Pendeln auf hohem Niveau: Warum einige Wissenschaftler nicht in Bayreuth leben wollen Wo die Bayreuther Professoren wohnen

Von Katharina Wojczenko
 Foto: red

Die Uni Bayreuth ist bei Professoren ein beliebter Arbeitgeber und liegt in Hochschul-Ranglisten oft weit vorne. Trotzdem wohnt knapp ein Drittel von ihnen nicht in Stadt oder Kreis Bayreuth. Drei Professoren haben uns verraten, warum. Mit Karte.

 
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Wo die Profs wohnen: 231 Professoren arbeiten an der Uni Bayreuth. Von ihnen wohnen 139 in der Stadt Bayreuth, 27 im Landkreis, davon ein halbes Dutzend im nahen Eckersdorf. Ein weiterer heimlicher Favorit der Profs ist Mistelbach. Drei wohnen im Ausland. Dabei handelt es sich um Gastprofessoren. Der Rest verteilt sich über Deutschland: von Freiburg im Süden bis Klein Nordende im Norden (siehe Karte). Von den Großstadt-Pendlern kommen die meisten aus Berlin, gefolgt von München und Köln. Einige von ihnen pendeln jede Woche Hunderte von Kilometern – und das zum Teil seit Jahren.

Wo die Profs ihre Wurzeln haben: So international die Uni forscht, so deutsch sind die Pässe der Professoren: 90 Prozent, also 208 von 231, haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Die größte Gruppe der Ausländer sind mit fünf die Österreicher, gefolgt von drei Amerikanern. Jeweils zwei Professoren stammen aus Großbritanniern, Kanada, Italien, der Schweiz und den Niederlanden. Jeweils einer besitzt einen belgischen, bulgarischen, schwedischen, japanischen oder indischen Pass. Erstaunlich bei einer Uni mit Afrika-Schwerpunkt: Kein einziger Professor hat die Staatsbürgerschaft eines afrikanischen Landes.

Das ist die Rechtslage: Professoren müssen nicht dort wohnen, wo ihre Uni ist. Laut bayerischem Hochschulpersonalgesetz gibt es keine Residenzpflicht und keine Regel, wie viel Zeit sie am Arbeitsort verbringen müssen. Das Bayerische Beamtengesetz verpflichtet sie nur, ihre Wohnung so zu nehmen, dass sie ihre "ordnungsmäßige Wahrnehmung der Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt" (Art. 74 BayBG).

Drei Professoren über ihre Beweggründe:

Der Kulturfreund:

Michael Grünberger (42), Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Technikrecht, lehrt seit 2012 in Bayreuth, wohnt in Köln.

"Eigentlich habe ich drei Wohnsitze. Ich stamme aus Südtirol und lebe seit 1998 in Köln. Ich habe viele gute Freunde dort. Mein Partner lebt in Amsterdam. Nirgendwo sonst kosten die Flüge nach Amsterdam so viel wie in Nürnberg. Von Köln ist die Zugverbindung gut.

Ich arbeite 50, 60 Stunden pro Woche und habe nicht viel Zeit, neue soziale Beziehungen aufzubauen. Die Kollegen in Bayreuth haben Familie und man kann nicht immer mit Studenten abhängen. Der Präsident tut viel, um die Bayreuther und Uni zusammenzuführen. Trotzdem sind das Kosmen, die wenige Berührungspunkte haben. Vielleicht liegt es daran, dass die Uni ein wenig außerhalb liegt.

Und hier ist die Frage: Was mache ich am Wochenende? Als kleine Stadt kann Bayreuth das kulturelle Angebot, das mir wichtig ist, einfach nicht bieten. Ich sehe mir Filme im Kino am liebsten im Original an, das geht nicht. Ich gehe gern in die Oper und ins Theater. Die Stadthalle ist da schwierig. In Bonn, Köln, Düsseldorf und Essen sind vier hervorragende Opernhäuser.

Wenn alles klappt, bin ich mit der Bahn in vier Stunden und zehn Minuten da, also in sieben von zehn Fällen. Von Dienstag bis Donnerstag bin ich in Bayreuth. Dort habe ich eine Zweitwohnung. Das ist gerade während der Festspielzeit wichtig.

Hätte ich Familie und Kinder, wäre ich nach Bayreuth gegangen. Ich finde Bayreuth superschön und bin gern hier, gerade im Sommer ist es ein Traum. Da mache ich Radtouren, gehe in die Biergärten. Und mittlerweile bekommt man auch nach neun Uhr abends etwas zu essen in der Stadt."

Die Pferdenärrin:

Ricarda Bouncken (47), Inhaberin des Lehrstuhls für Strategisches Management und Organisation, lehrt seit 2009 in Bayreuth und wohnt in Hamburg. Beim Telefonat klappern Hufe auf Kopfsteinpflaster.

