Stimmen aus dem Publikum „Wie kann man eine schöne Frau so herrichten?“

Juli Zucker
 Foto: red

Was Besucher so denken: Eine Wagnerianerin in der Pause von „Tristan“ über Regisseure und Bayreuths Erreichbarkeit.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Tristan ist verzweifelt – er darf seine angebetete Isolde nicht lieben. Die Tragödie Tristans um seine Liebe kann man seit 1886 am Grünen Hügel erleben. Doch die Inszenierung steht oft gar nicht im Mittelpunkt. Zumindest nicht ausschließlich – Bayreuth ist immer auch gesellschaftliches Ereignis. Wir haben Merkel & Co. mal in Ruhe gelassen und uns mit ganz normalen Besuchern unterhalten. Elisabeth Mashadi besuchte „Tristan und Isolde“ und sprach in der ersten Pause mit dem Kurier über Bayreuth, die Festspiele und die Inszenierung hinter der Inszenierung.

Ein Besuch bei den Festspielen – war es für Sie eine Premiere?

Elisabeth Mashadi: Nein, keineswegs. Als gebürtige Bayreutherin war ich bereits in meiner Kindheit immer am Festspielhügel zu Gast. Ich bin sozusagen ein Insider. Jetzt komme ich immer wieder, obwohl ich mittlerweile in Fürth wohne. Doch ich sage immer: Einmal Bayreutherin, immer Bayreutherin!

Wie sind Sie zu den Karten für „Tristan“ gekommen?

Mashadi: Ich habe die Karten zum Geburtstag geschenkt bekommen und bin mit meiner Tante und meiner Schwester hergekommen. Ich habe sogar Besucher zu Hause in Fürth gelassen, weil ich die Festspiele wieder erleben wollte. Meinen Mann konnte ich auch nicht mitnehmen – der leidet unter Wagner.

Sie hingegen sind eine richtige Wagnerianerin. Gibt’s dennoch etwas, unter dem Sie gelitten haben?

Mashadi: Man muss differenzieren zwischen Bühnenbild, Regie und Musik. Die Stimmen und die Musik an sich finde ich – als Wagnerianerin – fantastisch. Die Inszenierung gefällt mir allerdings überhaupt nicht, auch die Kostüme sind scheußlich. Ich habe Isolde noch nie mit weniger Sex-Appeal gesehen. Wie kann man denn eine so schöne Frau so herrichten?

Apropos herrichten: Das Herrichten spielt ja auch unter den Festspielgästen eine große Rolle.

Mashadi: Ich bin zwar immer glücklich, wenn ich hier bin, aber wenn man die Wagner-Gemeinde sieht... Da denkt man sich schon manchmal, da gehöre ich nicht dazu. Viele Zuschauer sind schon wirklich sehr versnobt. Ich dagegen würde im Notfall auch im Sommerkleid kommen. Obwohl – für heute habe ich ja auch meinen persischen Hochzeitsschmuck angezogen. Trotzdem: Das sollte nicht im Vordergrund stehen.

Wie gefällt Ihnen das Ambiente?

Mashadi: Ich finde es sehr gut, dass die Ausstellung „Verstummte Stimmen“ hier am Grünen Hügel aufgebaut wurde und jetzt ein wenig Geschichte aufgearbeitet oder wenigstens gezeigt wird. Erst letztens habe ich den wunderbaren Film „Wagner & Me“ gesehen, bei dem man sich die Frage stellen muss, wie man überhaupt Wagnerianer sein kann, wenn die Geschichte Richard Wagners auch mit Hitler verstrickt war.

Wie beantworten Sie diese schwierige Frage als Wagnerianerin?

Mashadi: Man muss den Künstler von seinem Werk trennen können. Hitler hat Wagner nicht verstanden. Er hat ihn und seine Musik missbraucht. Aber wie gesagt: Die „Verstummte Stimmen“-Ausstellung ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Worum geht es Ihnen bei den Vorstellungen?

Mashadi: Mir geht es mehr darum, dass die Inszenierung im Dienste der Musik steht. Es hilft niemandem, wenn die Regie sich profilieren will. Da geht nur viel verloren. Bei meiner ersten Inszenierung hatte ich einen Hörplatz – allein das lohnt sich schon. Und ehrlich gesagt: Manchmal ist es sogar besser.

Kürzlich behauptete jemand im „Spiegel“, Bayreuth sei weit ab vom Schuss?

Mashadi: So ein Quatsch! Ich würde sagen: Alle Wege führen nach Bayreuth. Wer kommen will, der kommt auch.