommen war. „Er war voller Angst vor der Behandlung, vor der Zukunft und speziell auch vor den Akupunkturnadeln, an deren Wirksamkeit er nicht glaubte“, erzählt Linsmeier. Der junge Mann habe sich dennoch darauf eingelassen. Bald habe er sich viel besser und entspannter gefühlt. „Am Ende sagte er, nun könnte er einen Marathon laufen.“


Info: Über die Anwendung naturheilkundlicher-komplementärmedizinischer Verfahren im Klinikalltag spricht Linsmeier am Mittwoch, 2. Mai, um 18 Uhr in Konferenzraum 4 des Klinikums Bayreuth.

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