München plant neues Gesetz und weist Behörden an, schon jetzt darauf Rücksicht zu nehmen Windkraft in Oberfranken vor dem Aus

Von Moritz Kircher
Windräder bei Gefrees. Foto: Gisder Foto: red

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will ein Gesetz auf den Weg bringen, das Windräder weiter weg vom nächsten Wohnhaus rückt. Kritiker und Planer sind überzeugt: Kommt das Gesetz, ist das das Ende für den Regionalplan Oberfranken Ost.

 
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Ein modernes Windrad ragt knapp 200 Meter in den Himmel und muss nach geltendem Recht derzeit etwa einen Kilometer von der nächsten Wohnsiedlung entfernt stehen. Geht es nach der bayerischen Regierung, sollen daraus bald zwei Kilometer werden. „Damit wird die Windkraft in Bayern kaltgestellt", sagt die Bayreuther Landtagsabgeordnete Ulrike Gote (Bündnis 90/Die Grünen).

Noch viel schlimmer wiegt für sie allerdings eine Anweisung aus München, schon jetzt Rücksicht auf die geplante Abstandsregel zu nehmen. Neue Windräder sollen „dem Ziel der gesetzlichen Neuregelung nicht zuwiderlaufen", heißt es in dem Schreiben, das das Umwelt- und das Innenministerium verfasst haben. Gote nennt das Schreiben einen „rechtswidrigen Erlass".

Die Verwaltung sei an solche Weisungen gebunden, sagt Professor Ralf Brinktrine. Der Verwaltungsrechtler von der Uni Würzburg weist aber auch darauf hin, dass Behörden nicht beliebig lange auf ein neues Gesetz warten dürfen. Denn, so Brinktrine: „Wenn die Verwaltung länger als drei Monate untätig bleibt, können die Antragssteller klagen."

Doch danach sieht es nicht aus. „Wir genehmigen weiter", sagt Landrat Hermann Hübner (CSU). Bis ein neues Gesetz gelte, arbeite seine Verwaltung weiter die Anträge ab. 22 liegen derzeit vor. Haben Windräder alle Hürden genommen, dürfen sie gebaut werden. Stehen sie, bleiben sie. „Gesetze werden nicht rückabgewickelt", sagt Hübner. Wer beantragt hat, habe auch Anspruch darauf, dass nach geltender Gesetzeslage entschieden wird.

Doch das geltende Recht könnte sich bald ändern. „Ich gehe davon aus, dass die geplante Abstandsregel alle Flächen betrifft", befürchtet Leo Reichel, Geschäftsführer des Regionalen Planungsverbandes Oberfranken Ost. Drei Jahre lang hat seine Stelle – wie 17 weitere in Bayern – an einer Landkarte gefeilt. Darin verzeichnet: Flächen, die für Windräder geeignet und gesetzlich zulässig sind. Harte Verhandlungen seien dafür mit den Gemeinden und Bürgern in unzähligen Sitzungen und Versammlungen geführt worden. „Wir stehen kurz vor dem Abschluss", so Reichel.

Doch der Regionalplan für die Windkraft steht nicht nur kurz vor dem Abschluss, sondern auch kurz vor dem Aus. Das befürchtet Reichel, wenn die in München ausgeheckte Abstandsregel tatsächlich kommt. „Rein vom Gefühl her würde ich sagen: Da bleibt nicht mehr viel übrig." So sieht es auch das Landratsamt. „Sollte die Abstandsregelung Gesetz werden, würden voraussichtlich keine Windkraftanlagen im Landkreis Bayreuth mehr genehmigt werden können", heißt es in einer Stellungnahme.

Taner Sahin will Windräder auf den ausgewiesenen Flächen bei Emtmannsberg bauen. Der Geschäftsführer der Firma Naturwerk aus Recklinghausen ist einer der 22 Antragssteller im Landkreis. Sahin setzt darauf, dass Landrat Hübner ihn seine Windräder bauen lässt. Das will auch der Emtmannsberger Bürgermeister Thomas Kreil (CSU). Sobald die Windräder genehmigt sind, will er eine Energiegenossenschaft ins Leben rufen, die in die Anlagen investiert.

Doch für solche Projekte könnte es in Oberfranken bald zu spät sein. „Zuerst habe ich gedacht, Seehofers Abstandsregel ist nur Wahlkampfgetöse", sagt die Landtags-Grüne Gote. Sie sieht in den Energiegenossenschaften eine „enorme Chance für eine Wertschöpfung in der Region". Doch Seehofers Idee steht mittlerweile im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Gote rechnet damit, dass andere Bundesländer nicht mitziehen werden. „Dann haben wir den Schaden."

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