Yonamines Kunstwerk muss von der Fassade des Iwalewa-Hauses verschwinden Wisch und weg

Zum Abschied hat er einen Strick aufgehängt und eine Fotografie des KZ-Krematoriums Buchenwald an die Wand projiziert. Seine Bayreuther Werke hat er verbrannt und die Asche in drei schwarze Urnen gefüllt. „Feuerbestattungsanlage Bayreuth 2012“, ist in Fraktur in den Deckel graviert, und darunter „Arbeit macht frei“. Schon wieder. Eine der Urnen geht nach Angola, die zweite nach Portugal, die dritte hat Yonamine im Iwalewa-Haus auf einen samtüberzogenen Sockel drapiert, gleich neben dem Strick.

 
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Und mittendrin in diesem Raum stehen Nadine Siegert und Katharina Fink und wissen nicht so recht, was ihnen da eigentlich gerade passiert ist.

Yonamine, ein 37-jähriger, nicht unbekannter Künstler aus Angola, war von Anfang Juni bis Ende August Gast – „Artist in Residence“ – im Iwalewa-Haus in der Münzgasse. Der Bayreuther Öffentlichkeit wurde er alsbald bekannt als derjenige, der die Fassade des Iwalewa-Haus umgestaltete – „beschmierte“, fanden einige Anwohner, denn auf der denkmalgeschützten Fassade der Alten Münze prangt ein Kunstwerk der Künstlerin Giorgina Beier. Siegert, stellvertretende Direktorin des Iwalewa-Hauses, formuliert es anders: Yonamine füge „neue Schichten“ hinzu, es handle sich um ein Palimpsest – eine Oberfläche, die immer und immer neu beschrieben wird.

Mit Sprühlack ging es los

Die erste Schicht sah aus wie ein ungeschicktes Graffiti, es entstand in der Nacht zum 29. Juni. Als Siegert am nächsten Morgen ins Büro kam, sagte sie, sie sei selbst überrascht von dem „Werk eines bislang unbekannten Graffiti-Künstlers“. Warum die Verschleierung? „Weil die Fassade denkmalgeschützt ist. Weil wir nicht wussten, wie die Leute reagieren würden.“

In Wahrheit waren die Vorgänge Teil eines Projekts mit dem Arbeitstitel „Reichsparteitagsgelände“ – Yonamine wollte sich mit dem Phänomen „Erinnerung“ und deren Bezug zur Sprache befassen, auch und gerade in Deutschland. Und genau das tat er auch. Nur hatte anscheinend niemand damit gerechnet.

Was ist schön?

Yonamine stellte Siebdrucke her, sprühte dutzendfach die Frage „Was ist schön?“ in Fraktur auf die Wand, so oft, dass die schiere Masse die Bedeutung der Frage wegwischte. Er sprühte auch sein eigenes Konterfei auf die Wand, ein Gesicht mit gebleckter Zunge, und darunter, wieder in Fraktur, die Zeile „Arbeit macht frei“. Die Parole, die über dem Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz prangte.

Wer entscheidet, was Kunst ist und was nicht, was Kunst darf und wie lange sie tragbar ist – Yonamines Projekt eignet sich sehr gut, um diese Fragen zu diskutieren, um herauszufinden, dass darüber eigentlich nicht zu diskutieren ist, weil man andernfalls sofort mittendrin steckt in einer Überlegung, die die Grenze zur ideologischen Fragwürdigkeit schnell überschreitet.

Aber das ging nicht. Weil, als auf der denkmalgeschützten Fassade des Afrikazentrums der Bayreuther Universität gegenüber der Synagoge „Arbeit macht frei“ stand, sehr viele Leute – Anwohner, Studenten, auch Kollegen – sehr schnell eine klare Antwort auf diese Fragen forderten, oder eine Antwort hatten. Eine Antwort, die viel simpler, viel weniger ausdifferenziert war, als sich die Initiatoren des Projekts gewünscht hätten: „Weg damit, das geht gar nicht.“ Und so sehr sich Yonamine und seine Gastgeber bemühten, die Deutungshoheit zu behalten – von diesem Moment an hatten sie sie verloren.


Den ausführlichen Artikel lesen Sie in der Freitagsausgabe (14. September) des Kuriers.

Fotos: Harbach/Swarovsky

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