Wie Mollath einem Pädophilen hilft

Von Manfred Scherer
Foto: Felix Kästle/dpa Foto: red

15 Monate Strafe. Das Landgericht hat den pädophilen Exhibitionisten W. verurteilt, weil er sich vor Kindern entblößte. Bei der Frage, ob der Langzeit-Psychiatrieinsasse W. mit einer neuen Anordnung weiter im Bezirkskrankenhaus untergebracht werden soll, spielte Deutschlands berühmtester Psychiatrie-Insasse Gustl Mollath eine Rolle.

 
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Der heute 46-jährige W. war, wie berichtet, 1990 zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er sich als Jugendlicher in vielen Fällen vor Kindern entblößt hatte. Schon damals wurde W. als krank im Rechtssinn eingestuft - er leidet an einer doppelten Störung der Sexualpräferenz: Pädophilie und Exhibitionismus.

Weil er sich nur Kindern zeigt, gerät er mit dem Gesetz in Konflikt. Selbstbefriedigung vor Kindern wird als sexueller Missbrauch gewertet. Deshalb wurde W. 1990 als gefährlich eingestuft und zu Therapiezwecken ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen. Weil seine Erkrankung nur schwer behandelbar ist, wurde aus dem einen Jahr 27 Jahre - alle Jahre wieder hieß es: Sein Zustand hat sich nicht gebessert.

Die Tür stand schon offen

Im Januar 2016 hatte W. erstmals Ausgang und zeigte sich prompt wieder Kindern.

In der Gerichtsverhandlung ging es nicht so sehr um die Bestrafung, sondern um die Frage: Was tun mit einem Mann der schon länger sitzt als mancher Mörder? Für Taten, bei denen er nie gegen ein Kind handgreiflich wurde?

Richter Michael Eckstein betonte im Prozess: "Die Leute auf der Straße hören das Stichwort sexueller Missbrauch von Kindern und denken nicht daran, dass es eben diese Hands-off-Delikte gibt." Eckstein und seine Richterkollegen, aber auch Staatsanwalt Holger Gebhard und Verteidiger Johannes Driendl diskutierten lange die Frage, ob W. für das, was er getan hatte, nicht schon viel zu lange weggesperrt worden war.

Es geht um den Begriff "Erheblichkeit"

Letztlich kam W. der sogenannte Mollath-Paragraf zu Hilfe. Gustl Mollath, der wegen einer Gewalttat gegen seine Ehefrau verurteilt worden war und in die Psychiatrie eingewiesen wurde, saß übermäßig lange. Nachdem Mollath endlich frei kam, wurde das Gesetz geändert: Die Justiz muss seither weit strengere Kriterien zur Psychiatrie-Unterbringung von Straftätern anwenden.

Es geht dabei um den Begriff "Erheblichkeit": Nur, wenn von psychisch kranken Straftätern weitere erhebliche Taten zu erwarten sind, die die Opfer ebenso erheblich schädigen, dann kann die Zwangsunterbringung angeordnet werden. Und als erheblich wurde die bloße Selbstbefriedigung von W. nicht eingestuft. Erheblich wären seine Taten, wenn er etwa die KInder gewaltsam gezwungen hätte, an ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen.

W. bleibt nun in der Psychiatrie, denn die Anordnung aus dem Jahr 1990 gilt noch. Für eine Aufhebung der Anordnung ist ein anderes Gericht zuständig.

Wenn das passieren sollte, stellt sich die Frage: Muss W. dann in den Knast, der bekanntlich für Pädophile ein äußerst gefährlicher Ort ist? Der Vorsitzende Eckstein erklärte, er könne darüber nicht entscheiden und gab doch eine Empfehlung: Viel zu lange sitze W. schon hinter Gittern, notfalls könne ihm im Gnadenwege die Strafe erlassen werden.

 

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