Hinter den Kulissen der TV-Übertragung des „Fliegenden Holländers" Wie die Festspiel-Premiere ins Fernsehen kommt

Von Christina Fleischmann

Die Ouvertüre ist fast vorbei, der große Bildschirm vor Michael Beyer ist noch schwarz. „Achtung, wir sind kurz vor Schnitt zehn. Viel Spaß euch", sagt Beyer in das Mikrofon vor seinem Mund. Michael Beyer ist Bildregisseur. Was die Zuschauer sehen, wenn am Donnerstagabend der „Fliegende Holländer" aus dem Bayreuther Festspielhaus in der ARD sowie zeitgleich in rund 150 Kinos übertragen wird – das entscheidet er.

 
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Michael Beyer ist Bildregisseur. Was die Zuschauer sehen, wenn am Donnerstagabend der „Fliegende Holländer" aus dem Bayreuther Festspielhaus in der ARD sowie zeitgleich in rund 150 Kinos übertragen wird – das entscheidet er.

Erst einmal Generalprobe

Jetzt ist erst einmal Generalprobe. Nicht nur für die Sänger und Musiker im Festspielhaus, sondern auch für die 50 Mitarbeiter, die an der Übertragung der Vorstellung mitarbeiten. Heute wird nicht live gesendet, sondern nur simuliert. Am Tag der echten Übertragung kommen noch einmal zehn Mitarbeiter dazu, sagt Markus Spona, der ausführende Produzent der Live-Übertragung. Spona hat den Überblick über die technischen Abläufe, organisiert, bereitet vor. Wenn die Übertragung um 18 Uhr beginnt, ist seine Arbeit eigentlich schon gemacht. Dann muss alles laufen, sagt er. Etwa eineinhalb Stunden vorher hat er aber noch zu tun.

Es ist 16.41 Uhr. Eine Kamera muss umgebaut werden, sagt Spona und verschwindet in einem der großen Lastwagen, die neben dem Festspielhaus geparkt sind. Drei Türen führen in den sogenannten Übertragungswagen: die linke zur Bildtechnik, die rechte in das Tonstudio und die mittlere zur Bildregie. Hier sitzt später Michael Beyer mit seinem Assistenten und der Bildmischerin. Im Übertragungswagen werden die Bild- und Tonaufnahmen bearbeitet, bevor sie in den Fernsehern und Kinos zu sehen sind. Alle Abteilungen stehen über Kopfhörer und Mikrofone miteinander in ständigem Kontakt. Dafür, dass die Kommunikation funktioniert, sorgt die Subregie, sie sitzt im Begleitwagen, der gegenüber dem Übertragungswagen parkt. Dort werden für die Live-Übertragung auch die Untertitel eingeblendet. Die ersten Gäste finden sich zur Generalprobe ein, laufen erstaunt an den silbernen Wagen vorbei. Immer wieder öffnen sich deren schwere Türen, Menschen gehen hinein oder kommen heraus, treffen sich dazwischen und besprechen sich. Die letzten Probenvorbereitungen laufen. Obwohl heute nicht live gesendet wird, wird die Vorstellung aufgezeichnet. Falls bei der Live-Übertragung etwas nicht präzise genug ist, habe man Ersatzmaterial für die DVD, die am Ende herauskommen soll, sagt Spona.

Im Festspielhaus selbst gibt es jetzt nichts mehr zu tun. Etwa 50 Mikrofone sind schon an der Bühne und im Orchestergraben verteilt. Alle Kabel sind verlegt. Die neun Kameras, deren Bilder Beyer später auf seinem großen Bildschirm sehen wird, stehen in der richtigen Position. Sie sind im Orchestergraben oder an Säulen versteckt, damit sie die Sicht der Zuschauer auf die Bühne nicht stören. Deshalb stehen die Kameraleute während der Aufführung auch nicht hinter den Kameras. Sie sitzen in einem Innenhof des Festspielhauses; dort gibt es für jeden Kameramann einen Arbeitsplatz – die Kameras werden per Funk ferngesteuert. Eine Kamera ist statisch und bleibt auf den Dirigenten gerichtet. Wie sich die anderen acht Kameras bewegen, was sie in welchem Moment aufnehmen, steht in einem etwa 80-seitigen Drehbuch. Das hat Michael Beyer mit seinem Assistenten erstellt. Darin steht, welche Schnitte bei welchem Takt gemacht werden, das heißt, wann der Zuschauer welches Kamerabild zu sehen bekommt. So ein Plan ist nötig, sagt Beyer. „Eine so komplexe Inszenierung nur auf Zuruf umzusetzen, halte ich für unseriös." Über 900 Schnitte sind es insgesamt. Um das Schnittkonzept zu erstellen, muss Beyer die Inszenierung gut kennen. Wissen, wann welcher Darsteller von wo auf die Bühne kommt.

Langsam kehrt Ruhe ein

17.43 Uhr. Langsam kehrt Ruhe ein. Die letzten Gäste verschwinden im Festspielhaus, nur noch einzelne Menschen laufen vorbei. Die Mitarbeiter für die Live-Übertragung haben sich in die Wagen zurückgezogen. Auch Michael Beyer. Mit seinem Assistenten und der Bildmischerin sitzt er vor dem großen Bildschirm, die „Holländer"-Partitur liegt aufgeschlagen vor ihm. Auf dem Pult mit den vielen Knöpfen liegt ein Stapel Blätter, das Schnittkonzept. Zeile für Zeile sind die Taktziffern aufgelistet, dahinter stehen die dazugehörigen Kameranummern. Der Raum ist klein und stark heruntergekühlt. Noch sieben Minuten bis Vorstellungsbeginn. Die Kameras sind schon eingeschaltet. „Wie lange dauert die Ouvertüre", fragt die Bildmischerin. „Zehn", antwortet Beyer kurz. Während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, spricht er sich über sein Mikrofon mit den Kameramännern ab. „Startet bitte mal die Aufzeichnung. Danke", sagt er dann. An einem kleineren Bildschirm links von ihm betrachtet Beyer das Bild von Kamera neun. Es zeigt Christian Thielemann im Orchestergraben. Hinter dem Dirigenten hängt ein weißes Blatt Papier. „Das nimmt ihm viel Kraft weg", sagt Beyer. Für die Live-Übertragung müsse es abgenommen werden. Beyers Blick wandert zum großen Bildschirm vor sich. Er ist schwarz. „So, das Haus ist dunkel", sagt der Bildregisseur. Die Probe beginnt.


INFO

"Der Fliegende Holländer" ist am Donnerstag, 25. Juli, um 18 Uhr in rund 200 Kinos im In- und Ausland zu sehen – unter anderem im Cineplex Bayreuth. Ab 17 Uhr führen Moderator Axel Brüggemann und der Tenor Klaus Florian Vogt gemeinsam mit Festspielleiterin Katharina Wagner in einem Vorprogramm durch den Abend. Erstmals ist die Eröffnungspremiere auch im Fernsehen zu sehen: Das Erste zeigt den „Holländer" zeitversetzt nach den „Tagesthemen" ab 22.15 Uhr. Die Übertragung kann als Video-Livestream auch im Internet verfolgt werden.