"Wenn ich nicht in Bayreuth bin, wohne ich mit meinem Mann, meinem Sohn, einem Au-Pair, Hunden, Kater und Pferden in einem Fachwerkhaus im Stadtgebiet von Hamburg. Ich bin dort aufgewachsen, es wurde 1796 gebaut. Solche Objekte gibt es nicht zu kaufen. Mein Mann ist in Hamburg Professor an der Fachhochschule. Meine Mutter ist 85 Jahre alt, ich bin Einzelkind. Da habe ich auch Verantwortung. Ich bin passionierte Reiterin und war früher auf der Weltrangliste recht gut. Ich reite immer noch in höchster Klasse Dressur. Als ich in St. Gallen lehrte, habe ich die Pferde mitgenommen. Aber finden Sie mal einen Stall und eine Reithalle in Bayreuth.

Bayreuth ist süß, hat sich dank der vielen Renovierungen gut entwickelt und ich finde es praktisch, dass man überall zu Fuß hinkommt. Aber ich bin auch froh, wenn ich ab Freitag eine Großstadt in der Nähe habe - auch wenn ich davon gar nicht so viel mitbekomme.

Früher bin ich mit dem Auto gefahren, aber seit September fahre ich fast immer Bahn. Das sind sechs Stunden, in denen ich arbeiten kann. Manchmal ist es komisch, so als Wanderer zwischen zwei Welten. Es gibt Momente, in denen ich darunter leide, nicht so gut schlafen kann. Aber ich habe generell ein hohes Energieniveau, bin oft auf Tagungen und schließe in Rankings besser ab als Kollegen, die vor Ort wohnen. In der Kernzeit in Bayreuth schaffe ich nichts Wissenschaftliches. Da bin ich nur in Vorlesungen, Besprechungen und am Lehrstuhl und schreibe höchstens spätabends oder frühmorgens."

Der Netzwerker:

Markus Kurscheidt, Inhaber des Lehrstuhls Sportwissenschaft, lehrt seit April 2011 in Bayreuth und lebt in Köln.

"Als Professor muss man mindestens national flexibel sein. Nach Bayreuth zu ziehen kam für mich nicht in Frage. Ich komme aus dem Rheinland und meine Partnerin macht Karriere als Medienjuristin. Ihr Schwerpunkt sind Fernsehproduktionen von Gameshows. Da findet sie nur in Köln, München, Berlin und eingeschränkt Hamburg etwas Adäquates.

Ich kann mir die Arbeit besser organisieren. Ich muss viel lesen und schreiben, mich auch mal zurückziehen. Das habe ich in Köln. Gleichzeitig muss ich international auf Tagungen präsent sein, reise viel. Ich würde behaupten, dass ich im Semester präsenter für Studenten bin als Leute, die hier leben. Von Montagnachmittag bis späten Donnerstagnachmittag bin ich rund um die Uhr in Bayreuth verfügbar. Es kommt oft vor, dass ich um zehn Uhr abends noch mit Doktoranden im Büro sitze.

Mein Netzwerk in Bayreuth ist besser als in Köln. Das bringt die kleine Stadt mit sich. Ich bin unter anderem Vorsitzender des Sportkuratoriums, meine Studierenden richten den Ball des Sports aus, wir entwickeln eine Sportstrategie für die Stadt. Ich arbeite eng mit Vereinen zusammen. In Köln ein Projekt mit der Oberbürgermeisterin zu machen, wäre viel komplizierter. Hier begegnet man sich immer wieder. So sind Freundschaften entstanden.

Was bleibt, ist ein dauerhaft schlechtes Gewissen. Ich vermisse meine Partnerin. Aber sie weiß Bayreuth auch zu schätzen, zum Ball des Sports kommt sie natürlich. Gerade im Sommer versuchen wir, einige Wochenenden einzuplanen. Das ist wie Kurzurlaub und kompensiert für die Orga und Anstrengung. Der Nachteil ist auch ein Vorteil. Wir telefonieren wenig oder gar nicht, wenn ich in Bayreuth bin - und haben uns dann viel zu sagen. Der Donnerstagabend ist uns heilig.

Anfangs habe ich anderthalb Jahre im Hotel überbrückt. Dort ist es sehr familiär, aber ich wollte in Bayreuth einfach ein zweites Zuhause haben. Es  war nicht einfach, aber ich habe etwas Passendes zwischen ZOH und Bahnhof gefunden.

Ich habe das Beste aus zwei Welten und ich liebe beide. In Bayreuth mag ich das Hübsche, Adrette, meine Freunde, an Köln insbesondere das Kulturelle und das Subkulturelle. Das gibt es in Bayreuth nicht, und selbst in Nürnberg nur mit Abstrichen."

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