Data Scientists durchwühlen Wissensberge Wie werde ich...? Schatzsucher am PC

Von Tobias Hanraths
Informationsexperte: Der Berliner Klaas Bollhoefer (links) arbeitet seit gut drei Jahren als Data Scientist.Foto: Franziska Koark Foto: red

"Big Data" ist das neue Zauberwort in der IT-Branche. Spezialisten, die in Datenbergen nach Informationen und neuen Geschäftsideen suchen, heißen Data Scientists. Wer sich für diesen Job interessiert, braucht neben Computerkenntnissen auch eine Menge Kreativität. 

 
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Vom Packsystem im Logistikunternehmen über die Fertigung in der Kfz-Fabrik bis zur Pflege der Webseite: Kaum etwas ist in der modernen Arbeitswelt nicht computergesteuert. Und wo ein Computer arbeitet, gibt es auch Daten, und zwar eine ganze Menge. Experten sprechen dabei ehrfürchtig von "Big Data". Das Chaos an Informationen enthält theoretisch wertvolle Schätze. Es braucht nur einen Experten, der sie finden kann. An dieser Stelle kommt der Data Scientist ins Spiel, ein noch relativ neuer Beruf an der Schnittstelle von Informatik und Betriebswirtschaft. Der Bedarf an solchen Datenexperten ist groß: "Wir haben in einer Umfrage herausgefunden, dass viele Firmen Big Data nutzen möchten, aber nicht wissen wie", sagt Michael Mock vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse und Informationssysteme (IAIS). Seit gut einem Jahr bietet das Institut daher Schulungen für angehende Data Scientists an. Daran nehmen vor allem Informatiker und Ingenieure teil, die zum Beispiel für Automobilhersteller, Online-Marktplätze und Unternehmensberatungen arbeiten. Schon etwas länger dabei ist Klaas Bollhoefer, Data Scientist beim Berliner Dienstleister The Unbelievable Machine. "Das war vor drei Jahren noch ein ganz neues Feld. Als mein damaliger Chef das vorgeschlagen hat, hab ich gesagt, dass ich davon keine Ahnung habe", erzählt er. Darauf habe der nur geantwortet: "Macht nichts, das hat noch keiner."

Fremden beschreibt er seinen Job heute so: "Wir verknüpfen Business-Prozesse mit Daten, um daraus Mehrwerte zu generieren." Klingt sperrig, hat aber zahlreiche praktische Anwendungen. Ein Logistiker kann zum Beispiel seine Produktionsabläufe optimieren, wenn ein Data Scientist herausfindet, wo es noch hakt. Und ein Webmaster kann die Besucherströme auf seiner Seite besser lenken, wenn er weiß, was die Nutzer typischerweise wollen. Dazu kommen Jobs, die man zunächst eher in der Marktforschung vermuten würde. "Wir haben zum Beispiel mal eine Big-Data-Analyse für einen Nahrungsmittelhersteller gemacht", erzählt Bollhoefer. "Der wollte wissen, ob und wie er online im Bereich Kochen oder Rezepte erwähnt wird. Dafür muss man also eigentlich das ganze Internet absuchen - Rezeptplattformen, Blogs, Social Media und so weiter." Dafür ein funktionierendes Modell zu entwickeln, gehört für Data Scientists zum Alltag. Dafür braucht es Computerkenner - aber Fachwissen ist nicht alles, sagt Bollhoefer: "Für mich ist das immer erst einmal eine Typfrage. Man muss natürlich enormes technisches Verständnis mitbringen, aber auch Neugier und Offenheit für neue Technologien. Und man muss darüber erzählen können." Denn natürlich gehört die Präsentation der eigenen Ideen zum Job, genau wie das ständige Suchen nach neuen Ansätzen: "Bei uns im Team sind alle irgendwie kreativ, fotografieren zum Beispiel viel oder begeistern sich für Filme." Ähnlich sieht das Stephan Pfisterer, der beim IT-Verband Bitkom den Bereich Bildungspolitik und Arbeitsmarkt leitet: "Es ist kein reiner Informatikerjob. Data Scientists müssen zum Beispiel auch Diplomaten sein." Gerade in großen Unternehmen können die Erkenntnisse und Ideen aus den Datenbergen dafür sorgen, dass getrennte Unternehmensbereiche plötzlich zusammenarbeiten müssen oder sich Aufgabenfelder verändern. "Sich da durchzusetzen, gehört definitiv auch zu den erforderlichen Fähigkeiten", so Pfisterer. Bollhoefer geht davon aus, dass heute in Deutschland etwa 500 Data Scientists arbeiten, entweder bei großen Firmen oder als Freiberufler. Für Schulabgänger oder Studienanfänger, die sich heute für den Job interessieren, gibt es also noch reichlich Platz auf dem Arbeitsmarkt. Die Auswahl an Ausbildungsorten sei allerdings noch eher klein, sagt Pfisterer. Es gibt sie vor allem an privaten Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten, weniger an staatlichen Hochschulen. Das könnte sich in den kommenden Jahren aber ändern. Bereits jetzt gibt es entsprechende Bachelor- und Masterstudiengänge zum Beispiel in Dortmund, Magdeburg und Konstanz. Bei der Suche ist genaues Hinsehen gefragt: Längst nicht immer taucht der Begriff Data Scientist in der Beschreibung des Studienplatzes auf, häufig ist hier auch von Datenanalyse oder Datenwissenschaft die Rede. Ein genauer Blick in den Studienplan verrät aber meistens schnell, worauf der Schwerpunkt im Studium tatsächlich liegt. Deutlich größer ist das Studienangebot in den USA, wo der Begriff Data Scientist schon etwas länger bekannt ist. "Da muss man aber auch genau hingucken", sagt Pfisterer. "Oft ist das nur geringfügig angepasste Wirtschaftsinformatik." Das sei zwar für Data Scientists eine gute Grundlage. Nach Ansicht von Fraunhofer-Experte Mock gibt es aber schon ein paar Unterschiede zum klassischen Informatik-Studium: "Der Anteil an Statistik und Mathematik müsste in einer Ausbildung zum Data Scientist sicher größer sein." Jobs finden die Absolventen dann vermutlich vor allem bei großen Konzernen oder Unternehmensberatungen, sagt Pfisterer. "Dass ein kleiner Mittelständler mit 50 Angestellten einen eigenen Data Scientist beschäftigt, halte ich für unwahrscheinlich", sagt der Bitkom-Bereichsleiter. "Das hängt aber auch sehr vom jeweiligen Geschäftsfeld ab." dpa

Internet:

-Trainingsangebote zum Data Scientist am Fraunhofer IAIS (http://dpaq.de/IzXHa)

- Studiengang Datenanalyse und Datenmanagement, TU Dortmund (http://dpaq.de/ytSZI)

-  Master Data and Knowledge Engineering, Universität Magdeburg (http://dpaq.de/2qfxK)

-  Master Data Mining, Universität Konstanz (http://dpaq.de/WyALl)