Liebeserklärungen und Anschuldigungen an die Ehefrau – Umfeld soll manipuliert werden Wirre Briefe aus der Haft

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Der Angeklagte hat aus der Untersuchungshaft Briefe an seine Ehefrau, Tante, seinen Vater und eine Freundin geschrieben. Symbolbild: Ralf Münch Foto: red

Im September war ein 34-Jähriger aus dem südlichen Landkreis vor dem Amtsgericht Bayreuth zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte seine Ehefrau geschlagen, getreten und psychisch misshandelt. Seit Montag läuft nun vor dem Landgericht die Berufungsverhandlung.

 
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Der Staatsanwaltschaft ist das Strafmaß zu klein, der Angeklagte will eine Bewährungsstrafe, sagte er am ersten Verhandlungstag, er habe nichts gemacht. Zurzeit befindet sich der gelernte Bestattungsfachmann wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft. Aus dem Gefängnis heraus hat er mehrere Briefe an seine Frau, seinen Vater, eine Tante und eine Freundin geschrieben. Diese Briefe legte die Frau dem Gericht vor. Sie erzählen von dem Versuch des Angeklagten, sich in ein anderes Licht zu stellen.

Was die Freundin sagen soll

„Ein Brief ging über einen Mithäftling an eine Freundin meines Mannes“, erzählt die Ehefrau. Sie sei mit der Freundin auch in Kontakt, diese habe ihr das Schreiben weitergeleitet. Dort heißt es unter anderem „dass meine Frau zu ihnen gesagt hat, dass sie bei der Polizei und ihren Freunden und ihrer Schwester gelogen hat“.

In dem Brief listet der Angeklagte auf, was die Freundin sagen soll, wenn sie dazu von Gericht oder Polizei befragt wird. „Dass sie mich schon des Öfteren als Schuldigen hingestellt hat, obwohl sie es nicht wollte“ heißt es da oder, dass sie sagen sollen „dass sie den Eindruck haben, dass meine Frau mehr das Sagen hat, da ich alles für sie gemacht habe“.

Die Briefe an die Frau sind ein wirrer Wechsel aus Liebesschwüren und Beschuldigungen, warum sie nun doch vor Gericht ausgesagt hat. „Ich vermisse deinen Körper in meiner Nähe und im Arm“ und in einem anderen Brief „Alles, was mir von dir weggenommen wurde, werde ich zur Anzeige bringen“.

Es geht um Androhungen, dass sie seine Sachen – Auto, Hänger, Laptop, E-Bike – nicht verkaufen dürfe. Ein paar Zeilen weiter schreibt der Angeklagte, wie sehr er seine Frau und die gemeinsame Tochter vermisst. „Ähnliche Briefe hat er auch an seinen Vater geschrieben“, so die Ehefrau weiter, „er hat sie aber gleich weggeworfen, will nichts mehr damit zu tun haben.“ Und auch Schreiben an eine Tante sind von gleichem Inhalt. „Ich bin froh, dass Freunde und Familie so hinter mir stehen“, sagt die Frau. Das gebe ihr Kraft alles zu sagen, das Ganze durchzustehen.

Druck über verschiedene Kanäle

Warum schreibt der Angeklagte aus der Untersuchungshaft heraus diese Briefe? „Der Täter versucht gerade bei häuslicher Gewalt über verschiedene Kanäle weiter Druck auszuüben“, sagt Gabriela Gossow-Look, Leiterin der Beratungsstelle Avalon in Bayreuth. Unmittelbar werde vom Täter versucht, die geschädigte Frau und mittelbar das Umfeld zu manipulieren. „Täter versuchen, ihre Frau dazu zu bewegen, ihre Aussage zu ändern“, sagt Gossow-Look.

Dass er sich mit diesem Verhalten, eben solchen Briefen, vor Gericht mehr schade als nutze, sehe der Täter meist nicht. Auch ein psychiatrisches Gutachten – wie es vom Richter am ersten Tag der Berufungsverhandlung in Aussicht gestellt wurde – lasse nicht immer in den Täter hineinschauen, gibt sie zu bedenken. „Das geht nur bis zu einem gewissen Grad“, sagt Gossow-Look.

Kontrollverlust ist programmiert

Häufig gehe es darum, dass der Täter versucht, sein kriminelles Verhalten klein zu reden, indem er für sich selber Schutzbehauptungen aufstellt. So sei er oft in seinem Verhalten brutal und unkontrolliert, entschuldige sich danach dann aber unter Tränen. „Für den Täter ist damit die Sache erledigt“, erklärt Gossow-Look. Aber der nächste Kontrollverlust sei programmiert.

Bei dem vorliegenden Fall hebt sie ausdrücklich hervor, wie gut und wichtig es ist, dass die Frau von Familie und Freunden Unterstützung habe, dem Ganzen nicht mehr allein gegenüber steht, gestärkt wird. „Sie soll unbedingt dabei bleiben und alles sagen“, appelliert Gossow-Look. Das sei bei dem, was sie erlebt habe, nicht immer einfach. „Für viele Frauen ist das ein Gesichtsverlust und das Vertrauen in die Justiz geht häufig verloren.“

Alleiniges Sorgerecht beantragen

Sobald das Berufungsverfahren zu Ende ist, werde sie die Scheidung einreichen und das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame, knapp einjährige Tochter einreichen, sagt die Ehefrau des Angeklagten. „Mir geht es gut jetzt“, sagt sie gegenüber dem Kurier. In den vergangenen drei Monaten, seit sie ihre Aussage vor Gericht gemacht habe, wisse sie wieder was Leben ist.

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