Verband befürchtet keine Export-Abhängigkeit Wirtschaft klagt über Strompreise

Von 
Henry Stern
Ein Arbeiter ist damit beschäftigt, Stromleiterseile am Mast zu befestigen. Foto: Moritz Kircher Foto: red

Gehen im Freistaat bald die Lichter aus? Wohl kaum: Der Verband der bayerischen Wirtschaft (vbw) hält die drohende Abhängigkeit Bayerns von Stromimporten aus dem In- und Ausland für die bayerische Wirtschaft für unproblematisch, warnt aber gleichzeitig wegen deutlich günstigerer Strompreise in vielen europäischen Ländern vor Wettbewerbsnachteilen für bayerische Industriebetriebe.

 
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„Strom von außen zu beziehen, ist für ein exportorientiertes Land wie Bayern nichts Unnormales“, sagte der vbw-Geschäftsführer Bertram Brossardt bei der Vorstellung einer Analyse zum Stand der Energiewende in Bayern.

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hatte kürzlich einräumen müssen, dass der Freistaat nach der Abschaltung aller Atomkraftwerke im Jahr 2023 wohl mehr als 50 Prozent seines Strombedarfs importieren muss. Dies sei kein Problem, wenn wie angekündigt bis zu diesem Zeitpunkt ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt auch für Strom geschaffen würde, erklärten vbw-Verantwortliche gegenüber dieser Zeitung.

Wachsende Wettbewerbsnachteile

Gleichzeitig beklagt der Lobbyverband aber die wachsenden Wettbewerbsnachteile der bayerischen Industrie wegen der vergleichsweise hohen Industriestrom-Preise in Deutschland. „Deshalb investierten die Unternehmen zunehmend im Ausland“, beklagte vbw-Präsident Alfred Gaffal: „Sie gehen an Standorte, an denen der Strom billiger ist.“ Grund für den massiven Preisanstieg ist laut vbw-Analyse vor allem die staatliche Förderung der Energiewende über die sogenannte EEG-Umlage. Notwendig sei deshalb eine schnelle staatliche Strompreisbremse für die Industrie, verlangt der Wirtschaftsverband, notfalls auch durch eine deutliche Absenkung der Stromsteuer.

Die Klage über die hohen Strompreise verkomme bei der vbw zum alljährlichen Jammer-Ritual, kritisiert dagegen der energiepolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig.

Ziele ohne Ehrgeiz

Dass in Bayern durch politische Entscheidungen der CSU-Staatsregierung der verbrauchernahe Ausbau erneuerbarer Energien praktisch zum Erliegen gekommen sei, spiele für den Wirtschaftsverband leider genauso wenig eine Rolle wie die drohende Stromimport-Abhängigkeit, findet Stümpfig: „Leider misst die vbw die CSU-Regierung mehr an den ehrgeizlosen Zielen von Frau Aigner als an den tatsächlichen Notwendigkeiten für die bayerische Wirtschaft.“

Allerdings spart auch das im Auftrag des vbw von der Prognos AG erstellte Gutachten nicht mit Kritik am Stand der Energiewende in Deutschland und Bayern. So gebe es durch den im Juli von den Spitzen der Berliner Koalition beschlossenen Kompromiss beim Stromnetzausbau, die wohl 2016 fertiggestellte Thüringer Strombrücke sowie die von CSU-Chef Horst Seehofer durchgesetzten neuen Gas-Reservekraftwerke bei der Versorgungssicherheit für Bayern Fortschritte. Bei der Energieeffizienz und der Umweltverträglichkeit komme man trotz großer Fortschritte der bayerischen Industrie bei der Stromeinsparung nur schleppend voran, klagte vbw-Chef Gaffal. Was nach wie vor fehle, sei ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die Energiewende bleibe deshalb in weiten Teilen Stückwerk. Denn die notwendigen Entscheidungen werden einfach nicht rechtzeitig getroffen.