"Wir brauchen kein Fleisch!"

Sprecherin Karoline Kohler vom Kompetenzentrum für Ernährung (KErn) in Kulmbach. Foto: red Foto: red

Esse ich das Richtige? In der Fastenzeit machen wir uns alle verstärkt Gedanken um unseren Ernährungsstil. Wir versuchen, zu verzichten und gesünder zu leben. Welche Folgen eine fleischlose Ernährung hat, darüber haben wir mit Diplom-Ökotrophologin Karoline Kohler vom Kompetenzzentrum für Ernährung in Kulmbach gesprochen.

 
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Viele haben gegenüber einem veganen und vegetarischen Ernährungsstil Vorurteile. Stimmt es, dass er zu Mangelerscheinungen führen kann?

Karoline Kohler: Fakt ist: Der Mensch muss kein Fleisch essen, um zu überleben. Gleichzeitig kann auch eine vegetarische Ernährung, wenn sie auf Fast-Food, Fertigprodukten, Süßigkeiten und Softdrinks basiert, ungesund sein. Ernährt sich ein gesunder Mensch vegetarisch, führt das nicht zwangsläufig zu Mangelerscheinungen, vor allem wenn tierische Eiweißquellen wie Eier, Milch und Milchprodukte auf dem Speiseplan stehen. Begrüßenswert ist der höhere Konsum von Gemüse. Hülsenfrüchte und Getreide liefern wertvolle Proteine.

Langfristig kann die Versorgung des Vitamins B12 problematisch sein. Vitamin B12 ist nahezu ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten. Ein Bluttest beim Arzt gibt Aufschluss, ob die körpereigenen Vitamin B12-Vorräte aufgebraucht sind, was besonders für Schwangere und Stillende empfehlenswert ist.

Ohne Eier, Milchprodukte und Honig

Veganer verzichten neben Fleisch auf Eier, Milch und Honig. Häufig lehnen Veganer das Tragen von Leder oder die Verwendung von Bienenwachs ab. Um bei einer veganen Ernährung langfristig ausreichend mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt zu sein, ist viel Wissen über Ernährung und Lebensmittel gefragt. Die Bioverfügbarkeit, also die Aufnahme der Stoffe aus der Nahrung in den Körper, ist aus rein pflanzlichen Stoffen nicht immer ideal.  Mit Hilfe von Zusätzen oder mit Eisen angereicherten Lebensmitteln sowie durch  Kombination mit Vitamin C-reichen Lebensmitteln, kann die Eisenversorgung verbessert werden.

Wann wird umgekehrt zu viel Fleischkonsum ungesund?

Kohler: Gerade vor dem Hintergrund, dass in Deutschland vor allem von Männern mehr Fleisch und Wurstwaren konsumiert werden als empfohlen, ist die Diskussion begrüßenswert. Oft ist es so, dass bestehendes Übergewicht oder Adipositas – als krankhafte Variante – weitere Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen begünstigen können. Menschen, die sich hingegen bewusst ernähren, pflegen meist auch einen gesunden Lebensstil und bewegen sich regelmäßig.

"Ernähren Sie sich bunt!"

Die Scheibe Extrawurst fällt nicht ins Gewicht, wenn weitere Lebensstilfaktoren stimmen: Ausreichend Bewegung, kein Übergewicht, Genussmittel in Maßen, wenig Stress und insgesamt eine ausgewogene Ernährung. Ernähren Sie sich bunt, also mit Gemüse, Obst und Vollkornprodukten. Aber auch Eier, Fleisch und Wurst sind erlaubt, ebenso wie Süßes - aber eben in Maßen und nicht in Massen.

Häufig ist es so, dass nicht Fleisch an sich problematisch ist. Bei Wurst ist der Fett- und Salzgehalt oft hoch. Aber auch hier gibt es mit kaltem Braten oder Schinkenvariationen Möglichkeiten, gesundheitsbewusster zu genießen.

Die aktuelle Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegt bei 300 bis 600 Gramm pro Woche, also etwa 70 Gramm pro Tag. Die mittlere Zufuhr von Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnissen liegt bei Männern bei 103 Gramm/Tag und bei Frauen bei 53 Gramm/Tag. Männer verzehren somit etwa doppelt so viel Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnisse wie Frauen.

Warum verhalten sich Verbraucher oft paradox: Gesund leben ja, aber mehr für hochwertige Lebensmittel ausgeben nein?

Kohler: Grundsätzlich ist eine gesundheitsförderliche Ernährung nicht zwangsläufig hochpreisig. Denken Sie an Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln und Gemüse aus der Region. Mit frischen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln können köstliche Gerichte gezaubert werden. Voraussetzung ist, dass man den Willen, die Zeit und die Fähigkeiten dazu hat, Lebensmittel zuzubereiten. Diese Fähigkeiten muss man erlernen – ob in der Schule, im Elternhaus oder auf eigene Initiative.

Ein paar Chia-Samen und Goji-Beern reichen nicht

Der aktuelle Trend zu sogenannten „Superfoods“ zeigt uns auch, wie sehr sich Menschen eine einfache und gesunde Ernährung wünschen: Ein paar Chia-Samen über’s Müsli und Goji-Beeren zwischendurch, schon sind alle ernährungstechnischen Fehltritte - wie der Packung Chips oder die Tafel Schokolade - ausgeglichen? So einfach ist es leider nicht. Unterm Strich ist Vielen schon bekannt, wie eine gesundheitsförderliche Ernährung aussieht: abwechslungsreich, in Maßen, mit Genuss – und ausreichend Bewegung.

Die Fragen stellte Ute Eschenbacher

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